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Craig, warum hast du zwei Jahre lang Archive durch­wühlt, um die Bot­schaften bei Tor­ju­beln zusam­men­zu­stellen? Das Buch ist eine Art Klage. Irgend­wann werden die Men­schen ver­gessen haben, dass Spieler einst mit Bot­schaften unter ihren Tri­kots etwas aus­drü­cken konnten. Unser Gefühl ist, dass der Fuß­ball, wie wir ihn lieben, durch solche Ver­bote nach und nach aus­bleicht.

Du siehst im Verbot der Trikot-Bot­schaften ein Sym­ptom des soge­nannten modernen Fuß­balls“? Defi­nitiv. Es mag zynisch klingen, aber all diese Beschrän­kungen und Auf­lagen, die Ver­bände wie die FIFA Spie­lern auf­ge­bürdet werden – sie dienen doch haupt­säch­lich dem Ziel, den Fuß­ball kom­mer­ziell besser ver­markten zu können.

Du meinst, kon­tro­verse Spieler sollen auf diese Weise glatt­ge­bü­gelt werden? Nein, es geht nicht um Kon­tro­versen, son­dern um Per­sön­lich­keit. Des­halb haben wir ja auch diesen dop­pel­deu­tigen Buch­titel I belong to Jesus“ gewählt.

Eine Bot­schaft, die Kaká unter anderem nach dem Cham­pions League-Tri­umpf des AC Mai­land 2007 prä­sen­tierte. Inwie­fern ist diese Bot­schaft dop­pel­deutig? Klar, auf den ersten Blick scheint das nur ein Aus­druck seines Glau­bens zu sein. Aber man kann es auch tie­fer­ge­hender inter­pre­tieren. Wem gehört“ der Fuß­ball denn heute? Ich glaube, er gehört längst nicht mehr den Fans. Und wenn Kaká meint, er gehöre Jesus, dann gibt er zu, fremd­be­stimmt zu sein. Und so ist es doch: Spieler wie er gehören nicht mehr sich selbst. Sie gehören den Klub­be­sit­zern und Inves­toren.

Trotzdem ver­sam­melt das Buch haupt­säch­lich Tri­kot­bot­schaften aus den Neun­zi­gern und dem Anfang des neuen Jahr­tau­sends. Einer Zeit, in der die Kom­mer­zia­li­sie­rung des Fuß­balls begann… Ein Teil dieser Kom­mer­zia­li­sie­rung ist die Zunahme der medialen Bericht­erstat­tung. Die fing nun einmal Anfang bis Mitte der Neun­zi­ger­jahre an. Spieler erreichten plötz­lich Mil­lionen statt der paar zehn­tau­send Men­schen, die im Sta­dion waren. Da nahm eben auch die Zahl der Bot­schaften auf den Tri­kots zu.

Die meisten dieser Bot­schaften sind ja Uni­kate. Sticht für dich eins beson­ders hervor? Das Frank­stein-Unter­hemd von Sebas­tián Abreu. 

Wie bitte? Ok, da muss ich aus­holen. Der Uru­gu­ayer Sebas­tián Abreu trug bei der WM 2014 dieses Unter­hemd, das kom­plett voll­ge­kleis­tert war: Ein Fami­li­en­foto, mehr­fach seine Tri­kot­nummer, die 13“, dazu dut­zende Ver­eins­wappen von Clubs, bei denen er gespielt hat. Bei der Recherche haben wir dann her­aus­ge­funden, dass das Unter­hemd sogar zur Hälfte aus einem ehe­ma­ligen Trikot seines Vaters besteht. Zu jedem beson­deren Spiel trägt er dieses Col­lagen-Unter­hemd. Eine echte Fran­ken­stein-Krea­tion.

Und gibt es auch Bot­schaften, die du per­sön­lich beson­ders bescheuert fin­dest? Naja, wenn ein Paolo Di Canio natio­na­lis­ti­sche Bot­schaften auf dem Feld zeigt, stößt mir das schon sehr sauer auf. Wir haben in dem Buch ein ganzes Kapitel mit poli­ti­schen Bot­schaften, von denen manche eben extrem sind. Andere finde ich dagegen gut, zum Bei­spiel die von Carlos Tévez, als er sich mit Bewoh­nern der Armuts­viertel in Argen­ti­nien soli­da­ri­sierte.

Welche Bot­schaft aus dem Buch hat dich am meisten beein­druckt? Die Geschichte von Billy Sharp, einem Spieler der Don­caster Rovers. Im November 2011 machte er ein Tor gegen den FC Midd­les­b­rough – drei Tage nachdem sein Sohn ver­storben war. Du musst dir das vor­stellen: Er macht also dieses abso­lute Traumtor, rennt zur Eck­fahne, stülpt sich das Trikot über den Kopf und auf seinem Unter­hemd steht: That’s for you son“. 

Das ist ja herz­zer­rei­ßend… Ja, es war ein ganz beson­derer Moment. Der Schieds­richter gab ihm draufhin keine gelbe Karte. Alle Zuschauer, wirk­lich alle, klatschten. Sie ver­standen, dass hier ein Spieler ver­sucht, auf diese Weise mit diesem schreck­li­chen Ver­lust umzu­gehen. Sowas würde auf­grund der Fifa-Rege­lung heute nicht mehr pas­sieren.

Craig Oldham, Rick Banks. I belong to Jesus. Eigen­verlag. 192 Seiten. 39 Euro. https://​www​.ibe​long​to​jesus​.co​.uk/