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Mitte Mai posierten die deut­schen Fuß­ball-Natio­nal­spieler Mesut Özil und Ilkay Gün­dogan in London auf Fotos mit dem tür­ki­schen Auto­kraten Recep Tayyip Erdogan. Damals, kurz vor der Welt­meis­ter­schaft, ver­suchte DFB-Prä­si­dent Rein­hard Grindel, Kritik daran unter den Tep­pich zu kehren. Wir haben dar­über gespro­chen, es war ein Fehler, das haben die beiden ein­ge­sehen“, beschwich­tigte der Funk­tionär. Jetzt sollte der Fuß­ball im Mit­tel­punkt stehen.“

Knapp zwei Monate später, nach dem schmäh­li­chen Aus­scheiden der deut­schen Mann­schaft schon in der Vor­runde und mitten in der Debatte um die Schul­digen für dieses Desaster, packt Grindel die Sache plötz­lich wieder aus. Er for­dert eine Stel­lung­nahme Özils zu der Foto-Affäre, weil viele deut­sche Fans darauf warten“ würden. Damit bediene er, halten ihm Kri­tiker vor, den rechts­po­pu­lis­ti­schen Zeit­geist. Und spiele denen in die Hände, die schon immer was gegen Natio­nal­spieler mit Migra­ti­ons­hin­ter­grund hatten.

Abwarten – und dann auf die sichere Seite

Aus der Sicht von poli­ti­schen Weg­ge­fährten, die den DFB-Boss noch aus dem Bun­destag kennen, ist Grin­dels Ver­halten aber wenig über­ra­schend. Mich wun­dert das über­haupt nicht“, sagt der Grünen-Poli­tiker Özcan Mutlu. Schon im Par­la­ment habe sich Grindel nicht nur als Rechts­außen“, son­dern auch als gewiefter Strip­pen­zieher und abso­luter Oppor­tu­nist“ her­vor­getan.

Grindel saß 14 Jahre lang für die CDU im Bun­destag – von 2002 bis 2016. Er war dort Mit­glied des Innen- und des Sport­aus­schusses. Und andere Kol­legen, die nament­lich nicht genannt werden wollen, berichten ähn­li­ches über ihn wie Mutlu. Als Poli­tiker habe der gebür­tige Ham­burger gerne abge­wartet und sich dann auf die sichere Seite geschlagen. Gleich­zeitig attes­tieren ihm Beob­achter knall­harte Ell­bo­gen­men­ta­lität“. Wenn Humor und gute Worte nicht wei­ter­helfen würden, setze Grindel seinen Willen auch schon mal mit bösen Briefen, rup­pigen Tele­fo­nate oder Dro­hungen durch, berich­tete der Spiegel“.

Unbe­dingt an die Spitze

Auf den Posten des DFB-Prä­si­denten rückte Grindel im April 2016 – nachdem der Skandal um eine schwarze Kasse vor der Fuß­ball-Welt­meis­ter­schaft 2006 den dama­ligen Amts­in­haber Wolf­gang Niers­bach zum Rück­tritt gezwungen hatte. Der Jurist und zwei­fache Fami­li­en­vater habe unbe­dingt an die DFB-Spitze gewollt, hieß es – und dafür am Ende dann auch bereit­willig sein Bun­des­tags­mandat auf­ge­geben.

Aller­dings war der CDU-Poli­tiker schon bei seiner Wahl umstritten. Nicht nur dass er kein Pro­blem darin sah, gleich­zeitig im Sport­aus­schuss des Bun­des­tages als Vize-Vor­sit­zender und als Schatz­meister des DFB-Prä­si­diums zu amtieren – und in dieser Dop­pel­rolle bei der Auf­ar­bei­tung der WM-Affäre höchst eigen­artig hin und her zu chan­gieren. Der einst­ma­lige Leiter der ZDF-Stu­dios in Berlin und Brüssel hatte sich im Par­la­ment auch ander­weitig einen Namen gemacht: als innen­po­li­ti­scher Hard­liner.

Mul­ti­kulti ist in Wahr­heit Kud­del­muddel“, ver­kün­dete Grindel bereits im Dezember 2004 im Bun­destag. Es handle sich dabei um eine Lebens­lüge, weil Mul­ti­kulti in vielen Vier­teln eben nur Mono­kultur geschaffen hat, wo Anreize zur Inte­gra­tion fehlen“. Es gebe in den Städten zu viele isla­mi­sierte Räume und Ver­hal­tens­weisen von Aus­län­dern, die zu Unfrei­heit führen“.

Reinster AfD-Sprech, bevor es diese Partei über­haupt gab“

Dabei war der spä­tere DFB-Prä­si­dent im Par­la­ment auch ander­weitig auf­fällig. So ver­wei­gerte Grindel einem Gesetz zur Straf­bar­keit von Abge­ord­ne­ten­be­stechung, das der Bun­destag im Früh­jahr 2014 mit über­wäl­ti­gender Mehr­heit beschloss, die Zustim­mung – obwohl er gleich­zeitig als Anti-Kor­rup­ti­ons­be­auf­tragter des DFB fun­gierte.

