Warum begeben sich Afrikaner nach Europa? Warum riskieren sie ihr Leben? Weil sie in ihrer Heimat keinen Spitzenfußball sehen können. Glaubt zumindest Gianni Infantino, der damit sogar Sepp Blatter in den Schatten stellt.
Dieser Text erscheint im Rahmen unserer Kooperation mit dem Tagesspiegel.
In der Welt der Sportpolitik scheint es ein unumstößliches Gesetz zu geben, das sich in einem simplen Satz zusammenfassen lässt: Der größte Schurke ist immer der Nächste. Egal wie unerträglich ein Mann (denn in der Regel sind es Männer) an der Spitze eines Sportverbandes auch sein mag, sein Nachfolger wird immer noch viel schlimmer sein.
Wer hätte gedacht, dass man sich einmal Reinhard Grindel an die Spitze des Deutschen Fußball-Bundes zurückwünschen würde, der im Lichte der aktuellen Entwicklungen beim DFB inzwischen als Muster an Integrität wirkt? Und wer hätte ahnen können, dass Sepp Blatter gar nicht der schlimmste Schurke im internationalen Fußball ist?
Sepp Blatter verhält sich zu Gianni Infantino, seinem Nachfolger als Fifa-Präsident, wie der Räuber Hotzenplotz zum Chef eines mittelamerikanischen Drogenkartells.
Infantino ist in einem Maße gerissen, durchtrieben, skrupellos, wie es Blatter nie war. Das hat er jetzt wieder bei einem Auftritt vor dem Europarat in Straßburg auf beeindruckende Weise bewiesen. Der Fifa-Präsident hat dort für sein Lieblingsprojekt geworben, für die Austragung der Weltmeisterschaft alle zwei Jahre.
Noch immer muss sich Infantino in dieser Sache ja unredliche Motive unterstellen lassen. Ihm gehe es angeblich nur um noch mehr Geld und noch mehr Macht. Wie falsch! Wie unfair! In Wirklichkeit ist Infantino ein Menschenfreund, ein Kämpfer für die Gerechtigkeit.
Denn während in Europa die WM zweimal pro Woche stattfinde, so Infantino, sind große Teile der Welt weiterhin komplett vom Spitzenfußball ausgeschlossen. Das müsse man ändern, findet Gianni, der Gerechte. „Wir müssen den Afrikanern Hoffnung geben, damit sie nicht über das Mittelmeer kommen müssen“, hat Infantino gesagt. Denn statt hier in Europa vielleicht ein besseres Leben zu finden, sei es sehr viel wahrscheinlicher, dass sie im Meer den Tod fänden.
Mit anderen Worten: Die Fifa Fußball-Weltmeisterschaft im Zweijahresrhythmus rettet Menschenleben. Wer sich diesem Projekt widersetzt, hat schlicht kein Herz.
Sepp Blatter hat immer davon geträumt, dass er irgendwann den Friedensnobelpreis für sein wohltätiges Schaffen verliehen bekommt. Gianni Infantino schielt wohl eher auf sofortige Heiligsprechung.