Neue Vorgaben beim „Mecker-Gelb“ und mehr Transparenz beim Videobeweis – die Regelhüter beim Ifab planen weitere Änderungen. Der Ifab-Geschäftsführer Lukas Brud wehrt sich im Interview gegen die Kritik.
Mario Gomez wurden fünf Tore durch den Videobeweis aberkannt, teilweise bei Zentimeterentscheidungen. Können Sie seinen Ärger verstehen?
Na klar. Nur: Auch wenn es nur um einen Zentimeter Abseits geht, dann ist es eben Abseits. Daran wird sich auch entgegen mancher Berichte nichts ändern. Allerdings erinnere ich auch noch mal an den Grundgedanken des Video-Assistenten: Er soll eingreifen, wenn eine klare Fehlentscheidung und der hundertprozentige Beweis vorliegt.
Was meinen Sie?
Im Videoüberprüfungsraum werden bereits die besten Perspektiven ausgewählt. Wenn der Schiedsrichter aber noch nach weiteren Bildern suchen muss, wenn Zeit dafür geopfert wird, die Linie noch mal anders anzulegen, dann liegt wohl keine klare Fehlentscheidung vor. Wenn ich als Schiedsrichter hin und her spulen muss und mir nicht ganz sicher bin, sprich das Abseits nicht klar belegen kann, dann sage ich: Finger weg! Da kann ich also zu einem gewissen Grad die Ansicht unterstreichen: Im Zweifel für den Angreifer!
Was halten Sie von einer „Challenge“ für die Trainer?
Das ist nicht realistisch. Mal angenommen, beide Trainer hätten ihre zwei „Challenges“ pro Spiel schon ausgereizt und dann passiert eine Szene in einem wichtigen Spiel wie damals beim Handspiel-Tor von Thierry Henry gegen Irland – da könnte der VAR also nicht mehr eingreifen. Das war unserer Meinung nach nicht der fairste Ansatz. Was würde passieren? Die Forderungen nach mehr „Challenges“ stünden im Raum. Irgendwann hätten wir dann fünf pro Team und damit mehr Eingriffe ins Spiel als derzeit.
„Der Videobeweis wird woanders nicht so kritisch gesehen wie in Deutschland“
Sie sind also mit dem jetzigen Videobeweis zufrieden?
Sehen Sie, es gibt den Videobeweis erst seit drei Jahren, wir stehen noch am Anfang. Die NFL hat ihr Protokoll dazu 15-Mal angepasst und in einer Saison den Videobeweis sogar kurzzeitig ausgesetzt. Im Vergleich dazu läuft es im Fußball schon sehr gut. Der Videobeweis wird in anderen Ländern auch nicht so kritisch gesehen wie vielleicht in Deutschland. Oft stürzt sich die Öffentlichkeit auf die einzelnen Fehler und vergisst all jene Situationen, in denen mehr Gerechtigkeit ins Spiel gebracht wurde. Über hundert Turniere weltweit nutzen den Videobeweis, es läuft noch nicht alles rund, aber das Fazit fällt durchaus positiv aus. 100 Prozent richtige Entscheidungen wird es eben nie geben. Denn: Erstens stehen wir noch am Anfang der Entwicklung. Und zweitens: Die Entscheidungen treffen immer noch Menschen. Die können sich irren.
Worum wird es bei der nächsten Jahrestagung des Ifab Ende Februar gehen?
Um drei Themen. Zum einen um die Kommunikation beim Videobeweis, die ich gerade angesprochen habe. Das zweite Thema umfasst mögliche (temporäre, die Red.) Auswechselungen bei Gehirnerschütterungen. Wir werden prüfen, welche Optionen bestehen und uns auch von Medizinern beraten lassen. In anderen Sportarten gibt es einen Zeitraum von zwölf Minuten Behandlung, in dem ein Ersatzspieler aufs Feld kann. In dieser Zeit soll der Schweregrad der Verletzung ermittelt werden. Ob das aber so im Fußball eingeführt wird, ist noch offen.
Und drittens?
Wir beschäftigen uns mit dem Verhalten der Spieler. Dieses Thema liegt mir sehr am Herzen. Mittlerweile stürmt nach jeder Entscheidung die komplette Mannschaft auf den Schiedsrichter zu. Der Hemmschwelle gegenüber Schiedsrichtern scheint immer mehr zu verschwinden. Und dieses Verhalten im Profifußball hat einen Einfluss auf den Nachwuchs. Was ein Idol heute im TV macht, wird morgen von Kids kopiert – im positiven wie im negativen Sinne.
Und wie soll das geändert werden?
Es gibt viele Optionen. Ein Ansatz lautet: Der Referee streckt die flache Hand aus als deutliches Signal, das Reklamieren zu unterlassen. Wenn ein Spieler dann noch nicht aufhört, bekommt er vielleicht die gelbe Karte. Wir werden diese und andere Optionen diskutieren. Fakt ist: Die Belagerung der Schiedsrichter muss endlich aufhören.