Fin Bartels ist fast 34 Jahre alt, in seiner Karriere öfter ab- als aufgestiegen und immer wieder von Verletzungen gestoppt worden. Umso schöner, dass er gestern dem ganzen Land gezeigt hat, was in ihm steckt.
„Ich habe noch ein paar Jahre im Tank“, sagte Fin Bartels im Sommer, als er in Kiel als Neuzugang vorgestellt wurde. Was eigentlich Quatsch war, also nicht die Sache mit dem Tank, sondern die mit dem Vorstellen. Schließlich brauchte man Fin Bartels in Kiel nicht vorzustellen, in Kiel kannten sie ihn längst, er ist dort geboren und aufgewachsen, er hat schon als Jugendlicher für die Störche gespielt und für den Verein als Profi debütiert, damals noch in der Regionalliga Nord. Von Kiel aus ist er im Jahr 2007 hinaus in die Welt gezogen, auch wenn die Welt im Fall von Bartels gar nicht so groß war, genau genommen bestand die Welt aus ein paar Städten in Norddeutschland, aus Rostock, Hamburg und Bremen. Von Kiel aus hat er es bis in die Bundesliga geschafft, und, vielleicht noch wichtiger, in die Herzen der Fans, egal ob bei Hansa, St. Pauli oder Werder. Wo auch immer Fin Bartels ankam: Fin Bartels kam gut an.
Weil er, wenn er denn fit war, auf dem Platz meist gute Leistungen ablieferte und weil er, wenn er nicht auf dem Platz stand, entspannt und freundlich und bedacht wirkte. Und im Gegensatz zu einigen seiner Kollegen auch wie einer, der sich selbst nicht zu wichtig nimmt. Dazu der norddeutsche Einschlag, der anders als quasi alle sonstigen deutschen Dialekte eher hilft als stört. Er drängte nie ins Rampenlicht, und wenn es, nach guten Spielen etwa, doch mal auf ihn gerichtet wurde, dann lächelte er nett, antwortete fix auf die Interview-Fragen und verzog sich wieder, ab unter die Dusche.
So wie gestern nach dem vorher für unmöglich erklärten Sieg über die Bayern. Zu dem er mit einem Tor und dem entscheidenden Elfmeter maßgeblich beigetragen und so gezeigt hatte, dass die Sache mit dem Tank alles war, aber bestimmt kein Quatsch. Er lächelte nett, antwortete fix, lobte die jüngeren Kollegen und verzog sich dann, ab unter die Dusche. Er klang im Field-Interview eher wie ein verlässlicher Postbote, der sich gleich noch nach den Kindern und der Sache mit dem Autoverkauf erkundigt, als wie ein Fußballer, der grade die Bayern versenkt hatte. Alles gut, danke Herr Bartels. Och mensch, da nich für. Irgendwie angenehm.
Irgendwie nicht so angenehm lief die jüngere Vergangenheit für Bartels. Um ziemlich genau zwei Jahre seiner Karriere hat ihn das Schicksal oder der Fußballgott oder wer auch immer betrogen. Im Dezember 2017 riss ihm die Achillessehne, erst im Dezember 2019 war er wieder richtig fit. Zwei Jahre Stress und Schmerzen, zwei Jahre, in denen sie vor allem im Weserstadion seine so gar nicht zu den grauen Haaren passende Wuseligkeit vermissten. Zwei Jahre, die ihm seinen Platz in der Bundesliga gekostet haben, zwei Jahre, die er nun gerne hinten dranhängen würde, wie er sagt. Wer ihn gestern spielen sah, kann sich durchaus vorstellen, dass das klappt.
Mit seinen kurzen, aber noch immer flinken Schritten wetzte er über den Platz, mit seiner feinen Technik löste er brenzliche Situationen auf, mit seinem präzisen und eiskalten Abschluss sorgte er für den zwischenzeitlichen 1:1‑Ausgleich. Entspannt und bedacht verwandelte er den Elfmeter zum 8:7, kurz zuvor, als er sich Arm in Arm mit seinen Kollegen die anderen Schützen angeschaut hatte, lächelte er freundlich. Wieso sollte er mit diesen Fähigkeiten nicht auch in zwei oder drei Jahren noch eine gute Rolle im Profibereich spielen? Vielleicht sogar in der ersten Liga? Mit Kiel steht er derzeit auf einem Aufstiegsplatz, gestern hat die Mannschaft bewiesen, dass das kein Zufall ist.