2014 verbot die Fifa Botschaften auf dem Trikot. Für das Buch „I belong to Jesus“ hat der Brite Craig Oldham deshalb die schönsten von ihnen gesammelt. Und dabei eine Erklärung für das Verbot gefunden.
Craig, warum hast du zwei Jahre lang Archive durchwühlt, um die Botschaften bei Torjubeln zusammenzustellen? Das Buch ist eine Art Klage. Irgendwann werden die Menschen vergessen haben, dass Spieler einst mit Botschaften unter ihren Trikots etwas ausdrücken konnten. Unser Gefühl ist, dass der Fußball, wie wir ihn lieben, durch solche Verbote nach und nach ausbleicht.
Du siehst im Verbot der Trikot-Botschaften ein Symptom des sogenannten „modernen Fußballs“? Definitiv. Es mag zynisch klingen, aber all diese Beschränkungen und Auflagen, die Verbände wie die FIFA Spielern aufgebürdet werden – sie dienen doch hauptsächlich dem Ziel, den Fußball kommerziell besser vermarkten zu können.
Du meinst, kontroverse Spieler sollen auf diese Weise glattgebügelt werden? Nein, es geht nicht um Kontroversen, sondern um Persönlichkeit. Deshalb haben wir ja auch diesen doppeldeutigen Buchtitel „I belong to Jesus“ gewählt.
Eine Botschaft, die Kaká unter anderem nach dem Champions League-Triumpf des AC Mailand 2007 präsentierte. Inwiefern ist diese Botschaft doppeldeutig? Klar, auf den ersten Blick scheint das nur ein Ausdruck seines Glaubens zu sein. Aber man kann es auch tiefergehender interpretieren. Wem „gehört“ der Fußball denn heute? Ich glaube, er gehört längst nicht mehr den Fans. Und wenn Kaká meint, er gehöre Jesus, dann gibt er zu, fremdbestimmt zu sein. Und so ist es doch: Spieler wie er gehören nicht mehr sich selbst. Sie gehören den Klubbesitzern und Investoren.
Trotzdem versammelt das Buch hauptsächlich Trikotbotschaften aus den Neunzigern und dem Anfang des neuen Jahrtausends. Einer Zeit, in der die Kommerzialisierung des Fußballs begann… Ein Teil dieser Kommerzialisierung ist die Zunahme der medialen Berichterstattung. Die fing nun einmal Anfang bis Mitte der Neunzigerjahre an. Spieler erreichten plötzlich Millionen statt der paar zehntausend Menschen, die im Stadion waren. Da nahm eben auch die Zahl der Botschaften auf den Trikots zu.
Die meisten dieser Botschaften sind ja Unikate. Sticht für dich eins besonders hervor? Das Frankstein-Unterhemd von Sebastián Abreu.
Wie bitte? Ok, da muss ich ausholen. Der Uruguayer Sebastián Abreu trug bei der WM 2014 dieses Unterhemd, das komplett vollgekleistert war: Ein Familienfoto, mehrfach seine Trikotnummer, die „13“, dazu dutzende Vereinswappen von Clubs, bei denen er gespielt hat. Bei der Recherche haben wir dann herausgefunden, dass das Unterhemd sogar zur Hälfte aus einem ehemaligen Trikot seines Vaters besteht. Zu jedem besonderen Spiel trägt er dieses Collagen-Unterhemd. Eine echte Frankenstein-Kreation.
Und gibt es auch Botschaften, die du persönlich besonders bescheuert findest? Naja, wenn ein Paolo Di Canio nationalistische Botschaften auf dem Feld zeigt, stößt mir das schon sehr sauer auf. Wir haben in dem Buch ein ganzes Kapitel mit politischen Botschaften, von denen manche eben extrem sind. Andere finde ich dagegen gut, zum Beispiel die von Carlos Tévez, als er sich mit Bewohnern der Armutsviertel in Argentinien solidarisierte.
Welche Botschaft aus dem Buch hat dich am meisten beeindruckt? Die Geschichte von Billy Sharp, einem Spieler der Doncaster Rovers. Im November 2011 machte er ein Tor gegen den FC Middlesbrough – drei Tage nachdem sein Sohn verstorben war. Du musst dir das vorstellen: Er macht also dieses absolute Traumtor, rennt zur Eckfahne, stülpt sich das Trikot über den Kopf und auf seinem Unterhemd steht: „That’s for you son“.
Das ist ja herzzerreißend… Ja, es war ein ganz besonderer Moment. Der Schiedsrichter gab ihm draufhin keine gelbe Karte. Alle Zuschauer, wirklich alle, klatschten. Sie verstanden, dass hier ein Spieler versucht, auf diese Weise mit diesem schrecklichen Verlust umzugehen. Sowas würde aufgrund der Fifa-Regelung heute nicht mehr passieren.
Craig Oldham, Rick Banks. I belong to Jesus. Eigenverlag. 192 Seiten. 39 Euro. https://www.ibelongtojesus.co.uk/