Im zweiten Teil unseres Interviews spricht Slaven Bilic über die Proteste der „Carsi“-Ultras, verrät, wie wichtig Fans wirklich sind und warum ihn sein Job so fasziniert.
War Ihnen schon immer klar, dass Sie als Trainer Ihre Karriere fortführen würden?
Nein, als Spieler war ich Spieler. Wenn ich etwas mache, dann zu 100 Prozent. In den Trainerjob bin ich eher durch Zufalle reingeschliddert. Als ich am Ende meiner aktiven Laufbahn bei Hajduk Split spielte, brauchten die einen Trainer, ich übernahm den Posten.
Dann sind Sie also eines Tages aufgewacht und waren plötzlich Trainer.
Quatsch. Das ist ein neuer Job und ich habe mich da eingearbeitet. Habe mich fortgebildet, gelesen, die Lizenzen gemacht, gelernt und gearbeitet. So etwas fiel mir schon immer leicht: In war ein guter Schüler, und parallel zu meiner Zeit als Profi machte ich meinen Abschluss in Jura.
Was macht einen Trainer zu einem guten Trainer? Sein taktisches Genie?
Taktik? Pah, dann könnte jeder Teenager ein Super-Trainer werden.
Wie meinen Sie das?
Taktik ist wichtig, aber Taktik kann jeder lernen. Machen sie Taktik zu einem Schulfach in der Grundschule und nach zehn Jahren haben sie eine ganze Generation, die alles über Taktik weiß. Aber das macht noch keinen guten Trainer aus. Es ist die Kombination aus Wissen, Erfahrung, Charakter, Leidenschaft und Glück.
Wie anstrengend ist Ihr Beruf?
Das ist der komplexeste Job der Welt.
Warum?
Grundsätzlich unterscheidet sich mein Job nicht von dem einen Bankdirektors. Wir haben beide ein Ziel, dass wir erreichen wollen. Er will Geld vermehren, ich will Pokale gewinnen. Dafür haben wir einen Haufen junger, motivierter, top ausgebildeter Menschen zur Verfügung. Mit denen müssen wir arbeiten, wir müssen sie glücklich machen, damit sie motiviert bleiben Wir müssen harte Entscheidungen fällen, wenn sie über die Stränge schlagen, wir müssen uns sogar von einigen von ihnen trennen, um unser Ziel zu erreichen. Aber der Unterschied ist dieser: Der Bankdirektor kann in Ruhe arbeiten. Mich beobachten Millionen Menschen bei meiner Arbeit. Fans loben mich in den Himmel oder wünschen mir die Pest an den Hals. Dutzende Medien brauchen jeden Tag eine neue Story.
Und jeder weiß es besser?
Ha, allerdings! Ein alter Freund von mir ist eine Koryphäe der Gehirnchirurgie. Natürlich fragt er mich häufig: „Warum hast du das gemacht? Warum so gespielt?“ Ich sage immer: „Professor, deine Meinung in Ehren. Aber stell dir mal vor, jede deiner Operationen würde live im Fernsehen übertragen werden. Jeden Schnitt, den du dann machst, würde kommentiert werden!“ Dann lässt er mich meistens in Ruhe (lacht).
Wie flexibel müssen Sie in Ihrem Beruf sein?
Wie meinen Sie das?
Sie haben es selbst gesagt: Trainer bleiben in der heutigen Zeit nicht lange bei einem Klub und jeder Verein hat eine bestimmte Philosophie, die aus Tradition und Geschichte gewachsen ist. Besiktas Istanbul ist da keine Ausnahme. Wie flexibel müssen Sie also sein bei den häufig wechselnden Arbeitgebern?
Die Grundlage ist Selbstvertrauen und die Lust am Wettkampf. Das braucht man als Spieler, das braucht man als Trainer. Als ich hier in Istanbul begann, war mir klar, dass das eine neue Aufgabe mit neuen Herausforderungen sein wird. Aber natürlich habe ich als Trainer die von ihnen genannte Philosophie eines Vereins zu respektieren. Ich kann nicht Trainer von Besiktas Istanbul sein, und langweiligen Ergebnisfußball bieten. Selbst wenn ich damit die Meisterschaft gewänne, würden sie mich bald rausschmeißen.