Mit ungeahnter Radikalität hat sich Bundestrainer Joachim Löw von drei verdienten Nationalspielern getrennt. Dabei wirkt der Schritt eher panisch als durchdacht.
„Jérôme Boateng, Mats Hummels und Thomas Müller haben entscheidend dazu beigetragen, dass wir 2014 Weltmeister geworden sind. Dafür wird der DFB den Spielern immer dankbar sein“, versprach DFB-Präsident Reinhard Grindel. Dafür müssen die drei Spieler ihm wohl verbunden sein. Mit anderen Teilen dieser Generation ist der Verband weitaus weniger gnädig umgegangen. Der unwürdige Umgang mit Mesut Özil, die Ausbootung von Sami Khedira. Bei Benedikt Höwedes kam Schalke 04 dem DFB beim Vor-die-Tür-setzen zuvor.
Es heißt, Joachim Löw hätte den drei Bayern-Spieler jeweils fünf Minuten eingeräumt, um sie über die Nichtberücksichtigung zu informieren. Zwischen Tür und Angel sollen die verdienten Nationalspieler dem DFB einen letzten Dienst erweisen – und klaglos Platz machen. Das passt zu den modernen Akademiekadetten des DFB.
Die Erfahrung fehlt
Dabei hätte es ja genug Fragen gegeben. Zum Beispiel, warum Joachim Löw, der erst vor einem Jahr eine umfassende Analyse betrieben hatte, nun seine Entscheidung um die Achse des Teams vollständig revidiert. Oder über welche Alternativen auf mindestens Weltniveau – vor allem auf der Position des Innenverteidigers – er in den nächsten zwei Jahren verfügen wird. Der Bundestrainer sagt: „Im Jahr der Qualifikation zur Europameisterschaft 2020 senden wir damit ein deutliches Signal der Erneuerung: Die jungen Nationalspieler erhalten den nötigen Raum zur vollen Entfaltung.“
Hummels (30), Boateng (30) und Müller (29), sagt Löw, nähmen der Jugend den Platz weg und die Verantwortung ab. Dabei entwickelten sich die Spieler dieser Generation so prächtig, weil sie zwar Verantwortung übernahmen, aber beim ersten großen Turnier 2010 und dem WM-Titel 2014 erfahrene Spieler wie Miroslav Klose, Per Mertesacker oder Bastian Schweinsteiger neben sich hatten.
Neuer und Kroos wackeln
Auf diese Dienste, ihre Erfahrung, verzichtet Joachim Löw sehr plötzlich. Dass junge Spieler diesen Nachteil in Qualifikationsspielen gegen Estland und Nordirland aufholen, ist zweifelhaft. Beim Gedanken daran, dass auch Manuel Neuer (32) und Toni Kroos (29) mittlerweile in der Kritik stehen, könnte sein freiwilliger Verzicht auf die erfahrene Achse noch teuer werden.