Ralf Feller weiß, wie es in Thomas Tuchels Schlafzimmer aussieht: Mit seinem Team hat der Mainzer Spediteur in elf Jahren hunderte Fußballprofis umgezogen.
Der Text stammt usprünglich aus der aktuellen 11Freunde #209. Das Heft gibt es überall im Handel und direkt bei uns im Shop.
Wenn er über seine Arbeit spricht, klingt Ralf Feller wie der Leiter eines Sondereinsatzkommandos. Er sagt: „Den haben wir aus dem Taunus rausgeholt“ oder „Das Wichtigste ist, dass es geräuschlos abläuft.“ Ein perfekter Job für ihn ist, wenn niemand etwas mitbekommt. Ein schneller Zugriff, keine Fotos, kein Gerede, mission accomplished. Feller ist ein Problemlöser. Einer, der nach Möglichkeit niemals Nein zu etwas sagt. Und rund um die Uhr erreichbar ist. Ralf Feller ist Speditionsleiter beim Mainzer Umzugsservice Höhne-Grass.
Einmal bekam er morgens von Marcel Risse eine alarmistische Whatsapp. Ob er ihn am Nachmittag von Mainz-Hechtsheim in einen anderen Stadtteil „umziehen“ könne. Warum es so rasant gehen musste? „Keine Ahnung. Er hat’s nicht erzählt“, sagt der 49-Jährige, „und ich hab auch nicht gefragt.“ Diskretion ist in seinem Gewerbe höchstes Gebot. Andernfalls wäre es Feller und seinem Team wohl nicht gelungen, in den vergangenen elf Jahren rund 200 Umzüge für Protagonisten aus dem deutschen Profifußball durchzuführen.
Ist einmal die neue Wohnung gefunden, muss es ganz schnell gehen
Ein Ortswechsel ist für einen Kicker, abgesehen von der sportlichen und wirtschaftlichen Veränderung, vor allem eins: lästig. Ein Spieler will möglichst wenig Gehirnschmalz darauf verwenden, wie sein Gerödel von A nach B kommt. Feller hatte das erkannt, als er 2008 eine informelle Anfrage an die Marketingabteilung des FSV Mainz 05 stellte, wer beim Verein eigentlich für Umzüge verantwortlich sei. Überrascht stellte er fest, dass dort trotz ständiger Transfers keine feste Spedition zuständig war. Der gebürtige Herforder, seit Kindesbeinen BVB-Fan, warf also seinen Hut in den Ring. Und der Klub war froh, fortan nicht mehr in den Gelben Seiten blättern zu müssen, um seine Zu- und Abgänge häuslich einzurichten.
„Die meisten Profis machen sich übers Umziehen keine Gedanken“, erklärt er, „die warten, bis der neue Arbeitgeber eine Wohnung gefunden hat und sie die Adresse haben. Und dann kann’s gar nicht schnell genug gehen.“ Als Heinz Müller 2009 vom FC Barnsley nach Mainz wechselte, hatte der Spediteur exakt vier Tage, um die Wohnungsbegehung in Mittelengland zu machen und den Kram mit seinen Leuten in der Karnevalshochburg zu vertäuen.
Was ist typisch für eine Fußballerwohnung? Feller muss nicht überlegen: die Riesenglotze, die Spielekonsole und eine adäquate Couchlandschaft. Ohne die kommt fast keiner aus, egal, ob er ein Zwei-Zimmer-Apartment oder eine riesige Villa bewohnt.
„Einige haben auch dieses Sneaker-Problem“, scherzt er, so dass ihn schon bei der Begehung manche Gattin begrüßte: „Wundern Sie sich nicht, aber mein Mann hat mehr Schuhe als ich.“ Auch Baseballcaps schleppen seine Männer oft kartonweise aus den Wohnungen.
Von Levante nach Seattle in drei Tagen
Bei seiner Begehung checkt Feller nicht nur die Dimension des Hausrats, er notiert auch Objekte, die eine besondere Handhabung benötigen. Der Profi von heute legt Wert auf hochwertige Ausstattung. „Und mit Schleiflack“, so der Experte, „muss man pfleglich umgehen.“
Weil Fellers Team auf jedwede Eventualität eingestellt ist, sind über die Jahre enge Bindungen zu Fußballern entstanden. Nikolai Müller hat er bereits sechs Mal umgezogen – Rekord. Den größten Radius hatte Andreas Ivanschitz mit bislang vier Umzügen um die halbe Welt. In der Regel dauert ein Einsatz von Fellers Männern ein bis drei Tage: Einpacken, Transportieren, Auspacken – fertig! Als Ivanschitz 2015 aus dem spanischen Levante in die MLS zu den Seattle Sounders wechselte, war der Container mit dem Hausrat sechs Wochen auf dem Seeweg unterwegs. Und als er an der US-Westküste anlegte, nahmen Fellers Leute die Sachen sicher in Empfang.
Auch der Spediteur stellt fest, dass sich der Fußballertypus wandelt. War es für seine Leute lange eine besondere Motivation, vor Ort auch mal Bekanntschaft mit einem Promikicker zu machen, passiert es neuerdings öfter, dass die Möbelpacker nur irgendwo einen Schlüssel abholen, dann in die leere Wohnung fahren und dort den Kram in Abwesenheit der Bewohner abtransportieren. „Schade,“ sagt er, „denn manchmal wäre es schön zu wissen, wo wir die Sachen in der neuen Wohnung abstellen sollen.“
Thomas Tuchel und seine Butterbrezeln
Dass es anders geht, bewies Danny Latza. Der damals 25-Jährige konnte offenbar nicht mit ansehen, wie bei seinem Auszug in Bochum um ihn herum alles wuselte. Er packte selbst mit an. Schleppte Kartons, Blumentöpfe und Schrankteile. Und griff irgendwann übermotiviert nach dem Heimtrainer. Mit dem Ergebnis, dass ihm das sperrige Gerät auf der Treppe abrutschte und krachend auf die Fliesen schepperte.
Stammkunde Thomas Tuchel ließ es sich bei seinem Auszug gen Dortmund nicht nehmen, für die Arbeiter höchstselbst die Brezeln mit Butter zu schmieren. Offenbar imponierte dem detailversessenen Coach das Tempo, denn bei der Abnahme drückte er den Männern nicht nur ein saftiges Trinkgeld in die Hand, sondern lobte auch: „Männer, die Laufleistung heute war Spitzenklasse.“
Und wie ist es um die Hygiene der kickenden Kunden bestellt? Völlig vermüllte Messi-Wohnungen sind dem Spediteur noch nie untergekommen. „Die haben genug Kohle,“ erklärt Feller, „die bezahlen Leute dafür, dass die Wohnung sauber bleibt.“ Einmal jedoch öffnete beim Eintreffen des Umzugsservice eine Spielergattin – sichtlich beschämt: „Bitte nicht wundern, dass es hier so stinkt.“ In der Tat nahmen Fellers Männer, natürlich ohne sich etwas anmerken zu lassen, wahr, dass es in der Luxuswohnung übelst muffte. Doch mit bloßem Auge war die Ursache nicht auszumachen. Die Wohnung war blitzsauber, die Kisten akkurat gepackt. „Sorry,“ erklärt die Hausherrin, „aber der Hund hat irgendwo hingekackt. Ich weiß nur noch nicht, wohin.“ Am Ende wurde auch dieses Problem erkannt, gebannt und die Mission erfüllt.