Mit beson­derer Inten­sität aller­dings wid­mete sich der CDU-Poli­tiker Grindel der Aus­län­der­po­litik. Er warnte vor Mas­sen­ein­wan­de­rung, Über­for­de­rung des Staates, Aus­beu­tung der Sozi­al­sys­teme. In seinem Wahl­kreis for­derte er mehr Polizei, damit die Bürger sich sicher fühlen könnten vor den vielen Zuwan­de­rern. Und im Jahr 2013 hielt er eine Rede zur dop­pelten Staats­bür­ger­schaft, an die sich Mutlu mit Schau­dern erin­nert. Was Grindel da von sich gab, war nicht nur ten­den­ziös. Es war reinster AfD-Sprech, bevor es diese Partei über­haupt gab.“

Vor­ur­teils­be­la­dene Stamm­tisch­pa­rolen

Tat­säch­lich drängte Grindel damals im Bun­destag mit Verve darauf, dass sich Jugend­liche mit Migra­ti­ons­hin­ter­grund gefäl­ligst für eine Staats­an­ge­hö­rig­keit zu ent­scheiden hätten. Dar­aufhin wandte sich Mutlu mit 38 wei­teren Unter­zeich­nern an den DFB, der gerade drauf und dran war, Grindel als Schatz­meister ins Prä­si­dium auf­zu­nehmen. Grin­dels Aus­füh­rungen gli­chen Stamm­tisch­pa­rolen“. hieß es in dem offenen Brief. Sie seien derart vor­ur­teils­be­laden“, dass sich Zweifel an seiner fach­li­chen Kom­pe­tenz und Sen­si­bi­lität für das Thema Inte­gra­tion gera­dezu auf­drängen“.

Die Reak­tion des Fuß­ball­bundes auf den Beschwer­de­brief war dann nicht etwa die Pos­ten­ver­gabe an einen anderen, son­dern ein Maul­korb für den Poli­tiker Grindel. Man habe mit diesem ver­ein­bart, dass er zukünftig par­tei­po­li­tisch umstrit­tene The­men­felder nicht in den Mit­tel­punkt seiner poli­ti­schen Arbeit stellen wird, son­dern sich viel­mehr sport­po­li­ti­schen Fra­ge­stel­lungen zuwenden wird“, hieß es in dem Ant­wort­schreiben. Unge­achtet der Grund­ge­setz-Vor­gabe, dass Abge­ord­nete an Auf­träge und Wei­sungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unter­worfen“ zu sein haben.

Maul­korb durch den DFB?

Grindel bestritt damals, dass es eine echte Ver­ein­ba­rung gegeben habe. Der DFB habe nur die Unter­stel­lung zurück­weisen wollen, dass er sein Amt par­tei­po­li­tisch miss­brau­chen könnte. Doch Mutlu kann sich noch heute über den Vor­gang auf­regen. Ein frei gewählter Abge­ord­neter lässt sich vom DFB dik­tieren, womit er sich im Bun­destag zu befassen hat“, reka­pi­tu­liert er. Damit sei ja wohl alles gesagt über das Stand­ver­mögen dieses Poli­ti­kers.

Als Sport­funk­tionär ver­halte sich Grindel nun nicht anders, so Mutlu. Als Deutsch­land vor vier Jahren mit einer mul­ti­kul­tu­rellen Mann­schaft und Mesut Özil die WM gewonnen hatte, stellten sich alle voll dahinter. Jetzt, nach der Nie­der­lage, fällt der DFB-Prä­si­dent einem Spieler von damals in den Rücken und erklärt ihn zum Sün­den­bock, um vom Zustand des DFB und seiner eigenen Ver­ant­wor­tung abzu­lenken.“ Das sei schäbig“ und werde dem deut­schen Fuß­ball, der bis in die untersten Spiel­klassen sehr viel­fältig sei, auch auf lange Sicht schaden.

Kritik auch aus Union und FDP

Auch CDU-Poli­tiker distan­zieren sich vom Nach­treten des DFB-Funk­tio­närs. Auf die Idee, dass ein Foto mit Erdogan an der Nie­der­lage gegen den Fuß­ball-Giganten Süd­korea Schuld sein soll, können auch nur DFB-Funk­tio­näre nach drei Wochen Nach­denken kommen“, twit­terte NRW-Minis­ter­prä­si­dent Armin Laschet. Wenn dem DFB die Sache wirk­lich wichtig gewesen wäre, hätte er das vor der WM klären müssen.“

Wäh­rend­dessen rät­selt der FDP-Abge­ord­nete Johannes Vogel rät­selt öffent­lich, was eigent­lich schlimmer sei: Dass der DFB ein Foto von vor sieben Wochen plötz­lich für eine Kern­ur­sache der schlechten WM hält oder die Cha­rak­ter­schwäche, hier einen ein­fa­chen Sün­den­bock zu suchen und damit auch noch ras­sis­ti­sche Res­sen­ti­ments zu bedienen?“