Robert Lewandowski ist der beste Spieler der Bundesliga. Warum eigentlich fliegen ihm nicht die Herzen der Fans zu?
Zu den fragwürdigen Standardsituationen des Fußballjournalismus gehört „Das Duell“. Meistens geht es vor großen Spielen dabei um den angeblichen Zweikampf von Spielern, die sich dann auf dem Platz letztlich aber kaum einmal über den Weg laufen. Am Samstagabend etwa kommt es beim Spiel zwischen Leipzig und dem FC Bayern zu einem solchen „Duell“ zwischen den Stürmern Timo Werner und Robert Lewandowski. Beide sind mit sechs bzw. fünf Toren nach nur drei Spielen bestens in die Saison gestartet. Zusätzlichen Schwung gibt dem „Duell“ noch das Interesse der Bayern an Werner, das aber letztlich wohl eher halbgar war und längst verblasst scheint, Werner jedenfalls hat seinen Vertrag neulich verlängert.
Der vielseitigste Stürmer
Irgendwie trudelt der Vergleich zwischen ihm und dem Münchner aber auch deshalb schnell aus, weil Robert Lewandowski in der Bundesliga längst unvergleichlich ist. Er wurde letzte Saison zum vierten Mal Torschützenkönig, nur Gerd Müller gelang das öfter. Sieben Mal wurde er inzwischen Deutscher Meister, und im Laufe dieser Saison wird er mit ziemlicher Sicherheit auf den dritten Platz der Ewigen Torjägerliste der Bundesliga vorrücken.
In der vergangenen Saison schoss Lewandowski zwar „nur“ 22 Tore, aber wenn man sich die Daten anschaut, die von OptaPro erhoben werden sind, zeigen sich interessante Details. So hat er 59 Prozent seiner Tore mit Rechts und 30 Prozent mit dem Kopf erzielt. Bei den meisten Stürmern ist die Verteilung viel einseitiger. Timo Werner etwa hat 88 Prozent seiner Tore mit Rechts erzielt.
Unter Druck
Inzwischen wird auch ermittelt, unter welchem Druck des Gegners die Torschützen beim Abschluss stehen. Auch da zeigt sich Lewandowskis Extraklasse, denn 43 Prozent seiner Tore erzielte er unter „High Pressure“. Die meisten Bundesligastürmer (mit der Ausnahme von Herthas Vedad Ibisevic, der aber viel seltener getroffen hat) liegen deutlich darunter. Letztlich bestätigt das den Augenschein, denn es gibt überhaupt wenige Spieler in der Bundesliga, die den Ball so gut verteidigen wie Lewandowski.
So könnte man endlos weitermachen, um noch mehr Belege für seine Klasse heranzuschaffen, ein Problem würde bleiben: Trotz dieser Erfolge ist Lewandowski nie eine Projektionsfläche für die Phantasien von Fußballfans geworden. Oder um es lyrischer zu sagen: Ihm fliegen nicht die Herzen zu. Doch warum eigentlich nicht?
In Dortmund war immer klar, dass er zu einem größeren Klub wechseln wollte. Als er 2014 wirklich ging, bewegte sein Abgang die BVB-Fans emotional weit weniger als die Wechsel von Hummels oder Götze, obwohl Lewandowski der sportlich weitaus schwerste Verlust war. Zuletzt engagierte Lewandowski einen der härtesten Agenten im Fußballgeschäft. Pini Zahavi sollte einen Wechsel zu Real Madrid durchdrücken. Doch diese Wechselbemühungen lösten weder spontane Protestumzüge von Bayern-Fans noch Mahnwachen oder Lichterketten aus, obwohl sein Abgang sportlich eine Katastrophe gewesen wäre. Allerdings gab Reals Präsident Florentino Perez dieser Tage auch zu: „Es gibt Spieler, die werden nicht verkauft.“ Real hätte es über Jahre immer wieder beim FC Bayern versucht, es hätte aber keine Klauseln gegeben und Bayern hätte alle Angebote abgelehnt.
Einzelsportler im Mannschaftssport
Robert Lewandowski ist ein perfekter Athlet (ab und zu zeigt er bei Instagram seinen makellosen Körper vor). Sein Trainingsfleiß und seine Selbstdisziplin sind so groß wie sein fanatischer Siegeswillen. Wenn es nicht läuft, kann er bemerkenswert schlechte Laune bekommen. Bei der Weltmeisterschaft im letzten Jahr in Russland sprach er nach dem polnischen Aus in der Vorrunde unverhohlen darüber, dass seine Mitspieler zu schlecht seien. In diesem Sommer beschwerte er sich öffentlich über die Transferpolitik der Bayern, erst nach der Verpflichtung von Coutinho und Ivan Perisic gab er sich zufrieden.
Nun ist es nicht ungewöhnlich, dass gerade Stürmer die Einzelsportler im Mannschaftssport sind, Egoismus gehört da zur Grundausstattung. Besonders ist aber, dass Lewandowski sich über alle Jahre jeglicher sentimentaler Gesten gegenüber den Klubs enthalten hat, für die er spielt oder spielte. Zwar gab es die üblichen, pflichtschuldigen Erklärungen, aber letztlich macht es den Eindruck, als sei es ihm egal, welches Trikot er trägt, so lange er darin Titel gewinnen kann.
Kalte Erfolgsgeschichte
Das kann man mit gutem Recht für konsequent halten, aber letztlich schreibt Lewandowski eine relativ kalte Erfolgsgeschichte. Vielleicht ändert sich das auf der Zielgerade seiner Karriere noch. Sein Vertrag wurde gerade bis 2023 verlängert, bleibt er wirklich bis zum Ende, wird er neun Jahre das Trikot des FC Bayern getragen haben. Und nicht zuletzt beim Abschied von Arjen Robben und Franck Ribery scheint sich ihm die Frage gestellt zu haben, wie er eines Tages geht. „Ich muss ehrlich sagen, dass ich bei der Verabschiedung von den beiden fast Tränen in den Augen hatte“, sagte er Sport1. „In diesem Verein so verabschiedet zu werden, ist definitiv ein Traum von mir.“
Dazu muss er aber noch verstehen, dass solch emotionale Verabschiedungen nicht die automatische Folge von Toren und Titeln sind. Robben und besonders Ribery wollten ihre Titel irgendwann nicht nur für sich, sondern auch für die Bayern und deren Fans gewinnen. Aber vielleicht kommt das bei Lewandowski auf die alten Tage ja noch.