Die Sympathieverteilungen der Fußball-Fans sind leicht durchschaubar: Der aufopferungsvoll ackernde Mittelstürmer ist bei den Anhängern ähnlich beliebt wie der wuselige Mittelfeldspieler oder der Teilzeit-Geniale auf der Außenbahn. Vielleicht rutscht der exzentrische Torwart noch in den Strudel der Liebesbeweise. Und die knallharte Abwehrkante? Bewundert, ja. Aber geliebt und verehrt? Nein.
Mit Jaap Stam hat in der laufenden Woche einer der besten Abwehrspieler der vergangenen 15 Jahre seinen Abschied verkündet. Stam hatte bereits nach der Euro 2004 seinen Rücktritt aus der holländischen Nationalmannschaft bekannt gegeben, in der aktuellen Spielzeit hielt er noch einmal für Ajax Amsterdam die Schienbeine hin. Der bullige Glatzkopf mit den Gardemaßen (1,91 Meter, 90 Kilo) galt als der Inbegriff des sperrigen Knochenbrechers, obwohl er selbst in der schnellen Premier League nur extrem wenige Freistöße vor dem eigenen Gehäuse verursachte. Vielmehr genügte den Angreifern der Anblick Stams, seine tief liegenden, stechenden Augen, die stark an die flackernde Pupille Saurons aus „Herr der Ringe“ erinnern, sowie sein international bekannter Ruf, um das Dribbling Dribbling sein zu lassen und schnellst möglich die Flucht zu ergreifen.
Wie ein schlecht gelaunter Kirmesboxer nach dem zehnten Schnaps
Womit wir wieder bei der Rollenverteilung der Helden auf dem Platz wären. Denn wer, bitteschön, wollte einen Jaap Stam auf der Höhe seiner Schaffenskraft nicht gerne in der eigenen imaginären Traumelf („Vorne ich, neben Maradona und Pele!“) haben? Ein Per Mertesacker mag ein hervorragender Innenverteidiger sein, aber auch einer, den man ohne Angst in der Buchse auf der Party vom Bierstand abdrängeln würde. Stam hingegen hätte man den Gerstenzylinder mit zitternden Händen gereicht, um dann ehrfurchtsvoll den schnellen Schuh hinzulegen. Größe, Kraft und Geschicklichkeit sind eine Sache, aber wenn der Verteidiger auch noch aussieht wie ein schlecht gelaunter Kirmesboxer nach dem zehnten Schnaps, jauchzt doch das Herz eines jeden Liebhabers des Fußballs in seiner archaischen Form.
Klar, dass der knorrige Stam, der 1998 für die Summe von umgerechnet 36 Millionen DM vom PSV Eindhoven zu Manchester United wechselte und damit zum teuersten Abwehrspieler aller Zeiten avancierte, auch in der „Süddeutschen Zeitung“ eine vielzeilige Hommage erntete. Und die wartete dann auch gleich mit einer hübschen Anekdote auf: Da Stam auch während seiner Zeit in der Serie A bei Lazio Rom und dem AC Milan nicht mit eisenharten Tacklings und furchteinflößender Mimik sparte, benutzten ihn schon bald die findigen italienischen Eltern, um den bockigen Nachwuchs ins Bett zu bekommen: „Ab ins Bett, sonst kommt der Mann mit der Glatze!“ Kaum vorstellbar, dass deutsche Muttis die hyperaktiven Bälger mit Sprüchen, wie: „Gleich kommt der Gaucho aus München!“, oder „Sonst kommt der Per von der Weser!“ in die Kisten scheuchen.
Im Mutterland England schlossen die ManU-Fans den Niederländer während seiner dreijährigen Dienstzeit natürlich sofort in ihr Herz und hingen ihm den ebenso simplen, wie passenden Beinamen „The Wall“ an. Ein weiterer Kosename Stams: Der Kannibale. Glockengeläut in den Ohren fußballliebender Kreisliga-Liberos.
Jaap Stam ist nun vorzeitig aus seinem noch laufenden Vertrag ausgestiegen. Der ehrliche Arbeiter, den wir vom Fußballfeld kennen, blieb er auch auf der Pressekonferenz. Ihm fehle einfach „der echte Drive“, erklärte er. Dem Sport wolle er aber erhalten bleiben, denn: „Ich bin ein Fußballtier“.
Beweise überflüssig.
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Unser Autor Alex Raack verkauft Aufkleber: „Ein Herz für Knochenbrecher“ und betreibt das Fanzine „3 Ecken Ein Elfer“ www.3eckeneinelfer.de .