Zum heutigen Tag des Artenschutzes wollen wir an dieser Stelle auf ein ökologisches Desaster direkt vor unserer Haustür aufmerksam machen: Weil immer mehr Bundesligisten hinter verschlossenen Türen trainieren, droht der Trainingskiebitz auszusterben. Mit weitreichenden Folgen für das Biotop Bundesliga.
Dieser Text erschien erstmals in 11FREUNDE #214. Das Heft ist hier bei uns im Shop erhältlich.
Tau liegt auf dem frisch gemähten Rasen, die Balustraden rund um den Trainingsplatz glänzen im Morgenlicht, da schallt ein unverkennbarer Ruf über das Vereinsgelände: „Junge, Junge, Junge!“, tschilpt es. Der Trainingskiebitz hat einen Fehlpass beobachtet und ihn mit seinem arttypischen Gehabe quittiert. Ein kehliges Meckern, ein Abwinken, ein Kopfschütteln: ein Schauspiel der Natur.
Trainingsplätze deutscher Bundesligisten waren seit jeher Horte der Artenvielfalt. Doch seit immer mehr Bundesligisten nicht-öffentliche Übungsstunden hinter schwarzen Sichtschutzplanen abhalten und sogar Security-Mitarbeiter ansiedeln, den natürlichen Prädator des Trainingskiebitzes, wird dieser aus seinem angestammten Lebensraum verdrängt. Die Bestandsentwicklung, warnen führende Fußballornithologen, ist bedenklich. Denn mit dem Verlust der Habitatstruktur und ihrer diversen Nischen geht dem hiesigen Fußball gleich eine ganze Reihe verschiedener Kiebitztypen verloren.
Dabei trifft der Habitatverlust in erster Linie den im Biotop dominanten Klassischen Trainingskiebitz (→ Fig. 1; Vanellus exercitationes ordinaris), das Art-immanente Alphatier, das sich seine hervorgehobene Stellung vor allem durch penetrante Standorttreue erarbeitet hat. Er kommt seit Jahren, manchmal seit Jahrzehnten an ein und denselben Trainingsplatz, um mit gelangweiltem Gesichtsausdruck an den Aluminiumbalustraden rund um die Trainingsplätze zu lehnen, Kette zu rauchen und jeden noch so harmlosen Stockfehler der Spieler mit lautem Stöhnen zu quittieren.
Einzigartig das Konzert altkluger Kommentare, guttural und voller Häme, das besonders in der Sommervorbereitung zu hören ist, wenn sich für den Kiebitz abzeichnet, dass die Truppe genau den gleichen Mist spielt wie im Jahr zuvor. Verhaltensforscher sprechen in diesem Zusammenhang von einer Art evolutionärem Schutzmechanismus, der das sensible Tierchen vor erneuten Enttäuschungen durch den Wirtsklub bewahren soll.
Die über Jahre aufgebauten, überaus komplizierten Beziehungsgeflechte – je nach Größe des Vereins kommen Kiebitze sogar im Rudel vor – sind oft widerstandsfähiger, als der Laie denkt. Auch weil sich der Kiebitz durch natürliche Auslese perfekt an die Bedingungen angepasst hat. Mit Trekkingschuhen drückt er kurzrasige Nistmulden ins Gras. Diese bieten ihm ideale Bedingungen, um mit leerem Blick über die eigene, verfehlte Vereinswahl zu brüten und auf allfällige Beute zu warten, etwa den unsicher wirkenden 18-jährigen Neuzugang. Als besonders anpassungsfähige Unterart des Klassischen Trainingskiebitz gilt der auch bei Minustemperaturen im Winter anzutreffende Allwettertrainingskiebitz (→ Fig. 2; Vanellus tempestatibus).
Seine erstaunliche Wetterresistenz verdankt er dem saisondimorphen Schichtkleid, das allerdings stark vom saisonalen Funktionsjackenangebot bei Tchibo und Aldi abhängt. Lange herrschte in der Forschung die Meinung vor, dass der Allwetterkiebitz mit Käppi und Regenschirm zur Welt komme, doch neuere Studien zeigen, dass Allwetterkiebitze von ihren Weibchen mit Käppi, Regenschirm, dicken Socken und teilweise sogar Brotboxen versorgt werden, bevor es sie an die Trainingsplätze zieht. Evolutionär fortgeschrittene Exemplare weisen oft sogar eine Digitalkamera von Medion aus dem vergangenen Jahrtausend auf, die an einer Schlaufe ums Handgelenk getragen wird. Verhaltensforscher sind sich uneins, ob das unerlässliche Knipsen von Trainingsfotos als Akt der Reviermarkierung gilt oder doch Teil des Balzverhaltens ist, wenn die immergleichen Fotos im heimischen Nest der indifferenten Ehefrau präsentiert werden.