1.
Lattek plus Hoeneß plus Breitner minus Werder
Aus unserer beliebten Rubrik „Was wäre wenn?“ folgende Basisinfo über die ersten Karriereschritte des jungen Paul B. Zur Saison 1969/70 suchte Werder Bremen einen neuen Trainer und nahm schließlich Neuling Udo Lattek und Althauer Fritz Rebell in die engere Auswahl. Latteks Argument, er habe da noch zwei junge Talente im Gepäck, die bis dahin unbekannten Ulrich Hoeneß und Paul Breitner, beeindruckte die Profis aus Bremen allerdings wenig. Sie entschieden sich für Fritz Rebell. Der verschwand mit Werder im Jammertal der Graumäusigkeit. Was aus Lattek, Hoeneß und Breitner wurde, wissen wir ja.
2.
Das „Playboy“-Interview
Unter der Überschrift „Geständnisse des roten Paul“ festigte die Münchener „Abendzeitung“ 1972 Breitners Spitznamen und machte zugleich dessen wesentlichste Aussagen eines kurz zuvor erschienenen „Playboy“-Interviews publik. Darin: Wie er sich denn wohl im Bestechungsskandal verhalten hätte („Ich weiß nicht, was ich gemacht hätte, wenn jemand zu mir gesagt hätte: ´Wenn du morgen bei dem und dem Spielstand deinen Mann laufen lässt, damit der ein Tor macht, dann lege ich dir 50.000 Mark auf den Tisch.´“), wie er seinen Berufstand einschätze („Kapitalismus in reinster Form – hochbezahlter Zirkus, in dem wir heute umjubelt und morgen verdammt werden.“) und wie er sich die Zeit nach der Kicker-Karriere vorstelle („Ich möchte eine Schule für geistig und körperlich behinderte Kinder gründen.“). Großes Tennis.
3.
800 Millionen Schalen Reis
War das ein Fest für all die gelangweilten Fußball-Journalisten, als mit Paul Breitner plötzlich eine rote Socke mit Afro-Helm und wildem Bärtchen über die sonst so kreuzbraven Fußballplätze der Republik wetzte. Und Breitner spielte gerne mit: Begrüßte Reporter in seinem Bungalow („Mao hängt über seiner Couch, auf dem Tisch liegt die Peking-Rundschau“) und plauderte über Vor- und Nachteile des Kommunismus. Einen Satz dürfte Breitner heute allerdings bereuen: „Ich verehre Mao, aber diese Verehrung hat ganz simple Gründe: Wenn ein Mann nämlich jeden Tag 800 Millionen Menschen eine Schale Reis verschafft, dann ist das eine tolle Sache.“ Dass Chinas Diktator Mao nicht nur millionenfach Reis, sondern auch Todesurteile verteilte, dürfte der „linke Linksverteidiger“ („Bild“) zu diesem Zeitpunkt noch nicht geahnt haben.
4.
In der Nazi-Wohnung
War das ein Fest für die all die gelangweilten Fußball-Journalisten Teil 2: 1973 mietete sich Breitner mit seiner Frau Hildegard und Tochter Martina in ein Münchener Reihenhaus ein und erfuhr, kaum, dass die Wandfarbe getrocknet war, wer sein Vermieter war: Gerhard Frey, seines Zeichens Bundesvorsitzender der von ihm gegründeten rechtsextremistischen DVU und Herausgeber der ultra-rechten Postille „Deutsche National-Zeitung“. Familie Breitner suchte sich schnell eine neue Bleibe.
5.
Ich weiß nur, dass es kein Bub ist
Wohnraum, den die Breitners auch dringend benötigten: Im selben Jahr adoptierte das Fußballpärchen ein kleines Mädchen namens Ines. Eigentlich sollte der Breitnersche Zuwachs aus Vietnam kommen (Breitner: „Ich weiß nur, dass es ein Bub wird!“), doch ein Besuch beim Münchener Kreisjugendamt überzeugte den Jung-Vater „Schließlich gibt es auch hier Kinder, die Hilfe brauchen.“) Mit wohliger Gänsehaut textete die „Abendzeitung“: „Sogar Boxerhund Dino hat den Nachwuchs voll akzeptiert.“ Puh.
