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Seite 2: Tödliche Rache

Vieles spricht dafür, dass eine kri­ti­sche Oppo­si­tion von der mili­tä­ri­schen Dik­tatur ein­ge­schüch­tert und mundtot gemacht werden soll. Der Fuß­ball wird da nur benutzt und tra­dierte Feind­schaften nur auf­ge­griffen“, kom­men­tierte der Fan-For­scher Gunter Pilz die Ereig­nisse. Der Mili­tärrat, der in der Folge des ara­bi­schen Früh­lings im Februar 2011 die Macht über­nommen hatte, wollte sich an den Ultras rächen, so die am wei­testen ver­brei­tete Theorie über die Hin­ter­gründe der Kata­strophe. Sie hatten sich im Januar, als der Auf­stand begann, als Revo­lu­ti­ons­garde schüt­zend vor die Pro­tes­tie­renden auf dem Kai­roer Tahir-Platz gestellt, als Polizei und Regie­rungs­mi­lizen die Pro­teste gewaltsam nie­der­schlagen wollten. Was ihnen damals nicht gelang, wurde ein Jahr später nach­ge­holt. Die Rache wurde töd­lich. Auch im Nach­spiel, als elf Al-Masry-Ultras für die Gewalt zum Tode ver­ur­teilt wurden.

Die Ver­ant­wort­li­chen und Draht­zieher im Hin­ter­grund sind hin­gegen bis heute, zum Anstoß des Afrika Cups 2019, nicht gefunden, geschweige denn ver­ur­teilt, die Vor­gänge von Port Said dem­entspre­chend nicht auf­ge­klärt. Die Wahr­schein­lich­keit, dass es jemals dazu kommen wird, geht aktuell gen null. Denn poten­ti­elle Hin­ter­männer von damals sind in dem biss­chen Kon­ti­nuität, das dem kri­sen­ge­schüt­telten, putsch- und revo­lu­ti­ons­ge­schla­genen Ägypten bleibt, noch immer an der Macht. Diese Kon­ti­nuität heißt Militär. Damals, nach dem Rück­tritt des Prä­si­denten Hosni Mubarak, war es der Mili­tärrat, der die Bevöl­ke­rung mit Willkür, Terror und Gewalt ein­schüch­terte. Heute ist es die Mili­tär­re­gie­rung, die die Bevöl­ke­rung unter­drückt, Kri­tiker inhaf­tiert und das Land mit eiserner Hand regiert. Der dama­lige Vor­sit­zende des Mili­tär­rats ist der heu­tige Prä­si­dent: Abdel Fatah Al-Sisi. Damals wie heute regiert er mit harter Hand.

60.000 poli­ti­sche Gefan­gene

Men­schen­rechte sind in Ägypten alles andere als garan­tiert. Im Gegen­teil: Men­schen­rechts­ad­vo­katen erklärt das Regime zu seinen Feinden. Ver­schie­denen Schät­zungen von Nicht­re­gie­rungs­or­ga­ni­sa­tionen zu Folge sind in Ägypten etwa 60.000 Men­schen aus poli­ti­schen Gründen inhaf­tiert. Jour­na­listen, Anwälte, Blogger, Anders­den­kende – oft rei­chen wenige Worte der Kritik für eine lange Haft­strafe, häufig das Resultat poli­ti­scher Pro­zesse im Schnell­ver­fahren. Ebenso wie Todes­ur­teile, die zum Bei­spiel gegen die als Ter­ro­risten ver­folgten Anhänger der Mus­lim­bru­der­schaft zu dut­zenden aus­ge­spro­chen werden. 

Auch Ultras, die wäh­rend der ver­gan­genen Auf­stände die Speer­spitze der Revo­lu­tion bil­deten, gelten heute als Ter­ro­risten. Nach dem Mas­saker in Port Said fanden Liga­spiele unter Aus­schluss von Fans statt. 2015 wurde das Verbot auf­ge­hoben. Einen Monat später starben 19 Fans, als die Polizei am Luft­waf­fen­sta­dion von Kairo Trä­nengas und Gum­mi­ge­schosse auf Men­schen ohne Tickets feu­erte, ent­weder bei der resul­tie­renden Mas­sen­panik oder in Aus­ein­an­der­set­zungen mit den Kräften. Anschlie­ßend blieben Fans bis zum ver­gan­genen Jahr wieder aus­ge­schlossen.