Maurizio Sarri ist neuer Trainer des FC Chelsea. Vor fünf Jahren wäre das undenkbar gewesen. Da arbeitete er noch in der Versenkung des italienischen Fußballs. Und legte den Grundstein dessen, was Pep Guardiola ein „Spektakel“ nennt.
Für die Neapolitaner ist Diego Maradona alles andere als ein Held. Er ist ein Heiliger. Egal was sich „El Pibe“ vor, während und nach seiner glorreichen Zeit bei der „Società Sportiva Calcio Napoli“ an Skandalen geleistet hat — für die Tifosi blieb und bleibt Maradona auf ewig ein Synonym göttlichen Glücks. Und ein Idol, dessen Wort Gewicht hat. Demnach hätte Neapels Trainer Maurizio Sarri zu Beginn seiner Tätigkeit also allen Anlass zur Sorge haben müssen, da San Diego nach nur drei Spieltagen und einem kümmerlichen Punktgewinn im Sommer 2015 urteilte: „Er ist der falsche Trainer für Neapel. Ich fürchte, unter ihm werden sie gegen den Abstieg kämpfen.“ Die Antwort des Abgekanzelten: „Diego kann sagen was er will. Er wird immer mein Idol bleiben.“
Ein Satz, den man ihm als strategisches Kalkül auslegen könnte. Es ist selten schlau, sich mit vermeintlichen Göttern anzulegen. Bei Maurizio Sarri allerdings kann man davon ausgehen: Der Mann meinte tatsächlich, was er sagte. Geboren am Fuße des Vesuv, Fan des SSC von Kindesbein an und von Haus aus mit Demut gesegnet.
Ein respekteinflößender Innenverteidiger
Als Spieler schafft er es nie über den Amateur-Fußball hinaus. Ein Probetraining beim AC Turin, eines beim AC Florenz — ohne Erfolg. Über sich selbst sagt er: „Ich war ein rustikaler, respekteinflößender Innenverteidiger mit wenig fußballerischem Talent.“ Angeblich so rustikal, dass die gegnerischen Stürmer vor Spielen gegen Sarris Mannschaften Spontan-Verletzungen erlitten. Nur um nicht gegen ihn antreten zu müssen. Dennoch: Es ist an der Zeit für Plan B.
Also beginnt Sarri für die „Banca Monte di Paschi“ in Siena zu arbeiten. Eines der größten Kreditinstitute Italiens und die älteste noch bestehende Bank der Welt. Und wenn er nicht gerade für längere Zeit in London, Frankfurt oder Luxemburg im Einsatz ist, trainiert er sich einmal quer durch den Amateur-Fußball in der Toskana. Die Städte, deren Klubs er anleitet, lesen sich nicht nur wie die böhmischen Dörfer des tiefsten italienischen Vereinsfußballs, sie sind es auch: Stia, Faellese, Cavriglia, Antella, Valdema, Tegoleto.
Nur nicht die Fehler des Vaters wiederholen
Und so braucht er satte zehn Jahre, ehe er im Jahr 2000 beim AC Sansovino angekommen ist — in der sechsten Liga. Drei weitere Jahre später hat Sarri den Verein in die vierte Liga geführt. Schon da ist seine absolute Besessenheit zu erkennen. Sie nennen ihn „Mister 33“, nach der Anzahl an Standardsituationen, die er seiner Mannschaft angeblich eingebläut hat. Einem Sechstligisten. Aber, so Sarri, 40 – 50 Prozent aller Tore im Fußball fallen nunmal nach Standards. Der Erfolg gibt ihm Recht und verleitet ihn dazu, eine Entscheidung zu fällen: von nun an alles auf die Trainer-Karte. Fußball nicht mehr nur nebenbei, als Hobby, sondern als Lebensinhalt.
Denn „Fußball ist der einzige Job, den ich auch umsonst machen würde“, so Sarri. Er muss es wagen. Alles andere hätte er sich nie verzeihen können. Allein schon wegen seines Vaters. Der gewann in seiner Jugend ein Amateur-Radrennen nach dem nächsten, ehe er 1960 das Angebot erhielt, den Sprung zu den Profis zu wagen, und die Tour de France zu fahren. Damals wie heute das größte Rennen der Welt; die Serie A des Radsports. Sarri Senior sagte ab, und begann stattdessen beim Stahl-Giganten Italsider als Kranfahrer zu arbeiten. Eine Entscheidung, die er sein Leben lang bereuen wird.