Als die Hamburgerin Shabnam Ruhin für die afghanische Nationalmannschaft berufen wird, geht für sie ein Traum in Erfüllung. Doch dann wird sie Zeugin von sexuellem Missbrauch. Mit uns sprach sie über ihre Erlebnisse, ihren Rücktritt und die Ermittlungen der FIFA.
Wie war zu diesem Zeitpunkt die Gefühlslage innerhalb der Mannschaft?
Uns war bewusst, dass wir schwere Vorwürfe gegen einen mächtigen Mann erhoben hatten, weshalb wir wahnsinnig angespannt waren. Für uns waren die Wochen danach, in denen uns entweder geglaubt oder wir angefeindet wurden, eine emotionale Ausnahmesituation.
Im Juni 2019 wurde Verbandspräsident Keram von der FIFA zu einer lebenslangen Sperre und einer Strafzahlung in Höhe von einer Million Dollar verurteilt. Wie haben Sie auf das Urteil reagiert?
Für mich war es eine Nachricht, die in mir sehr viel Erleichterung hervorgerufen hat. Ich war froh darüber, dass nun endlich etwas gegen ihn getan wurde. Das Urteil macht das Leid der Frauen nicht vergessen. Aber es ist ein großer und entscheidender Schritt für den Fußball und die Frauen in Afghanistan. Ich habe es als ein Signal empfunden, das ich die Wochen zuvor nicht mehr für möglich gehalten hatte.
Für wie effektiv halten Sie die Strafe in Anbetracht dessen, dass Keram sich einer strafrechtlichen Verfolgung mit seinem Untertauchen bisher unterzieht?
Dieser Umstand löst bei mir nur Unverständnis aus. Denn obwohl ich glücklich über das Urteil der FIFA bin, erhoffe ich mir natürlich auch eine strafrechtliche Belangung. Ich bin mir sicher, dass dieser Mann seine Verhaltensweisen nicht einfach ablegen wird. In Anbetracht dessen ist es beängstigend, dass er noch immer ein freier Mann ist.
Sehen Sie die FIFA in der Pflicht, sich in der Kooperation mit den afghanischen Behörden weiter für die afghanische Nationalmannschaft einzusetzen?
Definitiv. Die FIFA hat diesem Mann seine Machtposition ermöglicht und deshalb sehe ich sie nach wie vor in der Zuständigkeit für das Recht der Frauen, die auch ihre Athletinnen sind, einzustehen.
Im Sommer warf Ihre ehemalige Trainerin Kelly Lindsey der FIFA vor, sich in den Ermittlungen, trotz weiterer Hinweise durch betroffene Frauen, vor allem auf Keram konzentriert und die Fälle damit als Taten eines Einzelnen abgetan zu haben. Wissen Sie von weiteren Tätern, die von der FIFA bisher nicht belangt worden sind?
Ich weiß von Männern, die an den Taten beteiligt waren und die noch nicht verurteilt wurden, ja. Unsere Mannschaft existiert nicht mehr, aber es gibt natürlich andere Mannschaften und auch der Verband besteht noch immer. Diese beteiligten Männer können die Strukturen weiter aufrecht erhalten. Auch ich habe mir erhofft, dass seitens der FIFA mehr passiert vor allem etwas schneller. Die Ethik-Kommission hat über ein Jahr gebraucht, bis drei Männer verurteilt worden sind. Wir können nicht wieder Jahre damit verbringen, bis weitere Täter verurteilt werden. Eine zufriedenstellende Aufarbeitung hat erst dann stattgefunden, wenn wirklich jeder Beteiligte dafür zur Rechenschaft gezogen wurde. Wir werden durch verschiedene Kampagnen wie etwa #fearlessfootball weiter für die Aufarbeitung und die Rechte der Frauen kämpfen.