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Seite 2: „Den Typen müssen wir haben!“

Sie beginnt auf den Bolz­plätzen von Utrecht. Führt über den Fuß­baller-Vater Joop van Basten, einen frü­heren Profi und knall­harten Ver­tei­diger, in die Jugend­aka­demie von Ajax Ams­terdam. Dort taucht ab 1982 regel­mäßig ein inzwi­schen 35-jäh­riger Fuß­baller auf, um mit dem Nach­wuchs zu trai­nieren. Sein Name: Johan Cruyff. Das Genie des nie­der­län­di­schen Fuß­balls hat schon damals ein untrüg­li­ches Gespür für Talent, er nimmt sich des schlak­sigen Stür­mers mit der Topf­frisur an. Ich habe Marco ver­mut­lich ein Ohr abge­kaut mit all meinen Rat­schlägen“, erin­nert sich Cruyff später, aber scheinbar hat das geholfen.“ Im April 1982 spielt Ajax gegen NEC Nij­megen. Marco van Basten, 17 Jahre alt, wird ein­ge­wech­selt. Für Johan Cruyff. Nach zehn Minuten erzielt er sein erstes Tor. Ajax gewinnt mit 5:0. Und das Mär­chen beginnt.

Ber­lus­coni rei­chen 30 Sekunden

Fünf Jahre bleibt van Basten in Ams­terdam. In 172 Spielen erzielt er 151 Tore. Viermal hin­ter­ein­ander wird er nie­der­län­di­scher Tor­schüt­zen­könig. In der Saison 1985/86 sind es 37 Treffer in 26 Par­tien, dafür gibt es den Gol­denen Schuh“ als bester Tor­jäger Europas. 1987 besiegt Ajax Loko­mo­tive Leipzig im Finale um den Euro­pa­pokal der Pokal­sieger. Das ent­schei­dende Tor zum 1:0 gelingt natür­lich van Basten.

Wäh­rend Ams­terdam den ersten inter­na­tio­nalen Ajax-Erfolg seit dem euro­päi­schen Supercup 1974 beju­belt, ent­schließt im 800 Kilo­meter ent­fernten Mai­land ein schwer rei­cher Unter­nehmer, sich die Fuß­ball-Welt so zurecht zu kaufen, wie es ihm gefällt. 1986 hat Silvio Ber­lus­coni den AC Mai­land erworben. Seit 1979 hat der Klub keinen Titel mehr gewonnen. Ber­lus­coni will das ändern. Also erkun­digt er sich nach den besten Fuß­bal­lern der Welt. Zwei von ihnen kommen aus den Nie­der­landen. Ruud Gullit vom PSV Eind­hoven und Marco van Basten von Ajax Ams­terdam. Gullit wird gekauft. Bei van Basten ist sich Ber­lus­coni unsi­cher. Der Legende nach lässt er sich ein Video mit einigen Kunst­stü­cken des ver­meint­li­chen Super­stür­mers zeigen, nur um nach 30 Sekunden zu brüllen: Den Typen müssen wir haben!“ Viel Geld muss der Ita­liener dafür nicht auf den Tisch legen. Van Basten selbst hatte bei seiner letzten Ver­trags­ver­län­ge­rung mit Ajax fest­ge­legt, den Verein für eine Ablö­se­summe von 2,2 Mil­lionen Mark jeder­zeit ver­lassen zu können. Mai­land erwartet die Ankunft des hei­ligen Marco.

Er ist nicht fit. Er hat keine Spiel­praxis. Er trifft trotzdem

Doch den plagen die teuf­li­schen Ver­let­zungen im Knö­chel. Bereits 1985 hatte ihm in einem Liga­spiel ein Gegen­spieler den linken Knö­chel zer­hackt. Im Schock der Erst­un­ter­su­chung ließ sich ein Arzt zu der Aus­sage hin­reißen: Sie können froh sein, über­haupt wieder richtig laufen zu können.“ Im Sep­tember 1987 ist nach zehn Auf­tritten in der Serie A der rechte Knö­chel dran. Van Basten fällt länger als ein halbes Jahr aus. Ein ein­ziges Mal wird er noch in einem Liga­spiel ein­ge­wech­selt, bevor er mit seinem Land zur Euro­pa­meis­ter­schaft nach Deutsch­land fährt. Im ersten Grup­pen­spiel gegen die UdSSR lässt ihn Natio­nal­trainer Rinus Michels draußen, die Nie­der­lande ver­liert mit 0:1. Gegen Eng­land steht Marco van Basten von Beginn an auf dem Platz. Er ist nicht zu 100 Pro­zent fit. Er hat mehr als sechs Monate keine Spiel­praxis sam­meln können.
Er schießt drei Tore.
Dann zwei im Halb­fi­nale gegen Deutsch­land und Jürgen Kohler. Dann voll­bringt er gegen die UdSSR ein kleines Fuß­ball-Wunder.

Es folgen die besten Jahre seiner Kar­riere. 1988, 1989 und 1992 wird er Europas Fuß­baller des Jahres, 1988 und 1992 Welt­fuß­baller. Er gewinnt drei Meis­ter­schaften, drei ita­lie­ni­sche Super­cups, 1989 und 1990 den Euro­pa­pokal der Lan­des­meister. Er ist so gut, dass seine Mit­spieler beim AC Mai­land noch viele Jahre später einen seligen Glanz in ihren Augen bekommen, wenn sie von seinen Taten erzählen.

Einen Tag nachdem er das dritte Mal die Tro­phäe als bester Fuß­baller des Kon­ti­nents ent­ge­gen­ge­nommen hat, legt sich van Basten unters Messer. Ich hatte einen Spe­zia­listen gefunden“, erin­nert er sich, der sagte mir: ›Jetzt rei­nigen wir deinen Knö­chel!‹. Es ging schief. Ich konnte nicht mehr gehen!“

Der Schmerz über­nimmt die Kon­trolle im Leben des Aus­nah­me­sport­lers. Er quält sich durch Reha-Maß­nahmen, Unter­su­chungen, neu­ar­tige Behand­lungs­me­thoden. Er kämpft sich in die Start­auf­stel­lung für das Cham­pions-League-End­spiel 1993. Er führt noch zwei wei­tere Jahre einen bru­talen Kampf gegen die eigenen Gelenke. Dann gibt er auf. Mit 30 Jahren.

Fuß­ball war mein Leben“, sagt van Basten. Aber als Fuß­baller war ich tot.“

Wieder meldet sich der Körper

Es dauert Jahre, bis van Basten seine Inva­li­dität ver­ar­beitet und das Kar­rie­re­ende akzep­tiert hat. 2003 trai­niert er die zweite Mann­schaft von Ajax Ams­terdam, von 2004 bis 2008 betreut er die nie­der­län­di­sche Natio­nal­mann­schaft. Bei der WM 2006 schei­tert seine Mann­schaft im Ach­tel­fi­nale an Por­tugal, bei der EM 2008 im Vier­tel­fi­nale an Russ­land. Van Basten wird Trainer von Ajax, vom SC Hee­ren­veen, 2014 von AZ Alk­maar. Dort gibt er im Sep­tember den Posten als Chef­coach ab und wird Co-Trainer. Zu viel Stress, zu viel unver­ar­bei­tete Trauer über den Tod seines Vaters, Herz­pro­bleme – Marco van Basten muss mal wieder auf seinen Körper hören.

Manchmal pas­sieren solche Dinge ein­fach. Das kann man nicht erklären.“ Hat Marco van Basten gesagt. Und meinte damit sein Vol­leytor vom 25. Juni 1988.