Sein erster Job als Bundesligatrainer hat Edin Terzic bei Borussia Dortmund gleich alles abverlangt. Am Samstag sitzt er zum vorerst letzten Mal als Chef auf der Bank. Dass er es dahin geschafft hat, liegt auch an einigen ganz besonderen Freundschaften.
Dieser Text erschien erstmals in 11FREUNDE #234. Das Heft ist hier bei uns im Shop erhältlich.
Es knistert leise in der Leitung auf dem weiten Weg nach Peking, wo es inzwischen Mitternacht ist. Slaven Bilic arbeitet dort als Trainer von Beijing Guoan, will aber noch reden. Schließlich geht es um den Menschen, der fast vier Jahre lang erst bei Besiktas Istanbul und dann bei West Ham United sein Assistent war. „Mit ihm zusammenzuarbeiten war eine der besten Entscheidungen meines Berufslebens, und inzwischen sind wir Freunde fürs Leben“, sagt er mit dunkler Stimme.
Auch Hannes Wolf will gerne über Edin Terzic sprechen, mit dem er seit vielen Jahren beruflich wie freundschaftlich eng verbunden ist. Er sitzt im Auto und weiß da noch nicht, dass zwei Tage später Bayer Leverkusen anrufen wird, um ihn als Trainer in die Bundesliga zurückzuholen. Jetzt geht es nur um Terzic, und bald klingt es so, als würde Wolf über seinen Bruder sprechen. Und Sven Mislintat, der Terzic einst bei Borussia Dortmund zum Scout machte, sagt daheim in Stuttgart fast schon weihevoll: „Edin ist ein Top-Mensch.“
An einem friedlichen Freitagmorgen in der Länderspielpause steht Terzic auf dem Trainingsplatz von Borussia Dortmund. Die Sonne scheint, der Verkehr einer Umgehungsstraße brummt herüber. Die meisten Spieler sind zu ihren Nationalmannschaften unterwegs, es ist nur ein kleines Grüppchen auf dem Rasen. Doch was andernorts vielleicht eine lästige Pflichtaufgabe wäre, hat hier auffälligen Schwung. „Zwei Kontakte, komm, komm!“, ruft Terzic über den Platz. Die Pässe sind ihm zu flau, die Torschüsse zu unkonzentriert. Er rudert mit den Armen, als wolle er ein Schwungrad in Gang setzen, bis er schließlich zufrieden ist: „Guter Ablauf, so sieht’s aus!“
Am Nachmittag sitzt er dann in einem großen Besprechungsraum am Trainingsgelände. Obwohl er nicht die schwarze Baseballcap trägt, die er sonst immer aufzuhaben scheint, wirkt er jünger als 38 Jahre. Dabei hatte Terzic in den vorangegangenen drei Monaten gleich vier Leben, wie er vorrechnet: „Erst war ich Co-Trainer, dann wurde ich Cheftrainer, dann Interimstrainer und jetzt bin ich der zukünftige Co-Trainer.“ Mitte Dezember löste er Lucien Favre ab, dessen Assistent er vorher war, dann sickerte durch, dass in der kommenden Saison Marco Rose aus Gladbach kommen und den BVB übernehmen wird – mit Terzic als Assistent. Die Aufzählung ist aber nicht mal komplett, denn Terzic wurde auch als Heilsbringer begrüßt, weil viele BVB-Fans die Spielweise unter Favre leid waren und sein Nachfolger die Credibility eines echten Borussen mitbrachte. Dann sackten die Leistungen ab und plötzlich war er der Rookie, der an seine Grenzen stieß. Nach dem Sieg beim Pokalspiel in Mönchengladbach hieß es, was man denn mit diesem Rose wolle, wenn man doch Terzic habe. Dann wurde aus dem Klub auch schon die Idee lanciert, dass er der übernächste Cheftrainer sein könnte. Und wer weiß schon, was noch kommen wird auf der Achterbahn.
„Mein erstes BVB-Spiel? Weiß ich noch ganz genau: 23.11.91 gegen Duisburg, 2:1!“
Da ist es gut, wenn man fest verwurzelt ist. Terzic stammt aus Menden im Sauerland, gut 30 Kilometer südöstlich von Dortmund. „Ich bin das Kind einer Gastarbeiterfamilie“, sagt er. Sein Vater, ein Schlosser und Schweißer, der stets auf Montage arbeitete, stammt aus Bosnien, seine Mutter, eine Verkäuferin, kommt aus Kroatien. Terzic wurde in eine Welt hineingeboren, in der es Jugoslawien noch gab. Er ging nach der Grundschule nachmittags noch zusätzlich in eine jugoslawische Schule. Im Sauerland gab es eine große jugoslawische Gemeinde, die sich regelmäßig auf großen Festen traf, zu denen berühmte Musiker anreisten. „Doch als der Krieg begann, gab es das alles von einem auf den anderen Tag nicht mehr.“ 1991 war das und Terzic acht Jahre alt. Auch seine Familie war bald von den Schrecken betroffen. Ein Onkel fiel im Krieg, Cousinen und Cousins gerieten in Gefangenschaft, andere erlebten Vertreibung und abgebrannte Häuser. Jahrelang lebten Kriegsflüchtlinge im Haus der Terzics in Menden. „Da sind wir gemeinsam durchgegangen, meine Familie hat das unheimlich gut gemacht.“
Vielleicht war Fußball in diesen schweren Zeiten auch eine Gegenwelt. Terzics Vater, traditionell Fan von Zeljeznicar Sarajevo, fuhr mit Edin und seinem Bruder jedenfalls viel zu Fußballspielen ins Ruhrgebiet. Edin Terzic weiß noch genau, wann sein erstes Spiel im Westfalenstadion war: „23. November 1991 gegen MSV Duisburg, ein 2:1. Ich kann mich an wenige Dinge in meiner Jugend genau erinnern, aber das war mega beeindruckend.“ Schon vorher hatte er die Borussia irgendwie gut gefunden; nachdem er die Emotionen, die Gesänge, den Jubel im Stadion erlebte, wurde er Fan. Lieblingsspieler Stéphane Chapuisat. „Weil er Torjäger war und wegen des Spitznamens Chappi.“