Ein thailändischer Popstar besitzt die weltweit spektakulärste und teuerste Privatsammlung von Matchworn-Fußballschuhen. Warum gibt Sattawat Sethakorn Millionen von Euro für getragene Schuhe aus?
Wer hat sich eigentlich Cristiano Ronaldos ManUnited-Trikot aus dem Champions-League-Finale 2009 unter den Nagel gerissen? Bei wem sind die Schuhe von David Beckhams erstem Pflichtspiel-Auftritt im Trikot von Real Madrid gelandet? Und welcher Zeitgenosse hat sich jenen Inter-Wimpel an die Wand genagelt, den der Mailänder Kapitän Javier Zanetti vor dem Champions-League-Finale 2010 dem Bayern-Spielführer Mark van Bommel überreichte? Drei knifflige Fragen, eine simple Antwort: Sattawat Sethakorn. Und das ist nicht etwa eine Verkettung von Tippfehlern.
Der Thailänder besitzt die weltweit spektakulärste (Privat-)Sammlung von seltenen und sündhaft teuren Fußball-Memorabilia. Fast 500 Paar Matchworn-Boots von Weltstars wie Lionel Messi, Cristiano Ronaldo, Zlatan Ibrahimovic oder Raúl hortet Sattawat in einer alarmgesicherten Schatzkammer in seinem Haus nahe Bangkok. Darunter sind allein 30 Paar Schuhe, die einst Flankengott David Beckham an seinen begnadeten Füßen trug. Hinzu kommen zahllose Trikots, Wimpel, Kapitänsbinden, Aufwärmjacken, Torwart-Handschuhe, diverse Gelbe und Rote Karten, in Hartplastik gegossene Rasenstücke, WM-Medaillen sowie Mario Balotellis Schienbeinschoner mit dem aufgedruckten Slogan „Why always me“. Ach ja, zudem ein knallroter Audi-Sportsitz, ausgebaut aus der Ersatzbank im Old Trafford. Den Wert der kompletten Sammlung schätzen Experten auf gut fünf Millionen Euro. Mindestens.
Im Juni 2014 wurde die Fachwelt erstmals auf diesen Sattawat Sethakorn aufmerksam, zumindest auf dessen teures Treiben. Damals hatte ein anonymer Facebook-User Fotos von verschiedenen Matchworn-Schuhen hochgeladen, darunter ein Paar schwarze Adidas Predator Accelerator von David Beckham. Außerdem pinke und goldene Predator, allesamt Spezialanfertigungen für „Becks“, kunstvoll veredelt mit Stickereien aus der Schuhschmiede in Herzogenaurach. Der Name des mysteriösen Facebook-Accounts lautete „Mr. Beckham Matchwornboots“ und gab Rätsel auf. Wer zum Teufel hortet solche Schätze? Und: Woher hat er die?
Dazu muss man sagen: Sattawat Sethakorn geht dahin, wo es wehtut, um an die Schuhe seiner Träume zu kommen. Kein Bettelbrief ist ihm zu peinlich, keine Reise zu weit und kein Preis zu teuer. Wie viel er für seine edlen Exponate bezahlt hat, verrät er nicht. Doch Matchworn-Schuhe von David Beckham liegen im deutlich fünfstelligen Preissegment, wie der britische „Simply Red“-Sänger Mick Hucknall 2006 bei einer Charity-Auktion feststellte: Für ein Paar „Becks“-Boots musste der bekennende United-Fan 29.000 Pfund hinblättern (entspricht aktuell rund 32.000 Euro).
