Klaus Toppmöller verzauberte mit Frankfurt, Bochum und Leverkusen die Fußball-Fans. Ron Ulrich über einen Trainer, der das Kurzpassspiel und kuriose Krawatten liebte. Und eigentlich zu den Simpsons passte.
Es kann vorkommen, dass Bundesligatrainer zum Trainingsplatz kutschiert werden. Sehr selten stehen sie dabei aber auf dem Trittbrett der örtlichen Müllabfuhr. Als Klaus Toppmöller im Jahr 1997 den VfL Bochum trainierte, traf er nach einer durchgefeierten Nacht in einem Café auf zwei Müllmänner. Die eingefleischten Fans erklärten sich schnell bereit, Toppmöller zur Arbeit mitzunehmen. Schließlich war der Mann in Vorleistung gegangen, er hatte den als „graue Maus“ gebrandmarkten VfL in den Europapokal geführt, und dabei gar bis ins Achtelfinale.
Nicht nur Männer in Orange waren bereit, für Toppmöller weite Wege zu machen. Der Trainer aus Rivenich verstand es während seiner Laufbahn, Spieler und Fans mit seiner Leidenschaft fast so oft anzustecken wie seine Marlboros. Eintracht Frankfurt spielte 1993 unter Toppmöller nicht nur berauschenden Fußball, Uwe Bein & Co. zelebrierten ihn. Der VfL Bochum vollbrachte 1997 kurzzeitig gar das Kunststück, dass in der öffentlichen Wahrnehmung selbst die Regenbogenfarben auf den Trikots hinter dem sportlichen Erfolg des Teams verblassten. Und Bayer Leverkusen fegte unter „Toppi“ 2002 über Manchester United und Liverpool hinweg ins Finale der Champions League.
Mit dem Adler in die Kabine
Toppmöller, der Motivator, der Fußballjunkie, der Mann, der mit einem Adler in die Kabine spazierte. Aus Individualisten formte er eine Solidargemeinschaft, den Diven und Künstlern schenkte er Freiraum und Vertrauen. Der Ästhetik des Spiels ordnete er Effektivität und Sachlichkeit unter, erst sollte die Begeisterung kommen, dann der Erfolg. Hätte er so Fußball gespielt wie Berti Vogts, „hätte ich meine Schuhe verbrannt“, hat er einmal gesagt. Und erst kürzlich sagte er in einem Interview mit „DerWesten“: „Es regt mich so was von auf, wenn die Leute im Stadion ›Wir wollen euch kämpfen sehen‹ rufen. Es sollte besser heißen ›Wir wollen euch spielen sehen‹.“
Dieser schrullige Lautsprecher mit den kuriosen Krawatten, der mit seinem ergrauten Lockenkopf und den Fluppen im Mund gut neben Patti und Selma von den Simpsons hätte Platz nehmen können, er war der selbsternannte Apologet des feinen Fußballs. Ein Kunstlehrer mit Stammtisch-Schnauze. 1993 dichtete er etwas voreilig „Bye, bye, Bayern“, bevor seine Frankfurter in der Rückrunde von ihrer Meisterform abfielen. Es mögen sein Ruf als Mann der flasigen Sprüche oder das Menetekel des Vizetiteltrainers gewesen sein, die weitere Engagements von Toppmöller in der Bundesliga verhinderten. Zuletzt trainierte er die Nationalmannschaft von Georgien. Er träume, so sagte er kürzlich, von einem Engagement als Nationaltrainer bei einer Weltmeisterschaft. Drunter macht er es wohl nicht mehr.
Eine Widmung von Michael Ballack
Heute soll Toppmöller wahlweise in seiner Kneipe bei seinen Skatfreunden oder bei einem Glas Wein an der Mosel sitzen. In der Sportsbar seines Heimatortes hängt ein Foto, auf das sein ehemaliger Schützling Michael Ballack die Widmung geschrieben hat: „Lieber Klaus, big boys don’t cry.“ Viele Tränen hat Toppmöller aber selbst nach der Niederlage im Champions-League-Finale 2002 nicht vergossen. Er schmetterte in der Nacht inbrünstig „Marmor, Stein und Eisen bricht“, ein Müllwagen war allerdings nicht in der Nähe. Für ihn überwiege der Stolz nach dieser fantastischen Saison, sagte er später. Und einen Titel hat er letztendlich auch gewonnen. Der englische „Observer“ brachte damals in etwas holprigem Deutsch die Schlagzeile : „Wünder Klaus“.