6.
Die ersten Sex-Probleme
Nach sieben Tagen in der Sportschule Malente wurde es Paul Breitner vor der WM 1974 im eigenen Land zu viel: Geschickt ließ er die deutsche Öffentlichkeit wissen, dass er wirklich nichts dagegen hätte, bald seine Frau wiederzusehen. Was nicht nur eine Diskussion an deutschen Stammtischen über das Liebesleben von Profisportlern auslöste, sondern auch eine besorgte Nachfrage des Boulevards unter dem Thema: „Die ersten Sex-Probleme: Breitner hat Heimweh!“. Hektisch interviewten die Gazetten den Hamburger „Sexologen Dr. Siegusch“ („Ich würde nicht empfehlen den Sex vor dem Wettkampf abzubrechen.“) und Breitners Nationalmannschaftskollegen. Die schönste Antwort gab schließlich Helmut Kremers: „Ich bin kein Sex-Protz, mir macht´s nix aus!“
7.
Eine moderne Frisur
Nach seinem Wechsel 1974 von Bayern München zu Real Madrid, sorgte sich die deutsche Öffentlichkeit, ob der Lieblingsklub von Diktator Franco denn überhaupt mit der Breitnerschen Brachialästhetik (viele viele Haare) klar kommen würde. Trainer Milan Miljanic („Paul Breitner ist der Chef von Real Madrid!“) nahm es sportlich: „Breitner spielt modern. Also soll er auch eine moderne Frisur tragen.“
8.
Bayrische Prügelstrafe
Längst sind sie wieder dicke Freunde, der schwarze Franz („Die beiden schlimmsten Dinge auf der Welt sind Krankheiten und der Kommunismus“) und der rote Paul. Doch 1975, ein Jahr nach dem Wechsel Breitners zu Real Madrid, ließ es Beckenbauer in der Zeitung mit den dicken Buchstaben mal so richtig krachen. Kostproben? „Bis auf Hoeneß war am Ende die ganze Mannschaft gegen ihn eingestellt, weil er gegen jeden und alles war. Er soll froh sein, dass er keine Prügel bekam.“ „Breitner war der einzige Intrigant, der jemals bei Bayern spielte. Er ist einer der größten Neidhammel, die es gibt.“ „Bei einem Freundschaftsspiel in Bilbao hat er die Spanier Faschistenschweine genannt und jetzt sind sie plötzlich die Größten. Er dreht eben sein Fähnchen immer nach dem Wind.“
9.
Nie wieder di Stefano
Legendär ist Breitners Ausflug ins Filmgewerbe. In „Potatoe-Fritz“ spielte er 1975 den Westernhelden „Sergeant Stark“. Fast wäre Breitners Schauspielauftritt allerdings frühzeitig gescheitert: Weil sich Real-Star Alfredo di Stefano Jahre zuvor als Revolverheld bis auf die Knochen blamiert hatte, musste Breitner Reals Vereinsführung das Drehbuch vorlegen. Die prüfte kritisch – und gab dann schließlich das O.k.
10.
Breitner ist dumm
Längst erzählt haben wir die Posse, wie Westernheld Breitner sich 1976 mit einer geladenen Pistole im Gepäck am Flughafenschalter erwischen ließ und sich schließlich vor Gericht zitiert wurde. Schuldig sind wir euch allerdings noch das vollständige Plädoyer von Breitners „Staranwalt“ Rolf Bossi. Bitteschön: „Breitner hat aus Dummheit gehandelt. Er ist ein einfältiger, naiver Mensch. Die Strafe (18.000 Mark) ist viel zu hoch, denn er muss jetzt schon fürs Alter vorsorgen, damit er nicht in wenigen Jahren als abgetakelter Fußballer in bitterer Armut leben muss. Das Leben eines Fußballers ist wie das eines Hundes – sehr kurz.“ Wie sagte doch einst „Simpsons“-Schulschläger Jimbo Jones: „Jetzt glaube ich an gar nichts mehr. Ich werde Anwalt.“