Polizeikessel – kein schönes Wort. Erst recht nicht, wenn man mitten drin steht. Bis zu sieben Stunden lang, bei Minusgraden, im Morast. So wie 1.300 Fans von Rapid Wien.
Täglich dringen inzwischen neue, teils grausame Details über den „Kessel von Wien“ an die Öffentlichkeit. So berichtete Konrad Laimer auch, wie neben ihm ein an Diabetes leidender Mann zusammenbrach. Peter Pilz, Ex-Spitzenpolitiker der österreichischen Grünen und Mitglied im Aufsichtsrat von Rapid, wetterte: „Das ist kein kleiner Vorfall, sondern Teil einer gefährlichen Entwicklung. Entweder die Polizei weist nach, dass ihre Aktion recht- und verhältnismäßig war, oder sie hat ein ernsthaftes Problem. Sie hat auch Mädchen mit ihren Müttern stundenlang festgehalten. Wenn die Polizei glaubt, dass 13-Jährige, die ins Stadion wollen, gefährliche Gewalttäter sind, ist sie in der falschen Stadt.“
Der „Kessel von Wien“ ist inzwischen längst zur Affäre von nationalem Ausmaß geworden – auch, weil die neue österreichische Mitte-Rechts-Regierung seit Monaten systematisch Härte demonstriert. Nicht nur, aber auch und vor allem gegen Fußball-Fans. Im Zentrum der Kritik steht Innenminister Herbert Kickl von der rechtspopulistischen FPÖ. Nach dem jüngsten Vorfall wurde sogar eine Dringlichkeitssitzung im nationalen Parlament einberufen. Der eingekesselte SPÖ-Abgeordnete Laimer sieht sein Land offenbar auf dem Weg zum Polizei-Staat, wenn er fragt: „Wer sagt, dass das nicht auch bei der nächsten regierungskritischen Donnerstagsdemo passiert?“
Um Haaresbreite an einer Katastrophe vorbei
Der vom „Standard“ interviewte Kremser Universitäts-Dozent Martin Bardy, ein Experte für Crowdmanagement, erklärte, dass Polizei und Fans in der beengten Zwangslage vom vergangenen Sonntag nur um Haaresbreite an einer Katastrophe vorbeigeschrammt sind: „Fünf erwachsene Männer können einen Druck von etwa 3,4 Kilonewton ausüben“, rechnet Bardy vor. „Hätte es einen Auslöser gegeben, und es wäre Druck entstanden, und das Geländer hätte gehalten, dann wären die Menschen gequetscht und schwer verletzt worden. Hätte es nicht gehalten, wäre noch Schlimmeres passiert. Dass es keinen Auslöser gab und nichts passiert ist, das muss man den Personen in diesem Kessel zugutehalten.“
Laut Polizei sei der Kessel dann auch ohne gröbere Zwischenfälle zu Ende gegangen. Es mussten „lediglich drei Personen von der Rettung abtransportiert werden“. Frauen und Kinder habe man übrigens bevorzugt behandelt. Und die „Rechtshilfe Rapid“? Die feierte vier Tage nach dem Vorfall ihren Jahresabschluss und das Ende des Martyriums – mit heißen Getränken. Das Motto des Abends prangte in grüner Schrift auf einem großen weißen Kochtopf: „Punschkessel statt Polizeikessel“ …