Für unsere neue Ausgabe 11FREUNDE #126 trafen wir Schalke-Coach Huub Stevens zum großen Interview. Doch aus dem einstigen Knurrer aus Kerkrade ist mittlerweile ein milder Mann geworden. Ein milder Mann mit überraschend viel Humor.
Was hat man nicht alles schon gehört vom legendär-schlechten Verhältnis des Trainerveteranen Huub Stevens zu allzu neugierigen Journalisten. Oft genug hat der Niederländer schon hilflose Fragensteller vor laufenden Kameras angebellt, bis diese sich zu Tränen gerührt hinter ihrem Mikrofonpuschel verkrochen.
Legendär auch jenes Wortgefecht, das sich Stevens mit einem Journalisten der schreibenden Zunft lieferte: Nachdem der Kollege den Trainer eine recht forsche Frage zum 1:1‑Unentschieden des FC Schalke in Bochum stellte, knurrte der Mann aus Sittard nur zurück: „Für welches Blatt arbeiten Sie eigentlich?“ Der Journalist wisperte kleinlaut: „Ich bin freier Journalist!“ Stevens konterte trocken: „Das merkt man!“ – und die Unterhaltung war beendet. Mitunter beschlich einen das Gefühl, die wahren Gegner des Fußballtrainers Huub Stevens sind nicht etwa die sportlichen Kontrahenten, sondern all die Autoren, die Kameramänner, die Fieldreporter, die ihm Woche für Woche hinterher jagen. Reist man also zu einem Interview mit dem „Knurrer von Kerkrade“, rechnet man pro forma mit allem: mit Ein-Satz-Antworten, purer Ignoranz, wildem Schlammcatchen oder psycholgischer Kriegsführung.
Stevens liefert eine große Show
Ein Dienstag Vormittag in der Arena „Auf Schalke“. Im Akkord werden neugierige Touristen-Gruppen durch die leere Halle, die leeren Presseräume, die leeren VIP-Räume, die leere Empfangshalle geschoben. Parallelwelt Stadionführung. Doch genau hier unten sitzt Schalke-Coach Huub Stevens in einer gemütlichen Sitzecke und redet. Nein, er redet nicht, er zieht eine Show der Extraklasse ab. Voller Körpereinsatz, wildes Gestikulieren, lautes Lachen, Schenkelklopfen. Einmal glitscht er sogar beinahe vom unförmigen Sitzmöbel. Unglaubig zücken die verdatteren Fans ihre Kameras, als könnten sie nicht glauben, dass auch das da Huub Stevens sein kann. Huub Stevens, der vermeintliche Grantler, ist voll in seinem Element, in „seinem Tunnel“, wie er später erklären wird. Ein Tunnel, der über die Jahre immer weiter geworden ist, weil er ihn beinhahe erdrückt hätte.
Ein Blick in die 11FREUNDE-Spezial-Ausgabe „Die Nuller-Jahre“, ein Bild vom Tag der Vier-Minuten-Meisterschaft, Schalkes Trauma, sein Trauma und schon rattert es in ihm. „Da war ich weg“, murmelt er, erzählt, wie er einen Schrank zerdepperte, als er zusammen mit Youri Mulder die Geschehnisse aus Hamburg ansehen musste – live im Fernsehen. Der Klos im Hals ist fast greifbar. Stevens wankt innerlich, aber er fängt sich. Er fixiert seinen Gegenüber wie eine Raubkatze seine Beute, stellt Rückfragen, verschränkt entspannt die Arme hinter dem Kopf. Nein, dieser Huub Stevens ist nicht mehr der Grantler von einst, dieser Huub Stevens ist sanft, ist locker und ist verdammt lustig.
„Natürlich sehe ich gerne Borussia Dortmund!“
Er spricht über twitternde Jungprofis, das Älterwerden, die Belastungen des modernen Fußballgeschäfts und gesteht: „Natürlich sehe ich mir gerne Borussia Dortmund an!“ Ein Lob für den Erzfeind. Was in Gelsenkirchen unter Umständen mit Steinigung, in der Regel aber nur mit Teeren und Federn bestraft wird, geht dem Niederländer locker über die Lippen. Er steht über den Dingen. Vielleicht mehr denn je.
Der Trainerveteran Huub Stevens ist schon lange nicht mehr das journalistenfressende Monster, das man einst in ihm sah, schon lange nicht mehr der Knurrer von Kerkrade. Huub Stevens 2012 ist zum „Gurrer von Gelsenkirchen“ mutiert.
Erst ganz zum Schluss kommt dieses Bild ins Wanken. Als ihm der Fotograf zum Abschied sagt: „Bitte schlagen sie Borussia Dortmund im Derby“, knurrt Stevens: „Warum?“. Der Fotograf kleinlaut: „Dann wird mein FC Bayern Meister!“ Stevens erstarrt, pumpt sich ein bisschen auf und bellt: „Und was habe ich davon?“ Doch kurz bevor sich der arme Fotograf hinter seiner Kamera verkriechen will, blitzt Stevens Lächeln auf. Er hat gelernt, mit seinem eigenen Klischee zu spielen. Noch so ein Charakterzug, mit dem man nicht unbedingt gerechnet hätte.