Der FC Bayern gewinnt das Spitzenspiel gegen Borussia Dortmund mit 3:2. Doch die Partie zeigt: Die Meisterschaft ist spannend. Fünf Thesen zum Spitzenspiel.
Ein Satz mit X – das war wohl nix! Diese Weisheit dürfte Anhängern von Borussia Dortmund nach dem Spiel gegen Bayern München durch den Kopf gegangen sein. Bereits zum vierten Mal in Folge verlor der BVB das Spitzenspiel der Bundesliga. Dennoch kann der BVB aus dieser Partie Hoffnung schöpfen, denn chancenlos war er keineswegs. Fünf Thesen zum Aufeinandertreffen der Platzhirsche.
Mut, Risiko, Wille: Diese Worte waberten vor dem Spitzenspiel durch Dortmund. Besonders Hans-Joachim Watzke forderte die Dortmunder Mannschaft auf, gegen den Rekordmeister offensiv aufzutreten. Dortmund müsse den Gegner „in der Höhe oder der Prozentzahl des Wollens übertreffen“ – wie auch immer man Wollen messen mag.
Lucien Favre zeigte sich von dieser Vorgabe unbeeindruckt. Er blieb sich treu. Das bedeutete, dass er zunächst eine eher defensive Doppelsechs auf das Feld schickte. Thomas Delaney startete im zentralen Mittelfeld neben Axel Witsel. Gerade in der ersten Halbzeit ging es Dortmund darum, im eigenen 4−4−1−1 defensiv kompakt zu stehen. Das korrekte Verschieben im Raum war den Dortmundern wichtiger als ein offener Schlagabtausch mit den Bayern. Favre bleibt eben Favre.
Dennoch war der Matchplan des Dortmunder Trainers keineswegs schlecht. Favre hatte seiner Mannschaft Mittel und Wege mitgegeben, die Bayern zu knacken. Die große Stärke des Rekordmeisters ist das Pressing. Das hohe Anlaufen war ein Schlüssel auf Münchens Weg zum Triple-Sieg. Mit drei oder teils vier Mann laufen sie den Gegner weit in dessen Hälfte an, provozieren Ballgewinne und schließen daraufhin schnell ab.
Dortmund versuchte gar nicht erst groß, sich gegen das Bayern-Pressing spielerisch zu befreien. Stattdessen wählten sie früh den langen Ball. Der BVB spielte über siebzig lange Bälle. Damit lagen sie deutlich über ihrem Saisonmittel von 50 langen Schlägen.
Diese langen Bälle spielten sie allerdings nicht planlos. Häufig lockten sie die Bayern auf eine Seite, um dann mit einem langen Diagonalball das Spiel zu öffnen. Dazu schalteten sich die Dortmunder Außenverteidiger häufig in das Angriffsspiel ein. Mitte der ersten Halbzeit machten die Bayern den Dortmundern das größte Kompliment, was sie machen können: Sie stellten das hohe Pressing ein – und verzichteten damit auf ihre größte Stärke.
Abnehmer der langen Diagonalbälle war meist Raphael Guerreiro. Dortmunds Linksverteidiger schaltete sich bei jedem Angriff mit ein. Er war an acht Dortmunder Torschüssen direkt beteiligt – ein schier aberwitziger Wert für einen Außenverteidiger.
Er profitierte davon, dass die Bayern auf dieser Seite schwächelten. Bouna Sarr übernahm die Rechtsverteidiger-Position, doch ihm fehlte sowohl die offensive Wucht als auch die defensive Sicherheit. Guerreiro konnte sich vorne austoben, ohne Angst haben zu müssen, defensiv Lücken zu hinterlassen. Der Portugiese bereitete beide Dortmunder Treffer vor.
Für die Bayern war es über weite Strecken ein ungewöhnliches Spiel. Während sie in der ersten Halbzeit noch ihr typisches Ballbesitzspiel durchzogen, agierten sie gerade nach der Pause passiv. Durch die verletzungsbedingte Auswechslung von Joshua Kimmich verloren sie zudem ihren Strategen im Mittelfeld. Das spürte man insbesondere an der fehlenden Spielkontrolle. Die Bayern schenkten viele Bälle her, sie luden damit den Gegner zu Kontern ein.
Tatsächlich hatten die Dortmunder in der zweiten Halbzeit die deutlich besseren Chancen, die Torwahrscheinlichkeit ihrer Abschlüsse war signifikant höher. Und doch waren es die Bayern, die mit zwei Toren das Spiel für sich entschieden. Das lag nicht zuletzt an Robert Lewandowski: Sein Kopfball aus fast unmöglicher Position brachte die Bayern kurz nach der Pause in Führung, obwohl sie eigentlich schwankten gegen das nun höhere Pressing der Dortmunder. Wohl dem, der einen Lewandowski im Kader hat.
Als Zyniker ist man fast geneigt, die Saison für beendet zu erklären. Wer soll die Bayern denn auch noch stoppen? Selbst einem starken BVB gelang es nicht, die Siegesserie der Bayern zu brechen.
Und doch: Es gibt Anzeichen dafür, dass die Bayern nicht mehr ganz so dominant auftreten wie noch vergangene Saison. Gerade in der Schlussviertelstunde erarbeitete sich der BVB ein Übergewicht. Nach den offensiven Wechseln der Dortmunder wankten die Bayern, besonders mit dem quirligen Mittelfeld-Läufer Jude Bellingham kamen sie nicht zurecht. Am Ende waren es die Dortmunder, die aufgrund mangelnder Chancenverwertung den Sieg liegen ließen.
Die Saison ist lang und aufgrund der Termindichte extrem belastend für die Bayern. Das spürte man selbst im Spitzenspiel. In den letzten 15 Minuten hatte der BVB einen konditionellen Vorteil. Die Verletzung von Kimmich vergrößert indes die Sorgen der Bayern. Ihnen fehlt nun im Mittelfeld ein Akteur, der das Spiel beruhigt. Gegen Dortmund mögen sie keine Punkte liegen gelassen haben. Aber das kann sich ändern.
Die Frage wird sein: Wird Dortmund da sein, wenn die Bayern Fehler machen? Im direkten Vergleich gelang ihnen das nur unzureichend. Doch die Meisterschaft entscheidet sich nicht in einem Spiel.