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Dieses Inter­view erschien erst­mals in 11FREUNDE #211. Das Heft ist hier bei uns im Shop erhält­lich.

Arrigo Sacchi, wann haben Sie das erste Mal eine Mann­schaft trai­niert?
Ich war 18 oder 19 Jahre alt. Damals spielte ich für meinen kleinen Hei­mat­verein Fusignano CF. Vor einer Partie plagten mich starke Rücken­schmerzen, also sagte ich meinen Ein­satz ab. Dar­aufhin meinte unser Betreuer Alfredo Bel­letti: Wenn du nicht spielen kannst, dann mach doch den Trainer!“ Ich sagte ihm, das könne ich nicht. Und er ant­wor­tete: Du wirst schon sehen, dass du das kannst.“

Sie erwähnen Alfredo Bel­letti immer wieder. Was machte ihn so beson­ders?
Er war unser Gemein­de­bi­blio­thekar, ein kul­ti­vierter und intel­li­genter Mensch. Früher hat er große Diri­genten nach Fusignano geholt. Claudio Abbado, Ric­cardo Muti und andere. Eines Tages klagte ich: Wir haben keinen Libero und müssen einen kaufen“. Er fragte mich: Welche Nummer hat ein Libero?“ Ich ant­wor­tete: Die Sechs.“ Dar­aufhin gab er mir ein Trikot mit der Nummer sechs und sagte: Wenn du ein guter Trainer bist, dann erschaffe dir einen Libero.“ Er gab mir zu ver­stehen, dass es kein Geld gab und ein Trainer mit Arbeit und Ideen die eigenen Spieler ver­bes­sern muss.

Der Barock­kom­po­nist Arc­an­gelo Corelli, der eben­falls aus Fusignano stammt, sagte: Die Musik ent­steht im Kopf, nicht aus den Instru­menten.“ Sie sagen: Fuß­ball ent­steht im Kopf, nicht in den Beinen.“ Gibt es da eine Ver­bin­dung?
Ich habe meine Tätig­keit als Trainer immer wie die eines Kino- oder Thea­ter­re­gis­seurs auf­ge­fasst. Es gibt den, der die Dramen oder Par­ti­turen schreibt, und dann gibt es den Regis­seur oder Diri­genten. Wenn ein Trainer sagt, dass vor allem die Spieler wichtig sind, dann möchte ich ihn am liebsten fragen: Was sollen die Spieler Ihrer Mei­nung nach machen? Und wofür erhalten Sie eigent­lich Ihr Mil­lio­nen­ge­halt?

Stimmt es, dass Sie schon vor Ihrer Zeit bei Milan auf­hören wollten, als Trainer zu arbeiten?
Als ich 1985 nach meiner Zeit bei Rimini Calcio zum AC Parma ging, habe ich gesagt, ich mache eine Saison, und danach höre ich auf.

Warum?
Ich konnte den Stress nicht mehr so ein­fach weg­ste­cken. Aber dann stiegen wir in die Serie B auf, und ich dachte: Ach, ich schaffe noch eine Saison.“ Danach kam Milan.

Das Sie im Pokal mit Parma, damals noch zweit­klassig, sen­sa­tio­nell geschlagen hatten.
Bis ich zu Milan kam, war das Ziel immer der Klas­sen­er­halt. Und bei Milan ging es darum, ob wir unter den ersten zwei oder den ersten vier sind. 1988 gewannen wir mit Milan die Meis­ter­schaft und zogen in den Euro­pa­pokal der Lan­des­meister ein. Da dachte ich wieder: Den mache ich noch, und danach reicht es.“ Aber es lief wei­terhin gut. Als wir 1990 den zweiten Euro­pa­pokal gewannen, sagte ich dem Prä­si­denten, dass ich gehe. Er ant­wor­tete: Gehen Sie nach Hause, und erholen Sie sich ein paar Tage.“ Nach zehn Tagen hatte er mich zum Bleiben über­redet, aber ich war da schon wie aus­ge­presst. Ich habe 1973 ange­fangen und bis 2001 trai­niert. Wir spre­chen hier von 28 Jahren, in denen ich nie gefeuert wurde und nie abge­stiegen bin.

Der schöne Fuß­ball hat mich inspi­riert“

Sie haben viele große Trainer inspi­riert wie Jürgen Klopp, Carlo Ance­lotti oder Pep Guar­diola. Wer hat Sie inspi­riert?
Nicht wer, son­dern was: der schöne Fuß­ball. Ich habe mir auch Bas­ket­ball und Rugby zur Inspi­ra­tion ange­sehen, aber als Kind war ich ver­rückt nach Real Madrid mit Alfredo Di Ste­fano, Ferenc Puskas, José San­ta­maria. Und ich war ver­rückt nach der Seleçao, die 1958 in Schweden Welt­meister wurde. Danach gab es einen epo­chalen Wandel durch die Nie­der­länder. Der Fern­seher war zu klein für so ein großes Phä­nomen. Ajax hat ange­fangen, Milan ist gefolgt, Guar­diola hat mit Bar­ce­lona wei­ter­ge­macht. Ich glaube, dass sich der Fuß­ball dank Guar­diola, Sarri, Ance­lotti, Klopp und anderen ent­wi­ckelt.

Sie haben nicht nur das Niveau ihrer Teams ver­bes­sert, son­dern auch das Niveau der Ligen, in denen sie aktiv sind.
Den Wandel der Nie­der­länder hat auch Johan Cruyff her­bei­ge­führt. Er spielte für Ajax und Bar­ce­lona.

War er der ideale Spieler?
Nicht nur er, auch Alfredo Di Ste­fano. Der ideale Spieler ist ein intel­li­genter und beschei­dener Mensch, der einen Blick für die Mann­schaft und Arbeits­ethos besitzt. Der selbstlos ist, Lei­den­schaft und Enthu­si­asmus hat, der die ganze Zeit mit und für die Mann­schaft auf dem ganzen Platz spielt. Wenn er dann noch Talent hat, umso besser. So einer war also Di Ste­fano. Er baute Mann­schaften, mehr noch, er war die Mann­schaft. Er war jemand, der die anderen inspi­rierte und der mit großem Talent auf dem ganzen Platz für und mit der Mann­schaft spielte. Die Stärke von Spie­lern wie Johan Cruyff oder Alfredo Di Ste­fano war es, immer eine Sekunde schneller zu sein als der Gegen­spieler.