Berühmt geworden ist Marko Marin am 16. Mai 2008, und es hat seiner Entdeckung auch nicht geschadet, dass dem Bundestrainer Joachim Löw an jenem Freitag auf der Zugspitze mal ein »Marcus Marin« herausgerutscht ist. Der kleine Marko, 1,70 Meter, 64 Kilo, 19 Jahre, war branchenintern schon länger als größeres Talent bekannt, aber weil er in Mönchengladbach nur in der zweiten Liga gespielt und sich dort nicht als bulliger Protagonist aufgedrängt hatte, bedurfte es der unerwarteten Nominierung für den erweiterten EM-Kader, um Marin derart bekannt zu machen, dass die Borussia-Fans nun am liebsten sein Trikot tragen. 95.000 waren vergangenen Sonntag beim »Familientag« am Stadion.
Als vor drei Monaten in 2960 Metern Höhe das Thema auf die Nominierung des gebürtigen Bosniers mit deutschem Pass kam, hat Löw von einer »Frechheit« gesprochen. Er klang dabei allerdings zuversichtlich, denn »diese Frechheit«, die ihm an Marins Spiel so gut gefällt, hatte ihn veranlasst, den Dribbler zu nominieren, und es schadete dem Spieler auch kaum, dass Löw ihn ein paar Tage später noch vor der EM wieder heimschickte.
Marin ist auf dem Platz in Begleitung des Balls ein flinker und ständig hakenschlagender Irrwisch, der seine mangelnde körperliche Robustheit durch Schnelligkeit und Wendigkeit kompensiert, die grobmotorisch plumpere Kontrahenten bisweilen zum Foulspiel motiviert.
»Sachen, die in Deutschland sonst keiner kann«
Den daran gewöhnten Marin allerdings auch oft zu voreiligen Notlandungen, die er dann ein bisschen zelebriert, wobei er sich windet, als könne er nie wieder aufstehen. Marin ist ein Fliegengewicht, und wenn sogar dem 1,74 Meter großen und 76 Kilo schweren Bremer Spielmacher Diego in der vergangenen Saison manchmal wütend eine mangelnde Standhaftigkeit unterstellt worden ist, dann wird es spannend zu sehen, wie sich Marin in der Bundesliga behauptet.
»Marko kann Sachen, die in Deutschland sonst keiner kann«, sagt der Gladbacher Mittelfeldspieler Sascha Rösler unter freundlicher Missachtung mindestens der Spieler Diego und Franck Ribéry, aber die sind ja auch vier und sechs Jahre älter. Marins freche Art ist vor allem angesichts seines Alters beeindruckend, und wenn man die Vorbereitungsspiele zum Maßstab nimmt, dann wird der flinke Linksaußen am ersten Spieltag daheim gegen den VfB Stuttgart gleich voll da sein. In der zweiten Liga hat Marin in 31 Spielen vier Tore erzielt und 13 vorbereitet.
»Mit so einer Quote wäre ich auch in der Bundesliga zufrieden«, sagt er, aber er rechnet mit deutlich mehr Widerstand. »Die Abwehrspieler sind natürlich besser«, prophezeit er, aber dass er sein offensives Spielverhalten groß ändern müsste, glaubt er nicht. »Ich werde auch in der Bundesliga weiter eine Portion Risiko einbauen, das gehört nun mal zu meinem Spiel.« Defensiv müsse er dazulernen, gesteht er und würde seinem Trainer Jos Luhukay mit dieser extrovertierten Lernbereitschaft ein Lächeln abringen.
Vertrag bis 2010
Marin hat vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) vor einem Jahr die Fritz-Walter-Medaille in Gold erhalten als »Fußballer des Jahres« in der Altersklasse U18. Ein Jahr zuvor hatte er die silberne Fritz-Walter-Medaille in der Altersklasse U17 erhalten. Als 16-jähriger B‑Jugendlicher spielte er in der Gladbacher A‑Jugend. Als 17-jähriger A‑Jugendlicher spielte er bei den Amateuren in der Regionalliga, und mit 18 war er Stammspieler im Zweitligateam, obwohl er noch ein Jahr in der A‑Jugend hätte kicken dürfen.
Marin, den die Gladbacher vor drei Jahren für 20.000 Euro und einen Job als Talentscout für den Vater Ranko von Eintracht Frankfurt weggelockt haben, war seinen Gegenspielern immer ein Stück voraus. Damit ist es nun vorbei. In der Bundesliga wird sich erstmals zeigen, was die Tricksereien des Talents mit den Vorbildern Messi und Ribéry und dem Lieblingsklub Real Madrid wirklich wert sind.
Marko Marin hat in Mönchengladbach einen Vertrag bis 2010. Borussias Sportdirektor Christian Ziege würde ihn gern bis 2013 verlängern. Auch in diesem Sommer sollen sich internationale Topklubs bei Marins Berater Miroslav Stevic gemeldet haben. Ajax Amsterdam und AC Mailand wurden immer mal wieder als Interessenten genannt. Solche Meldungen freilich gehören zur Eröffnungsphase der Vertragsverhandlung. Marin muss seine Formkurve also nicht nur deswegen bestätigen, sondern auch, damit ihn der Bundestrainer nicht mehr mit Marcus Marin verwechselt. Mit dem früheren Profi, der in den neunziger Jahren in Kaiserslautern, Duisburg und St. Pauli gespielt hat, hat Marko Marin nämlich nichts zu tun.