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Julian Draxler ist irgendwie ein Phä­nomen. Seit über fünf Jahren gehört der inzwi­schen 24-Jäh­rige mehr oder minder zum festen Kreis der deut­schen Fuß­ball-Natio­nal­mann­schaft, doch tiefe Spuren hin­ter­lassen hat er kaum welche. Das soll sich idea­ler­weise bei der kom­menden WM gewaltig ändern.„Wir sind alle mit Begeis­te­rung dabei, ich habe mit viel vor­ge­nommen und dem Bun­des­trainer gezeigt, dass er mir ver­trauen kann“, sagt Draxler.

42 Län­der­spiele hat Draxler bisher für die deut­sche A‑Mannschaft absol­viert, meist ist er so – na ja – mit­ge­schwommen. Zu selten hat er seine Klasse wirk­lich zeigen können. Wie bei­spiels­weise bei der EM 2016 in Frank­reich im Ach­tel­fi­nale gegen die Slo­wakei, als er hin­terher als Tor­schütze und Vor­la­gen­geber völlig zurecht zum„Man oft the Match“ gekürt wurde.

Unter den Kleinen der Größte

Als Löw im vorigen Sommer eine bes­sere B‑Auswahl zusam­men­stellte, die sich auf den Weg zum Confed-Cup nach Russ­land machte, über­trug er dem damals 23-jäh­rigen Draxler das Amt des Mann­schafts­ka­pi­täns. Nie war ein deut­scher Spiel­führer bei einem offi­zi­ellen Tur­nier jünger. Das Abschneiden der zusam­men­ge­wür­felten Mann­schaft war dabei ebenso unge­wiss wie die Leader- Qua­lität Drax­lers.

Am Ende des kleinen Som­mer­aben­teuers stand ein über­ra­schender Confed-Cup-Sieg mit einem Kapitän Draxler, der zum besten Spieler des gesamten Tur­niers gewählt wurde. Das hat dem offen­siven Mit­tel­feld­spieler, der vor­nehm­lich auf der linken Seite spielt, Lob und Aner­ken­nung ein­ge­bracht.

Doch im Anschluss daran ist er in den jüngsten Test­län­der­spielen im Herbst 2017 und Früh­jahr 2018 gegen die Größen dieser Fuß­ball­welt, gegen Eng­land (0:0), Frank­reich (2:2), Spa­nien (1:1) und Bra­si­lien (0:1), die er alle­samt bestritt, den Nach­weis schuldig geblieben, bereits auf einer Stufe mit den eta­blierten Welt­meis­tern im Team zu stehen. Wenn man so will, dann haftet an Julian Draxler der Ruf, unter den Kleinen der Größte zu sein, aber eben auch der Kleinste unter den Großen.

Ich bin über­zeugt davon, dass ich bei der WM viel Spiel­zeit haben werde“

Bereits im Mai 2014 vor der WM in Bra­si­lien hatte er in einem Test­spiel gegen Polen die deut­sche Mann­schaft als Kapitän aufs Feld geführt. Damals war er 20 Jahre und 265 Tage alt und löste einen gewissen Chris­tian Schmidt von Con­cordia 95 Berlin als jüngsten Natio­nal­mann­schafts­ka­pitän aller Zeiten ab. Der Tor­hüter Schmidt hatte den Rekord im April 1910 (!) auf­ge­stellt.

Die Startelf, die Draxler damals anführte, ver­fügte ins­ge­samt über die Erfah­rung von 13 Län­der­spielen, zehn davon gingen allein auf sein Konto. Gleich acht Neu­linge hatte Löw in die Startelf berufen. Wenige Wochen später ver­folgte Draxler die WM-Spiele der deut­schen Aus­wahl fast aus­schließ­lich von der Bank aus, ledig­lich im Halb­fi­nale gegen Bra­si­lien kam er für die Schluss­vier­tel­stunde des längst ent­schie­denen Spiels zum Ein­satz.

Beim Confed-Cup vor einem Jahr hat Draxler seinen Durch­bruch geschafft, nun will er in Russ­land den nächsten Schritt machen. 2014 war ich froh, über­haupt dabei zu sein“, erzählt ein auf­ge­räumt wir­kender Draxler. Er sei vier Jahre älter, beim Spit­zen­klub Paris Saint Ger­main fuß­bal­le­risch wie in seiner Per­sön­lich­keit gereift und in der Lage, auch der Welt­meis­ter­mann­schaft wei­ter­helfen zu können. Ich bin über­zeugt davon, dass ich bei der WM viel Spiel­zeit haben werde“, sagt Draxler mutig.

Dabei ist die Kon­kur­renz auf seiner Posi­tion so groß wie nir­gendwo anders im Team des Welt­meis­ters. In Marco Reus und Leroy Sané gebe es gewaltig gute Mit­be­werber, er aber rechne fest damit, den Sprung in den end­gül­tigen WM-Kader zu schaffen. Bis zum 4. Juni wird Löw vier Spieler aus­sor­tieren müssen. Ich gehe davon aus, dass ich dabei bin“, sagt Draxler.

In der zurück­lie­genden Saison hat er in Paris gelernt was es heißt, sich einer fast über­mäch­tigen Kon­kur­renz zu stellen. Im Sommer wurde ihm die 222 Mil­lionen Euro teure Neu­erwer­bung Neymar vor die Nase gesetzt, wes­halb er es bei Trainer Unai Emery nicht immer ein­fach hatte. Trotzdem brachte er es auf 30 Liga-Ein­sätze, dabei stand er immerhin 19-mal in der Startelf. Nach der WM wird dort Thomas Tuchel dem Basken im Trai­neramt folgen, Emery wird künftig beim FC Arsenal das Sagen haben.

Vom Trai­ner­wechsel ver­spreche er sich viel, obgleich er Tuchel noch nicht per­sön­lich kennen gelernt hat. Er habe sich aber schon mal umge­hört. Fach­lich sei Tuchel top, mensch­lich mag der eine ihn mehr, der andere weniger“, sagt Draxler: Ich bin da voll­kommen unvor­ein­ge­nommen.“

Kann Draxler ein großer Spieler werden?

Der immer noch jugend­lich wir­kende Mann aus Glad­beck hat vieles richtig gemacht in seiner Kar­riere als Fuß­ball­profi, sieht man viel­leicht von seinem Side­kick zum VfL Wolfs­burg ab. In dieses Geschäft ist er sehr früh schon, im Alter von 17 Jahren, beim FC Schalke 04 ein­ge­stiegen. Er hat wesent­liche Schritte bei diesem Klub gemacht, hat zeit­weise sogar Prä­gendes gelie­fert und ist dort zum Natio­nal­spieler auf­ge­stiegen.

2012 stand er im vor­läu­figen EM-Kader. Auch wenn er kurz vor dem Tur­nier den finalen Cut des Bun­des­trai­ners nicht über­stand, so zählt Joa­chim Löw zu seinen großen Bewun­de­rern und För­de­rern. Drax­lers fuß­bal­le­ri­sche Qua­li­täten, sein Talent und seine Bega­bung für dieses Spiel, sind unbe­stritten wie selten.

Und doch steht seine Kar­riere in Deutsch­lands wich­tigster Mann­schaft immer noch unter Vor­be­halt. In den kom­menden Tagen, vor allem aber bei der WM-End­runde in Russ­land, muss Draxler den Nach­weis erbringen, dass er nicht nur ein talen­tierter Bur­sche ist, son­dern ein großer Spieler werden kann.