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Abschieds­spiele sind im Leben eines Profis keine bedeu­tenden Ereig­nisse. Für gewöhn­lich enden sie unent­schieden, und der alte Held darf min­des­tens ein Tor selbst schießen, gern auch mit Ent­ge­gen­kommen der geg­ne­ri­schen Defen­sive. Mit Fuß­ball hat so ein Schau­laufen nichts zu tun, nor­ma­ler­weise. Doch was war schon normal, wenn in den 70ern Ajax gegen Bayern spielte?



Ich war ein Jahr zuvor vom KSC zum FC Bayern gewech­selt, nachdem sich Franz Becken­bauer in die USA zu den Cosmos ver­ab­schiedet hatte. Damals gehörte ich zu den jün­geren Spie­lern, stand in der Hier­ar­chie weit unten. Für mich war es eine beson­dere Ehre, dass wir zur Ver­ab­schie­dung dieses groß­ar­tigen Spie­lers ein­ge­laden wurden.

Natür­lich hatte ich die große Ajax-Zeit als Jugend­li­cher im Fern­sehen ver­folgt, als die Mann­schaft den euro­päi­schen Fuß­ball prägte und Cruyff beson­ders her­aus­ragte. Doch an diesem Tag, an dem wir ihm die letzte Ehre erweisen sollten, lief es von Anfang komisch. Wir fühlten uns wie das fünfte Rad am Wagen, waren scheinbar nur ein­ge­laden worden, damit über­haupt ein Spiel zu Ehren von Cruyff statt­finden konnte und letzt­end­lich Elf gegen Elf auf dem Platz standen. Die Merk­wür­dig­keiten vor dem Spiel waren unüber­sehbar: Wir wurden am Flug­hafen nicht abge­holt und das Hotel erwies sich als eher zweit­klassig. Wenn wir nicht ange­reist wären, hätte es wohl auch keinen weiter gestört. Paul Breitner hat hin­terher erzählt, dass wir schon beim Warm­laufen vom Publikum als Nazi-Schweine“ beschimpft wurden. Er sagte, auf dem Weg vom Platz zur Kabine hätten ihn die Zuschauer sogar ange­spuckt.

Wie auch immer: Irgend­wann war das Maß voll. Breitner, Maier, Müller und Oblak haben in der Kabine mit­ein­ander gespro­chen und anschlie­ßend uns Jün­geren ein­ge­bläut, dass wir den Hol­län­dern ein echtes Spiel bieten sollten. Viel­leicht hatten die Leit­wölfe auch noch im Hin­ter­kopf, dass sie 1973 hier im Euro­pacup mit 4:0 baden gegangen waren. Ich kann mich aber nicht daran erin­nern, dass wir Cruyff in Mann­de­ckung genommen haben, wie hol­län­di­sche Medien bis heute behaupten. Wir haben ein­fach ver­sucht, so viele Tore wie mög­lich zu erzielen und gleich­zeitig keine Gegen­tore zu kas­sieren. Wir nutzten unsere zahl­rei­chen Tor­chancen, schon zur Halb­zeit stand es 3:0, und am Ende hatten wir 8:0 gewonnen – durch jeweils drei Tore von Gerd Müller, Rum­me­nigge sowie zwei von Breitner. Dass sich Karl-Heinz Rum­me­nigge im letzten Jahr offi­ziell bei Johan Cruyff für die Belei­di­gung“ ent­schul­digt hat, dürfte eher etwas mit höherer Sport­di­plo­matie zu tun gehabt haben. Letzt­end­lich hatten wir das Spiel in dem Moment abge­hakt, in dem wir das Ajax-Sta­dion ver­ließen. Auch als wir Anfang der 80er im Euro­pa­pokal der Lan­des­meister wieder auf­ein­ander trafen, sprach keiner mehr von der Schande von Ams­terdam“.

Ich habe leider bis heute nicht erfahren, wie Johan Cruyff die bit­tere Nie­der­lage erlebt hat. Der Kon­takt zu ihm beschränkte sich auf ein kurzes Hän­de­schüt­teln vor der Begeg­nung. Die Zuschauer, die extra wegen ihres Idols gekommen waren, arti­ku­lierten ihren Ärger etwas deut­li­cher. Sie haben uns nach dem Schluss­pfiff mit ihren Sitz­kissen beworfen. Es war irgendwie ein komi­scher Abend. Hätte man uns vorher nicht zu Rand­fi­guren degra­diert, wäre viel­leicht alles ganz normal gelaufen und wir hätten uns auf das übliche 4:4 oder 5:5 einigen können. Es kam dann aber etwas anders.