Wird er einer der Stars des DFB-Pokalendspiels? Bei Borussia Dortmund hat sich Milos Jojic in den Vordergrund gespielt. Der Winter-Neuzugang fügt sich als Gündogan-Ersatz perfekt ins BVB-Spiel ein. Ein Porträt.
Genau ein Jahr liegt der größte Moment in der Karriere von Milos Jojic zurück. Partizan gegen Roter Stern, das legendäre Belgrader Stadtderby. Im entscheidenden Spiel um die Meisterschaft wurde der damals 21-jährige Serbe an diesem 18. Mai 2013 knapp 20 Minuten vor Schluss eingewechselt. Vermutlich hofften einige Partizan-Fans, dass das vielversprechende Talent das Spiel entscheiden würde, wirklich rechnete aber niemand damit. In der 90. Minute gab es beim Stand von 0:0 einen Freistoß. Jojic schnappte sich den Ball, lief an und traf. Ekstase. Die Fans stürmten die Fans den Platz, entrissen Jojic Trikot, Hose, Stutzen und Schuhe. Am Ende stolzierte der junge Mann nur mit Unterhose bekleidet über den Platz und grinste.
Am Wochenende könnte dieser Moment Konkurrenz bekommen. Vor dem DFB-Pokalfinale zwischen Borussia Dortmund und Bayern München ist Milos Jojic einer der Gründe, warum der BVB durchaus gute Chancen hat, in Berlin zu siegen.
Klopps serbische Begrüßung
Die Geschichte von Jojic beim BVB beginnt im Winter. Damals zwang die schwere Verletzung von Jakub Blaszczykowski Manager Michael Zorc zum Handeln. Also lotste er den Nationalspieler von Partizan nach Dortmund. Der hatte in seinem Heimatland in der Hinrunde der Saison 2013/14 ordentlich Werbung in eigener Sache betrieben. Der Mittelfeldspieler absolvierte als einziger Partizan-Akteur alle 15 Hinrunden-Spiele, erzielte dabei sechs Treffer und bereitete weitere sieben vor. Ursprünglich wollte er noch gar nicht aus Belgrad weg, das Gesamtpaket des BVB überzeugte ihn aber.
„Jürgen Klopp konnte sogar ein paar Wörter serbisch“, erzählte Jojic bei seiner Vorstellung. Außerdem habe sein Berater, Ex-BVB-Star Micki Stevic, viel über den Verein berichtet. In Dortmund rechneten viele bei der Vorstellung der neuen Nummer 14 dennoch eher mit einem besseren Ergänzungsspieler. „Bei ihm ist es sehr schnell gegangen mit der Integration und der Adaption seines Spielstils“, zeigt sich auch Michael Zorc überrascht.
Leben in lahmender BVB-Zentrale
Jojic erwischte einen Traumstart. Mitte Februar feierte er im Heimspiel gegen Eintracht Frankfurt sein Debüt, versenkte den Ball nur 17 Sekunden nach der Einwechslung im Tor. Zunächst auf der Außenbahn eingeplant, hat er sich seitdem im zentralen Mittelfeld festgespielt. „Dort kann ich aus dem Hintergrund auftauchen, um vor dem Tor zu Gefahr zu sorgen“, sagt er. Und dort belebte er den im Herbst lahmenden BVB.
Im zentralen Mittelfeld fielen Sven Bender und Ilkay Gündogan verletzt aus, Nuri Sahin und Sebastian Kehl wirkten überspielt. Jojic hingegen entwickelte sich zuletzt zur bemerkenswerten Konstante. Jürgen Klopp sagte zuletzt: „Er ist ein Riesentalent.“
Während Sahin den langen und schmerzlichen Ausfall von Gündogan nie vollständig kompensieren konnte, überzeugt der Serbe durch Lauf- und Zweikampfstärke, Flexibilität, Torgefährlichkeit. Der 1,77 Meter große Akteur vereint viele Vorgaben, die Klopp an seine Spieler stellt. Die Devise seines Trainers, nach Gegenpressing schnell den Ball zu erobern, um dann temporeiche Gegenangriffe einzuleiten, hat Jojic aufgesaugt.
In zehn Ligaspielen für den BVB hat er mittlerweile vier Tore erzielt und einen Treffer aufgelegt. Zuletzt stand er viermal in Folge in der Startelf. In den beiden letzten Bundesligaspielen in Berlin und gegen Hoffenheim lief er insgesamt 23,7 Kilometer – die meisten aller BVB-Profis. Dazu verbuchte er nach Mats Hummels (77) mit 67 Zuspielen die meisten Pässe. Eigentlich kann Klopp aktuell nicht auf den Serben verzichten.
Bücher statt Filme
Vielleicht passt Jojic auch deshalb so gut zum BVB, weil er kein Lautsprecher ist. Er verzichtet auf laute Forderungen, präsentiert sein Können stattdessen in den Spielen und im Training. Klopp sprach schon mehrfach von „überragenden“ Trainingseindrücken. Im Viertelfinal-Rückspiel der Champions League gegen Real Madrid warf er Jojic deshalb ins kalte Wasser. Der Serbe stand auf einmal als zentraler Umschaltspieler in der Startelf und löste seine Aufgabe beinahe perfekt.
„Milos ist eine angenehme Persönlichkeit“, so Klopp. In Serbien gilt „der Hase“, wie ihn einst sein Nachbar wegen seiner markanten Schneidezähne nannte, als bescheidener Charakter mit kontrolliertem Temperament. Es passt ins Bild, dass er via Instagram zeitweise Buchcover als Lektüreempfehlung veröffentlicht. „Ich versuche zu lesen, wann immer ich Zeit habe. Ich lese lieber ein Buch als mir einen Film anzusehen“, sagte er vor Jahresfrist der serbischen Sportzeitschrift „Sportski Zurnal“.
„Der Kleine ist ein Glücksgriff“
Momentan hapert es eigentlich nur an der Sprache. Regelmäßig sind Co-Trainer Zeljko Buvac und Landsmann Neven Subotic als Dolmetscher im Einsatz. Subotic scherzte vor einigen Monaten: „Er kann kein Deutsch, kein Englisch. Er versteht nicht, wo er hinlaufen soll. Aber er läuft.“ Mittlerweile klappt es mit der Verständigung zwar schon besser, auf dem Platz scheint die Sprachbarriere aber aktuell kein Problem zu sein.
„Der Kleine ist ein Glückgriff“, sagt Jürgen Klopp, warnt aber auch vor zu großen Erwartungen. Jojic scheinen die gestiegenen Ansprüche an seine Person nicht zu belasten. Warum auch? Wer in der 90. Minute im entscheidenden Belgrader Stadt-Derby einen Freistoß in den Winkel setzt, kommt auch mit dem Druck rund um ein Champions-League-Spiel oder das DFB-Pokalfinale zurecht. Vielleicht wird Jojic´s größter Moment der Karriere ja am Samstag übertrumpft. Vielleicht stolziert er wieder in Unterhose bekleidet über den Platz. Und vielleicht reckt er dann sogar eine goldene Trophäe in die Luft. So wie damals in Belgrad.