Im Oktober 1990 outet sich Justin Fashanu als erster Fußballprofi öffentlich. Im Mai 1998 nimmt er sich das Leben. In seinem Abschiedsbrief schreibt er: „Schwul und eine Person des öffentlichen Lebens zu sein, ist hart.“
Dann kam der 22. Oktober 1990, ein Tag, der ganz England in Wallung versetzte. Die englische Boulevardzeitung „Sun“ veröffentlichte eine Geschichte über Justin Fashanu. Auf der Titelseite prangte sein Foto, daneben in fetten Buchstaben die Schlagzeile: „Eine Million teurer Fußballstar: ‚Ich bin schwul!‘“ Er habe schon länger mit dem Gedanken eines Coming-outs gespielt, sagte er später. Im Oktober 1990 fasste er den Entschluss, weil sich ein Freund umgebracht hatte, nachdem er aufgrund seiner Homosexualität von der eigenen Familie ausgeschlossen worden war. „Ich dachte, wenn ich mich in der schlimmsten Zeitung oute und dann stark bleibe, gäbe es nichts mehr, was noch zu sagen wäre“, sagte er. Die Zeitung zahlte allerdings auch gutes Geld für die Geschichte, Fashanu erhielt 80.000 Pfund.
„Mein schwuler Bruder ist ein Ausgestoßener!“
Sein Bruder John hatte ihn zuvor angefleht, seine Homosexualität nicht öffentlich zu machen. Er bot ihm ebenfalls 80.000 Pfund dafür, wenn er die Geschichte bei der „Sun“ zurückziehen würde. Nach der Story äußerte er sich auch öffentlich. In einem Interview mit „The Voice“, einer Wochenzeitung der afrikanisch-karibischen Community Englands, sagte er: „Mein schwuler Bruder ist ein Ausgestoßener!“
Fashanu irrte, wenn er glaubte, dass nichts mehr zu sagen wäre. Es folgte eine schier endlose Serie in der „Sun“. Der Spieler berichtete in langen O‑Tönen von Sex mit Popstars, Schauspielern, Mitspielern oder Abgeordneten des britischen Parlaments. Dafür ließ er sich sogar vor dem House of Commons ablichten. Er sagte Sätze wie „25 Prozent meiner Fußball-Kollegen sind schwul“ oder „Im Fußball ist einer AIDS-Infektion Tür und Tor geöffnet“. Er äußerte sich im Radio, in TV-Talkshows, er posierte für Frauen- und für Schwulenmagazine, überall.
Er verdiente gut, denn für jede neue Story gab es Geld. „Doch das Schloss ist auf Sand gebaut“, sagte sein Bruder. Er meinte damit einerseits die finanzielle Unsicherheit, denn Justin dachte nicht daran, sein Geld anzulegen. Er meinte damit auch die Selbstwahrnehmung.
„Ich habe gelogen, um an leichtes Geld zu kommen“
Justin Fashanu genoss es – wie damals nach seinem Tor – im Rampenlicht zu stehen. Er genoss es, denn er vermutete, dass ihn die Leute als Pionier und Kämpfer sahen, als jemand der die verkrusteten Denkmuster der englischen Gesellschaft aufbrach. Tatsächlich war dafür kaum jemand bereit. Vielen missfiel sein Drang nach Öffentlichkeit. Sogar die afrobritische Community kritisierte ihn für sein Auftreten, und Mitspieler sprachen offen davon, dass Homosexualität nicht zum Teamsport passe.
Freunde, Bekannte und sein Bruder wandten sich spätestens zu dem Zeitpunkt ab, als sich verschiedene Geschichten als Lüge entpuppten. 1994 musste Justin Fashanu etwa öffentlich zugeben, dass er den Abgeordneten Stephen Milligan, mit dem er angeblich ein Verhältnis gehabt habe, gar nicht kannte. „Ich habe gelogen, um an leichtes Geld zu kommen“, sagte Fashanu. Danach ließ das Interesse an seiner Person nach.
Fashanu wechselte wieder Wohnsitze und Vereine, er spielte in Neuseeland, Schweden und Schottland. Nirgendwo blieb er länger. Die Hearts of Midlothian entließen ihn, weil Fashanu „dem Verhalten eines professionelles Fußballers nicht würdig“ gewesen sei. So vermeldeten es jedenfalls die Nachrichtenagenturen. Der Verein informierte hingegen, dass der Spieler gefeuert wurde, weil er zwei Tage nicht zum Training erschienen sei.