Niemand spielte öfter für Fortuna Düsseldorf als Gerd Zewe. Vielleicht hätte er sogar ein WM-Debakel verhindert, wenn der Bundestrainer etwas mutiger gewesen wäre.
Aus heutiger Sicht wirkt diese Kettenreaktion seltsam, denn heute passen die meisten Trainer ihr System dem vorhandenen Personal an. Doch bis weit in die Neunziger war es so etwas wie ein Zusatzartikel des Grundgesetzes, dass deutsche Fußballmannschaften nicht ohne Libero auflaufen durften. Das galt vor allem für die Nationalelf, und so hieß auch für Bundestrainer Schön die drängendste Frage: Wer spielt Libero? Ein Kandidat war Franz-Josef Tenhagen vom VfL Bochum, ein anderer Roland Gerber vom 1. FC Köln. Doch am besten gefiel auch Schön die Idee, dass der 24-jährige Kaltz die Abwehr dirigierte.
Doch konnte Kaltz das überhaupt? Und beraubten sich nicht beide Mannschaften – der HSV und die Nationalelf – selbst einer großen Stärke, indem sie einen Außenverteidiger von Weltklasse in die Mitte stellten? Diese Fragen bewegten über Monate die Nation. Fast unbemerkt wurde derweil ein anderer Libero von Woche zu Woche besser: Zewe. Er hatte mehr Übersicht als Kaltz, mehr Ruhe am Ball als Tenhagen, mehr Offensivdrang als Gerber. Nicht wenige Beobachter fühlten sich an Kaiser Franz erinnert, wenn Zewe plötzlich seine Freiheiten nutzte, um sich in den Angriff einzuschalten, und Egon Köhnen oder Hickersberger dann hinten blieben und ihm den Rücken freihielten.
Unter Zewes Regie wurde aus der Fortuna eine Elf, die an einem guten Tag jeden Gegner schlagen konnte, wie der FC Bayern und der FC Barcelona bald merken sollten. Nur zwei Wochen, nachdem Schön die „Ze-we! Ze-we!“-Rufe in den Ohren geklungen hatten, spielte die Fortuna zum ersten Mal seit sechzehn Jahren wieder um einen Titel. Zwar ging das Pokalfinale 1978 sehr unglücklich gegen den 1. FC Köln verloren, doch der überragende Mann auf dem Platz hieß Zewe. Diese Leistung war sein Ticket nach Argentinien. „Es war fast schon fünf Minuten nach zwölf, als ich doch noch in den Kader berufen wurde“, freute er sich.
In Düsseldorf wird Zewe bis heute verehrt. Mit 526 Pflichtspielen ist er mit weitem Abstand der Rekordspieler der Fortuna. Er war der Kopf der Mannschaft, die drei Pokalendspiele in Folge erreichte (und zwei, 1979 und 1980, dann auch gewann). Er stand auf dem Rasen, als die Fortuna im Dezember 1978 den FC Bayern mit 7:1 vom Rasen fegte, und natürlich war Zewe auch beim legendären Endspiel um den Europacup der Pokalsieger 1979 dabei, in dem der Außenseiter Düsseldorf dem FC Barcelona einen großen Kampf lieferte.
Doch einer breiteren – und jüngeren – Fußballöffentlichkeit ist Zewes Name weniger vertraut. Vielleicht liegt es an einem historischen Fehler, den Helmut Schön in seinem letzten Turnier beging. Heute gilt seine Idee mit Kaltz als Libero als eines der großen misslungenen Experimente. In den Schlüsselmomenten der WM 1978 traf die deutsche Abwehr zu viele falsche Entscheidungen, außerdem fehlten dem Team das ganze Turnier über die offensiven Impulse, die man von Beckenbauer gewöhnt war.