Sattawat Sethakorn besitzt das nötige Kleingeld für ein derartig teures Hobby. Der 38-Jährige ist nebenbei gefeierter Popstar (Künstlername: „Tae“), anerkannter Martial-Arts-Virtuose und erfolgreicher Schauspieler. Bis ins mächtige China reicht Sattawats Ruhm, und seine Gagen lassen selbst manchen Hollywood-Star vor Neid erblassen. Doch obwohl der vielseitige Performer seit über 20 Jahren ein Leben in der Öffentlichkeit führt, hielt er seine Sammel-Leidenschaft lange unter der Decke. „Es war wie mit einer neuen Freundin“, erzählte der Thailänder kürzlich einem Reporter von ESPN. „Anfangs will man sie vor dem Rest der Welt beschützen und hält sie deshalb geheim. Doch nach einer Weile will man seine Freundin den Leuten vorstellen – nicht um mit ihr anzugeben, aber um zu zeigen, dass man happy ist.“
Wobei: Dass mit den Frauen und der Fußball-Leidenschaft ist mitunter so eine Sache. Im März 2016 postete Sattawat ein Selfie auf Instagram. Im Hintergrund: eine feingliedrige Damenhand, die ein selbstgeschriebenes Pappschildchen mit der Aufschrift „No More Boots“ (nicht noch mehr Schuhe) ins Bild hält. Wenige Monate später waren Sattawat und seine Frau – die Dame mit dem Pappschildchen – geschiedene Leute. Was soll’s?, dachte er sich. Die Liebe zu den „Boots“ war nun mal größer: „Als ich klein war, wollte ich immer ein Fußballstar sein und solche Schuhe haben wie Beckham & Co.“, verrät der Jäger und Sammler. „Damals hatte ich kein Geld, um mir überhaupt Schuhe leisten zu können. Heute besitze ich Schuhe, die berühmte Fußballer getragen haben – also Dinge, die so exklusiv sind, dass nur ich sie habe, als einziger auf der Welt. Das macht mich froh.“
„Das erste, was ich tat, war daran zu riechen“
Den Gipfel der Glücksgefühle erreichte Sattawat vor einigen Jahren, als ein Paar von Beckham getragene Predator aus Manchester Uniteds Triple-Saison 1998/99 bei ihm eintrafen. Wie und über wen er die Schuhe ergattern konnte, verrät der Matchworn-Mogul wohlweislich nicht. Nur keine schlafenden Hunde wecken. „Ich glaube, sie kamen aus England“, sagt Sattawat, dem enge Kontakte zu ehemaligen United-Profis nachgesagt werden. Als er das Paket mit den ledernen Schätzen öffnete, wurde er schwach: „Das erste, was ich tat, war daran zu riechen. Normalerweise versuche ich meine Matchworn-Schuhe nicht anzufassen und auch sonst nichts mit ihnen zu veranstalten. Aber dieses Paar probierte ich an – nur im Haus. Ich wollte einfach wissen, wie sich die Glorie von 1999 anfühlt.“
Sattawats abgefahrene Schuhsammlung verrät nicht nur manches über ihren Besitzer, sondern auch über jene Kicker, die einst in den Schlappen ihr Geld verdienten: So trägt Tottenhams Gareth Bale im Innern seines rechten Stollenschuhs eine kleine Erhöhung aus Gummi, was auf einen leichten Beckenschiefstand schließen lässt. Englands Nationalspieler Dele Alli (ebenfalls Tottenham) hat zwei unterschiedlich gewachsene Füße, denn sein linker Schuh ist eine halbe Nummer größer als der rechte. Und Ex-Barca-Keeper Claudio Bravo (aktuell Real Betis) leidet offenbar unter Achillessehnen-Problemen: Er schneidet bei seinen Arbeitsschuhen gern das oberste Stück der Fersenkappen ab.
Sattawat kann all diese ergonomischen Besonderheiten auswendig rauf und runter beten. Er kennt auch die Schuhgrößen der Herren Profis sowie ihre Vertragsmarken, die getragenen Modelle und die bevorzugte Bestollung. Ach ja, neben der Jagd auf Matchworn-Memorabilia hat der Popstar und Schauspieler noch einen zweiten Spleen: Er sammelt Dinosaurier-Knochen, natürlich nur echte. Aber das ist eine ganz andere Geschichte.