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Seite 2: Der Göttliche

Womit wir uns langsam, aber sehr sicher dem Mann nähern, der heute gewür­digt werden soll. Er war näm­lich ein Zeit­ge­nosse von Stuhl­fauth – und neben vielen anderen Dingen berühmt für seine … Hand­schuhe. Die Rede ist vom Spa­nier Ricardo Zamora, den sie den Gött­li­chen“ nannten, was nicht allein mit seinen Leis­tungen auf dem Rasen zu tun hatte. Diese waren aller­dings her­aus­ra­gend. Schon mit 19 Jahren wurde Zamora Natio­nal­spieler und sorgte dafür, dass die über­haupt erst für dieses Tur­nier ins Leben geru­fene spa­ni­sche Aus­wahl bei Olympia 1920 sen­sa­tio­nell die Sil­ber­me­daille gewann. Der Kata­lane war in den 1920ern ein sol­cher Star, dass Real Madrid 1930 die Welt­re­kord­ab­löse von 150.000 Peseten zahlte, um ihn von Espanyol Bar­ce­lona zu ver­pflichten. Prompt führte Zamora Real zu den ersten beiden Meis­ter­schaften der Klub­ge­schichte. Er gilt bis heute als bester spa­ni­scher Tor­wart aller Zeiten, und die Inter­na­tional Fede­ra­tion of Foot­ball History & Sta­tis­tics (IFFHS) kürte ihn sogar zum fünft­besten Keeper der Welt im 20. Jahr­hun­dert.

Doch wie gesagt, man nannte ihn nicht allein des­halb den Gött­li­chen, weil seine Reflexe auf der Linie sprich­wört­lich waren oder er sich toll­kühn in selbst das wil­deste Gesto­chere im Fünf-Meter-Raum stürzte. Fast ebenso bemer­kens­wert war, dass er all dies tat – und gleich­zeitig als Sti­li­kone galt. El Divino war bekannt dafür, dass er größten Wert auf sein Äußeres legte. Gerne trug er einen engen schwarzen Roll­kra­gen­pull­over, noch lieber ein Hemd mit breitem Kragen und dar­über einen Strick­pulli mit ange­deu­tetem V‑Ausschnitt. Auch seine helle Schie­ber­mütze war legendär. Zudem spielte Zamora gerne mit auf­fällig gepols­terte Knie­scho­nern, was kei­nes­wegs nur mit dem harten Unter­grund jener Tage zu tun hatte. Wenn es damals schon far­bige Fuß­ball­schuhe gegeben hätte, wäre der Gött­liche sicher­lich noch bunter auf­ge­laufen.

Spiel­zeug­puppe als Talisman

Ja, man kann durchaus sagen, dass sich Zamora schon fast ein Jahr­hun­dert vor den heu­tigen Gla­mour-Profis als Gen­tleman-Kicker insze­nierte. Und ver­mut­lich betrach­tete er vor allem des­wegen Hand­schuhe ein­fach als uner­läss­lich. Schwarze Leder­hand­schuhe, wie sie in den Fünf­zi­gern und Sech­zi­gern auch Lew Jashin trug, waren das Min­deste für El Divino. Fast noch lieber waren Zamora aber gelbe Hand­schuhe, ver­mut­lich weil sie auf­fäl­liger waren. Apropos auf­fällig: Eine andere Marotte von ihm war, dass er kein Spiel ohne seinen Talisman bestritt – eine kleine Spiel­zeug­puppe in einem Tor­wart­dress.

Doch an seinem schlimmsten Tag war die ihm ebenso wenig eine Hilfe wie seine Hand­schuhe. Als Spa­nien im Dezember 1931 mit 1:7 gegen Eng­land verlor, rutschten dem Gött­li­chen auf dem ver­schlammten Lon­doner Rasen so viele Bälle durch die Hände, dass eine Zei­tung schrieb, die Gäste hätten genauso gut Zamoras Talisman zwi­schen die Pfosten stellen können. Es war der große Aus­nah­metag seiner Kar­riere. Fünf Jahre später, im Juni 1936, stand er mit Real im Pokal­fi­nale gegen den FC Bar­ce­lona. Madrid gewann mit 2:1, weil Zamora in der letzten Minute einen Unhalt­baren gegen Josep Escolà hielt. Was Banks’ Wun­dertat gegen Pelé 1970 für die Eng­länder ist, ist diese Ret­tungs­ak­tion für viele Spa­nier: die beste Tor­wart­pa­rade aller Zeiten. Was auch damit zu tun hat, dass es Zamoras letzte auf hei­mat­li­chem Boden war: Als der Bür­ger­krieg aus­brach, flüch­tete der Franco-Sym­pa­thi­sant vor­über­ge­hend nach Frank­reich.

Ricardo Zamora wurde am 21. Januar 1901 in Bar­ce­lona geboren, heute vor 120 Jahren. Er starb 1978 in seiner Hei­mat­stadt. Es war eine wei­tere erstaun­liche Leis­tung von ihm, 77 Jahre alt zu werden, denn El Divino rauchte auch wäh­rend seiner aktiven Zeit mehr als drei Schach­teln Ziga­retten am Tag.

(Das Foto zeigt Zamora mit seinem tsche­chi­schen Kol­legen Fran­tisek Pla­nicka im Jahr 1932.)