Fredi Bobic, Adi Hütter, Luka Jovic – der Höhenflug von Eintracht Frankfurt hat viele Gesichter. Das vielleicht wichtigste ist den meisten aber unbekannt.
Eintracht Frankfurts Vereinslegende Charly Körbel hat schon viel mit seinem Klub erlebt. Der Mann ist seit 1972 in wechselnden Positionen im Verein, er war als Spieler DFB- und Europapokalsieger, wurde als Trainer vom Hof gejagt, mittlerweile betreut er die Fußballschule. Irgendwann zwischendurch, gegen Ende der Neunziger, sollte der erfahrene Körbel die Scoutingabteilung des Klubs weiterentwickeln. Voller Elan ging Körbel an die Sache, aber als er fragte, auf welchen Strukturen er denn aufbauen könne, passte die Antwort in eine unscheinbare Schreibtischschublade. Darin, laut Körbel: Zwei Ausgaben des kicker-Sonderhefts, mittels derer die Eintracht zuvor auf Spielersuche gegangen war.
Knapp 20 Jahre ist das her, Körbel dürfte zumindest hinsichtlich des Scoutings seinen Verein kaum wiedererkennen. Spätestens, seit Fredi Bobic im Sommer 2016 anheuerte. Bobic hat in dieser Zeit viele gute Entscheidungen getroffen und den Klub von einem Abstiegskandidaten in einen Champions-League-Anwärter verwandelt. Seine beste, wichtigste Entscheidung allerdings ist der breiten Masse weitestgehend unbekannt. Jene nämlich, den Ex-Profi Ben Manga als Kaderplaner und Scouting-Chef zur Eintracht zu holen.
„Ich bin im Monat vielleicht fünf, sechs Tage zu Hause“
Bereits in Stuttgart haben Bobic und Ben Manga zusammengearbeitet, wenngleich in einer schwierigen Umbruchphase des VfB mit weit weniger Erfolg als aktuell in Frankfurt. Dort gelang es Sportvorstand Bobic, Manager Bruno Hübner und eben Manga, den Kaderwert der Hessen seit 2016 mehr als zu vervierfachen. Für einen Verein wie Frankfurt ein Quantensprung. Anders als Bobic oder Hübner wirkt Manga allerdings eher im Hintergrund und ist selten in den Medien, was auch an seiner Arbeitsweise liegt. „Ich bin im Monat vielleicht fünf, sechs Tage zu Hause“, sagte Manga unlängst der Rheinischen Post. Auf die Frage, ob er denn verheiratet sei, antwortete er in einem Interview mit der FAZ mal scherzhaft: „Noch.“ Der Mann, so viel ist klar, geht ein hohes Pensum.
Das ist allerdings auch nötig, will man einen Verein wie die Eintracht nach vorne bringen. „Es ist schwieriger, für Eintracht Frankfurt zu arbeiten als für Manchester oder Bayern München. Da muss ich mir nur die Topspiele ansehen“, so Manga. Bei den Hessen gehe es darum, unter dem Radar zu scouten: „Ich muss Nischen suchen in den Ländern.“
Und das tut er, so akribisch bisweilen, dass Trainer Adi Hütter kurz nach Amtsantritt staunte, Manga sei „über jeden Fußballer europaweit informiert“. Zupass kommt ihm dabei sein reicher Erfahrungsschatz, er hat das Geschäft von der Pike auf gelernt. Für Fortuna Düsseldorf machte er einst selbst eine Handvoll Bundesligaspiele und warf mit den Fortunen 1995 sogar die großen Bayern aus dem Pokal. Drei Kniescheibenbrüche aber verhinderten eine größere Karriere, Manga spielte in der Folge nur noch unterklassig. Dort aber konnte er schon früh die Weichen für die Karriere danach stellen. Bei Alemannia Aachen war er ab 2003 Scout im Jugendbereich, 2011 holte ihn Hoffenheim, schließlich Bobic zu Stuttgart. „Ich habe viele Vergleichsmöglichkeiten durch meine Erfahrung“, so Manga. Der Rest sei „eine Mischung aus Bauchgefühl, Instinkt und Logik.“ Außerdem wichtig: Vertrauen. „Ich brauche viel Vertrauen und viel Freiheit, um Top-Arbeit abzuliefern. Wenn ich nicht das Gefühl habe, Dinge mit entwickeln zu können, bin ich irgendwann nicht mehr genießbar.“
Zu entwickeln gab es bei der Eintracht indes genug, als Ben Manga 2016 seinen Dienst antrat. Der Klub hatte zwar just den Abstieg abgewendet, war dafür aber quasi mittellos. Manga und Co. mussten mit einem Budget von gerade mal 2,5 Millionen Euro einen neuen Kader zusammenstellen. Eine Mammutaufgabe, die Manga, Bobic und Hübner mit viel Fantasie zu bewältigen wussten. Die Eintracht spielte dank Leihspieler wie dem spanischen Top-Talent Jesus Vallejo, jahrelang sträflich unterschätzten Kickern wie Marius Wolf oder Omar Mascarell oder dem mittlerweile fest verpflichteten Ante Rebic eine formidable Saison ohne Sorgen, an deren Ende sogar das DFB-Pokalfinale stand. Viel wichtiger aber: Im Hintergrund bastelte Manga mit den Erlösen aus der Pokalsaison an einem Kader, der mittlerweile zur Creme de la Creme der Liga gehört. Und das, obwohl er extrem kostengünstig zusammengestellt wurde.
„Ich behaupte, dass ich mehr sehe als andere“
Für den Franzosen Sébastien Haller zahlte die Eintracht sieben Millionen Euro. Ante Rebic kostete etwa zwei Millionen Euro, das in Lissabon ausgemusterte Supertalent Luka Jovic kann dem Vernehmen nach für unter sieben Millionen Euro gekauft werden. Peanuts, schließlich liegt der Wert allein dieser drei Spieler mittlerweile bei knapp 150 Millionen Euro. Manga und sein Team, das in den letzten Jahren kontinuierlich erweitert wurde, schaffen es, Spieler in der zweiten französischen oder spanischen Liga zu finden, wie Innenverteidiger Evan N’Dicka und Mittelfeldspieler Lucas Torro, die in Frankfurt sofort Stammspieler auf gehobenem Bundesliganiveau darstellen. Bei so vielen Volltreffern ist es kein Wunder, dass sich Manga in einem seiner seltenen Interviews selbstbewusst gibt: „Ich bin seit 15 Jahren im Geschäft und behaupte, dass ich mehr sehe als andere. Wenn einer drei Tore schießt, war er gut, das sieht jeder. Meine Aufgabe ist es, kleinste Sachen zu erkennen“, sagte er der FAZ.
Eine Aufgabe, die er meisterhaft bewältigt. Mit dem Brasilianer Tuta und dem Franzosen Almamy Touré stehen bereits die nächsten Talente bei den Hessen in den Startlöchern. Für wenig Geld verpflichtet, hat zumindest schon Touré bewiesen, dass er höheren Ansprüchen genügt. Gerade debütierte er in der Französischen U21, bei den Hessen hat er noch einen Vertrag bis 2023. Anders übrigens als Ben Manga, dessen Vertrag im Sommer ausläuft. Von einer Verlängerung war bislang noch nichts zu hören. Klar ist aber: Mit einem kicker-Sonderheft wird man diesen Mann nicht ersetzen können.