Neue Vorgaben beim „Mecker-Gelb“ und mehr Transparenz beim Videobeweis – die Regelhüter beim Ifab planen weitere Änderungen. Der Ifab-Geschäftsführer Lukas Brud wehrt sich im Interview gegen die Kritik.
Viel diskutiert ist derzeit die Handspielregel. Können Sie sie erklären?
Das Handspiel ist und bleibt die komplizierteste Entscheidung für den Schiri im Spiel. Doch wir haben 2019 eigentlich dafür gesorgt, dass der Graubereich bei der Entscheidung minimiert wird. Vorher musste der Schiedsrichter ermessen, ob eine Absicht vorlag oder nicht. Das ist schwer zu fassen. Wir haben zum Beispiel festgehalten: Wenn ein Spieler der angreifenden Mannschaft den Ball mit der Hand spielt und daraus umgehend ein Tor resultiert, muss gepfiffen werden – egal ob Absicht oder nicht. So ist es einfach gehalten, deswegen verstehe ich die Debatte nicht so ganz.
Doch was ist mit der verteidigenden Mannschaft? Manche Spieler halten sich im Strafraum mittlerweile die Hände auf den Rücken.
Das ist etwas übertrieben. Die Spieler sollen sich ganz natürlich bewegen. Wenn ein Spieler der verteidigenden Mannschaft den Ball unabsichtlich an die Hand bekommt, ist das prinzipiell nicht strafbar. Doch nehmen Sie Gerard Pique bei der WM: Er hatte die Arme weit oben über dem Kopf und berührte den Ball. Da muss er sich nicht beschweren. Hände haben über dem Kopf oder 90 Grad weg vom Körper nichts verloren. Natürlich muss der Schiedsrichter in bestimmten Situationen noch entscheiden: War das unabsichtliche Handspiel entscheidend für den weiteren Spielverlauf?
Handspiel wird mittlerweile aber uneinheitlich gepfiffen.
Da gebe ich Ihnen recht. Wir müssen an der Einheitlichkeit der Entscheidungen arbeiten. Ein Schiedsrichter muss eigentlich unsere genannten Kriterien abarbeiten. Wir haben die Graubereiche für ihn reduziert. Die können jetzt noch groß wie der Rhein sein, aber eben nicht mehr so groß wie der Ärmelkanal. Es braucht noch etwas Zeit, bis die neue Regel von allen verstanden wird. Wir brauchen Geduld.
„Wir müssen beim Thema Handspiel an der Einheitlichkeit arbeiten“
Wie stehen Sie zum Videobeweis? Rudi Völler monierte kürzlich, dass man heutzutage zwei Mal bei einem Tor jubeln würde.
Ich kann die Kritik nachvollziehen, würde aber die Gegenfrage stellen: Sollen wir den Videobeweis also abschaffen? Schauen Sie auf die Statistik: In der Hinrunde der vergangenen Bundesligasaison wurden zum Beispiel 82 klare Fehlentscheidungen korrigiert. Ohne den Videobeweis gäbe es diese weiterhin; der Schiedsrichter wäre bei 60 000 Leuten im Stadion auch der einzige, der sich eine Szene nicht mehr anschauen kann. Der Fußball und die öffentliche Aufmerksamkeit sind mittlerweile zu groß geworden, als dass man in großen Spielen wie einem Finale auf den Videobeweis verzichten könnte.
Ist der Schiedsrichter nun nicht nur ein Gehilfe des VAR?
Das ist vielleicht nur unser Empfinden. Dabei ist das Gegenteil der Fall. Die Schiris haben weiterhin das Sagen auf dem Platz. Sie sagen oft: Der Videobeweis ist unser Fallschirm und rettet unter Umständen sogar unsere Karrieren. In der Vergangenheit gab es einige Entscheidungen, die Schiedsrichtern zum Verhängnis wurden. Über Jahre hinweg hat ein Schiedsrichter tadellos gepfiffen, und dann haben einzelne Fehlentscheidungen in wichtigen Spielen dazu geführt, dass sie dort vielleicht nicht mehr „erste Wahl“ waren.
Mitunter dauert eine Entscheidung des Videoschiedsrichters mehr als drei Minuten.
Das ist lange, richtig. Aber nicht die Norm; denn diese liegt im Durschnitt bei circa einer Minute, und das alle drei Spiele. Aber selbst drei Minuten sind wenig, wenn für Einwürfe allein durchschnittlich sieben Minuten pro Spiel draufgehen. Trotzdem engagieren wir uns weiterhin dafür, dass der Prozess besser und schneller wird. Und wir arbeiten zusätzlich an einer transparenteren Kommunikation, um mehr Verständnis bei den Zuschauern zu gewinnen. Wer weiß, vielleicht könnte es einmal eine Option sein, dass die Entscheidungsfindung zwischen Videoschiedsrichtern und Schiris auf dem Platz während dem Spiel öffentlich zugänglich wird wie in anderen Sportarten. Vielleicht wird so der Prozess mehr verstanden und sorgt für noch mehr Nachvollziehbarkeit. Es gibt da unterschiedliche Ansätze. Die wollen wir testen.
Die untersuchten Bilder könnten auch im Stadion gezeigt werden.
Manche Ligen zeigen die Bilder nach der Entscheidung des Schiedsrichters, manche wollen oder können es nicht. Wir geben den Ligen da auch keine Vorgaben, weil es hierbei auch auf die finanziellen, infrastrukturellen und kulturellen Bedingungen des Wettbewerbs ankommt.