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Fuß­ball ist immer noch ein Mann­schafts­sport. Das sollte man nicht ver­gessen bei der Debatte um das nun fest­ge­zurrte Ende der Natio­nal­mann­schafts­kar­riere von Michael Bal­lack. Und trotzdem: Hier han­delt es sich nicht um irgend­einen x‑beliebigen Natio­nal­spieler, hier wurde einer der letzten Ein­zel­kämpfer des deut­schen Fuß­balls zwangs­ver­ab­schiedet. Einer, den man Jahre lang für unver­zichtbar hielt, bis er das wohl selber glaubte, und der nun erfahren musste, dass eben doch jeder zu ersetzen ist. Selbst ein Michael Bal­lack. Was bei der ganzen Geschichte für einen schlechten Nach­ge­schmack sorgt, ist also nicht die Ent­schei­dung an sich. Es ist der Zeit­punkt. Denn der ist eines so ver­dienst­vollen Natio­nal­spie­lers unwürdig. So aus­tauschbar er auch scheinen mag.

Gut ein Jahr ist es her, als Kevin-Prince Boateng mit einer satten Grät­sche im FA-Cup-Finale 2010 seinem Gegen­spieler Michael Bal­lack in die Knö­chel schlid­derte. Bal­lack war damals noch so etwas wie das kickende natio­nale Hei­ligtum, Boateng ledig­lich ein talen­tierter Täto­wierter mit großer Klappe. Bal­lack ver­letzte sich bei der Attacke so schwer, dass er seine Teil­nahme an der WM 2010 absagen musste, was gleich zwei­erlei zur Folge hatte: Eine hek­ti­sche Dis­kus­sion dar­über, ob die Deut­schen nun über­haupt noch nach Süd­afrika fahren sollten und die Brand­mar­kung Boatengs als Rüpel und natio­nalen Schwei­ne­hund. Was pas­sierte? Deutsch­land erfand sich ohne Bal­lack ein­fach neu und spielte wun­der­schönen Fuß­ball; Boateng, nach nur einem Tritt für die deut­sche Natio­nalelf offenbar nicht mehr tragbar, lief ein­fach für das Hei­mat­land seines Vaters auf. Inzwi­schen hat Ghana einen Volks­helden mehr. Und Michael Bal­lack hatte man in den Wochen rund um die berau­schenden WM-Auf­tritte ein­fach ver­gessen.

Boateng wurde zu Milans Held – Bal­lack hoffte auf Ein­sätze

Bal­lack wech­selte zu Bayer Lever­kusen, zurück ins Blick­feld der deut­schen Öffent­lich­keit und des Bun­des­trai­ners. Aber er erholte sich spät. Bei seinen ersten Auf­tritten für die neue Mann­schaft hol­perte er über den Rasen, als habe man ihm soeben erst wieder das Laufen bei­gebracht. Wäh­rend Kevin-Prince Boateng beim AC Mai­land zu einem der besten Mit­tel­feld­spieler der Seria A her­an­wuchs, durfte sich der Vize-Welt­meister und drei­fache Fuß­baller des Jahres Bal­lack freuen, wenn ihn sein Trainer Jupp Heyn­ckes mal von Anfang an spielen ließ.

Bal­lack spielte kaum und er wurde älter. Keine guten Vor­aus­set­zungen für eine Rück­kehr in die Natio­nal­mann­schaft, in der selbst­ver­ständ­lich die Adju­tanten von einst das Steuer über­nommen hatten. Selbst der brave Philipp Lahm bellte plötz­lich, wenn es um das Thema Füh­rungs­spieler ging. Lahm wusste längst, dass er den Kon­kur­renten Bal­lack nicht mehr zu fürchten hatte.

Nach­voll­zieh­bare Gründe für die Bekannt­gabe gibt es nicht

Denn so sah die harte Rea­lität aus: Die deut­sche Natio­nal­mann­schaft hat sich bereits erfolg­reich von Michael Bal­lack eman­zi­piert, viel­leicht ist sie dadurch sogar besser geworden. Sie braucht ihn nicht mehr. Alles hat ein Ende, nur die Wurst hat zwei – wenn es diese Weis­heit nicht geben würde, man müsste sie erfinden.

Wo wir bei Sprich­wör­tern sind, wie heißt es so schön? Lieber ein Ende mit Schre­cken, als Schre­cken ohne Ende.“ In gewisser Weise passt das her­vor­ra­gend zur Vor­ge­hens­weise der DFB-Ver­ant­wort­li­chen. Löw und Co. werden die Ent­schei­dung, in Zukunft nicht mehr mit Michael Bal­lack zu planen, sicher­lich schon Ende des ver­gan­genen Jahres gefällt haben, womög­lich sogar direkt nach der erfolg­rei­chen WM 2010. Warum hat es dann bis in den Juni 2011 gedauert, ehe diese Ent­schei­dung auch öffent­lich gemacht wurde? Nach­voll­zieh­bare Gründe gibt es nicht.

Fuß­ball Made in Ger­many – auch ein Ver­dienst von Michael Bal­lack

Für Michael Bal­lack geht damit eine Natio­nal­mann­schafts­kar­riere, die mehr als zwölf Jahre lang andau­erte, mit einer unnötig langen Hin­hal­te­phase zu Ende. Zwölf Jahre, in denen aus dem deut­schen Fuß­ball wieder eine Marke wurde, die inzwi­schen welt­weit aner­kannt und geschätzt wird. Deut­scher Fuß­ball Made in Ger­many – das ist auch ein Ver­dienst von Michael Bal­lack. So einem Spieler wäre es des­halb ver­gönnt gewesen, die harte Wahr­heit schnell und scho­nungslos mit­ge­teilt zu bekommen, statt die eigene Lauf­bahn langsam aus­bluten zu sehen.

Beim DFB hofft man nun auf einen rühr­se­ligen Abschied, ein Test­spiel am 10. August gegen Bra­si­lien soll zur Ehren­runde für Michael Bal­lack umfunk­tio­niert werden. Wir alle möchten, dass Michael Bal­lack einen wür­digen Abschied von der Natio­nal­mann­schaft im Klas­siker gegen Bra­si­lien feiern und dort ein letztes Mal unser Team als Kapitän aufs Feld führen kann. Wir hoffen, dass er dieses Angebot annimmt“, hat DFB-Pres­se­spre­cher Harald Stenger gesagt. So wie es aus­sieht, wird der DFB ver­geb­lich hoffen – Michael Bal­lack hat offenbar keine Lust auf dieses Spiel. Und das ist nur allzu ver­ständ­lich. Es wäre Bal­lacks 99. Ein­satz für die Natio­nal­mann­schaft. Er, der ewige Zweite, nun auch noch als der Mann, der knapp den Klub der Hun­derter ver­passte? Das muss nun wirk­lich nicht sein.