Ailton Goncalves da Silva, kurz Ailton, genoss den Augenblick. Er hatte die Leute an diesem kalten Novembertag richtig glücklich gemacht, und das will er doch nur. Nach jeder Runde unterbrach der in einen dicken Anorak eingepackte Stürmer das Auslaufprogramm, stellte sich dampfend zwischen die Fans und grinste in die Handykameras. Ein paar Minuten zuvor, als ihn Altach-Trainer Urs Schönenberger kurz vor Ende der Partie ausgewechselt hatte, standen viele der 5400 Zuschauer in der Cashpoint-Arena auf und applaudierten der Stürmerdiva.
Zwei Tore hatte Ailton zum so wichtigen 3:0‑Sieg im Kellerduell gegen den Kapfenberger SV beigesteuert, sich bisweilen Bälle im Mittelfeld geholt und am Ende nicht einmal den weiten Weg zur Eckfahne gescheut, um die Standards selbst auszuführen. Die Menschen auf den Rängen waren sich einig: das war nicht nur die beste Saisonleistung ihrer Mannschaft, sondern auch der beste Ailton, den sie gesehen hatten. »Ailton nicht vergesse, wie gehe Tore schieße«, sagte der 35-Jährige im schönsten Ailton-Deutsch anschließend.
»Kopf will nicht, Körper will nicht und Frau will nicht«
Zwei Punkte auf den rettenden Platz neun beträgt der Rückstand noch. Am Wochenende kommt Mattersburg, der Drittletzte, nach Vorarlberg Ländle. Mit seinen beiden Treffern hat »der große Unkalkulierbare«, wie Altach-Geschäftsführer Christoph Längle Ailton nennt, beim Schlusslicht der österreichischen Bundesliga die Hoffnung auf den Klassenerhalt aufleben lassen. Der »Kugelblitz«, wie Ailton seit seiner Bremer Zeit auch genannt wird, lieferte zudem Argumente in eigener Sache. Sechs Tore, davon drei Elfmeter, stehen nach neun Spielen zu Buche. Es müssen noch ein paar Treffer dazu kommen, will der Fußball-Weltenbummler nach acht Vereinswechseln in vier Jahren nicht schon wieder mit seiner Familie umziehen. Der Bundesliga-Torschützenkönig der Saison 2003/2004 wurde von Metalurg Donezk bis Ende des Jahres an den SCR Altach ausgeliehen. Was eine Verlängerung des Engagements angeht, so Längle, sei alles offen. Man müsse die weitere Entwicklung abwarten. »Kopf will nicht, Körper will nicht und Frau will nicht«, wehrt sich Ailton gegen eine mögliche Rückkehr in die Ukraine.
Urs Schönenberger, der sich in seiner Trainerkarriere den Beinamen »der Kompromisslose« erworben hat, konnte sich selbst nach dem überzeugenden Ailton-Auftritt nicht zu lobenden Worten durchringen. »Ailton kann noch nicht mit sich zufrieden sein«, meinte der 49-Jährige und fügte hinzu: »Er muss weiterarbeiten, dann kann er vielleicht noch einmal zurückkommen, wie er früher einmal war.« Anfangs, als Ailtons Trainingseifer laut Längle bedenklich gewesen sei, hat Schönenberger nach eigenen Worten den Brasilianer davor gewarnt, »sich hier zur Lachnummer zu machen.«
Verziehen hat der in Altach nicht unumstrittene Trainer seiner Nummer zehn indes dieses Interview nach der Niederlage gegen Ried. Das war vor sechs Wochen. »Altach sei keine Profimannschaft«, hatte Ailton damals in das ORF-Mikrophon gesagt. Dafür gab es eine Geldstrafe. Ailton entschuldigte sich artig für seine Kollegenschelte. »Das war unnötig, aber noch innerhalb der Toleranzgrenze«, findet Längle. Ansonsten bestehe kein Grund zur Klage. »Ailton kommt pünktlich zum Training und zu PR-Terminen«, betont der SCR-Geschäftsführer. »Und er geht jetzt sowohl im Spiel als auch im Training deutlich couragierter zu Werke.«
Der Brasilianer selbst sagt immer wieder, er und seine Frau Rosalie würden sich in Vorarlberg sehr wohl fühlen. Am liebsten, daraus macht »Toni« allerdings keinen Hehl, würde er nochmals in Deutschland spielen. Und wenn er es sich aussuchen dürfte natürlich in Bremen. »Mein Traum«, meinte Ailton nach dem Triumph gegen Kapfenberg, »mit Nummer 32 Karriere in Bremen beende – egal ob bei Profi oder Amateur. Aber jetzt erst Altach wichtig.«