Piero Gratton ist tot. Der italienische Designer zeichnete die schönsten Vereinslogos – und trieb so die Kommerzialisierung des modernen Fußballs voran.
Der neue Präsident, Gaetano Anzalone, ein junger Christdemokrat, der dafür sorgte, dass Rom eine Jugendakademie außerhalb der Stadt bauen ließ, suchte zu dieser Zeit alternative Wege, um an Geld zu kommen. Und wurde während einer USA-Reise fündig. Dort verkauften Sportteams ihre Trikots an die Fans. Trikots, die nicht nur das Emblem des Vereins oberhalb des Herzens aufwiesen, sondern die sich auch durch spezielle Farben und Designs von der Masse abhoben.
Also nahm Piero Gratton, der Walt Disney Italiens und AS-Anhänger, den Stift in die Hand. Sein Problem: Der Verein war nicht im Besitz der Markenrechte an der kapitolinischen Wölfin, die Romelus und Remus der Legende nach säugte, und die sich heute im Vereinswappen der AS Rom befindet. Also schuf Gratton eine Alternative, den „Lupetto”. Eine einfache Zeichnung eines Wolfskopfs, nur ein paar Striche, einige Zacken – und fertig war das neue Logo des Vereins, das fortan auf alles gedruckt wurde, was sich verkaufen ließ.
AS Rom eröffnete Läden in der Stadt, verkaufte Hemden, Stifte und Anspitzer, Aschenbecher – alles mit dem Lupetto darauf. Und verdiente Geld. Denn Gratton nahm sich auch das Trikot der Mannschaft vor, um es an Fans gewinnbringend verkaufen zu können. Die Tageszeitung „Repubblica” kritisierte den ausbrechenden Kommerz. Der Journalist Mario Sconcerti schrieb einen Leitartikel mit der Überschrift: „Wie zieht man einen Fan aus?” Eine Unterstellung, die Gratton sofort und heftig zurückwies: „Ich habe versucht, ihn anzurufen und ihm zu sagen, dass niemand eine Waffe auf die Schläfe der Fans richtet, um sie zum Kauf zu zwingen.” Doch der Anfang einer Entwicklung, die darin mündete, dass Vereine heute jedes Jahr neue Trikots, Sonder- und Ausweichtrikots tragen, um sie danach in ihren Shops zu verkaufen, war gemacht.
Dabei fremdelten die Römer zu Beginn mit dem „Lupetto“. So sehr, dass sich der Verein genötigt sah, eine Erklärung zu verfassen. So richtig legte sich die Skepsis der Fans erst, als die AS in den neuen Trikots auflief. Gratton hatte dafür gesorgt, dass sie für die Schneidereien einfach herzustellen waren und sich das Leibchen trotzdem von allen anderen abhob. Das Ergebnis: Ein weißes Trikot, das auf den Schultern mit dicken roten, orangenen und gelben Balken verziert worden war. Ein Design, das so manchem Römer noch heute Glückstränen in die Augen treibt. Sie hatten die Trikots gleich zu Beginn „ghiaccolo” getauft – Eislutscher, wegen der Ähnlichkeit zu dem bunten Wassereis, das an Italiens Stränden verkauft wurde.
Im ersten Spiel, in dem das Team die „Lutscher” trug, gewann Rom ausgerechnet gegen Juventus Turin. Im Dezember 1978 traf Agostino di Bartolomei, der aus der eigenen Akademie stammte, zum 1:0‑Siegtreffer. Und begründete damit das neue Selbstverständnis des Hauptstadtklubs.
Doch Gratton, der Designer, war noch nicht fertig. Im Gegenteil. In den Folgejahren erschuf er den minimalistisch gehaltenen Hahn als Logo von AS Bari, er veränderte im Auftrag des Sportartikelherstellers Pouchain die Wappen von Ascoli, Cesena, Palermo, Pescara sowie Udinese und sorgte für die hochgelobte Optik zur Fußball-EM 1980 im eigenen Land. Der Stil blieb: Klare Linien, schlichte Formen, einfach wunderschön. Gratton schuf sein Vermächtnis.
Vor seinem Tod hatte sich Piero Gratton noch einmal an seine bahnbrechenden Erfolge erinnert. Er deutete dabei in Richtung eines Friedhofs von Rom. „Auf dem Prima Porta gibt es einen Sektor, auf dem nur Kinder begraben sind. Dort”, sagte Gratton, „legen Eltern Kinderspielzeuge nieder. Sie können sich nicht vorstellen, wie viele kleine Flaggen mit dem Wolf dort zu finden sind. Glauben Sie mir, es ist eine bewegende Sache.”
Nun haben sie Gratton zu Grabe getragen. In Rom aber lebt er weiter. In den Erinnerungen, den Lupettos, die im Stadtzentrum auf Hauswände gemalt sind. Und AS Rom, so heißt es von verschiedenen Medien, plant ausgerechnet zur kommenden Saison in einem Trikot zu spielen, das angelehnt ist an den legendären Lutscher.