Kaum einer grätschte sich mit solcher Hingabe über die Fußballplätze dieser Welt wie Gennaro Gattuso. Nun kehrt er als Neapel-Trainer auf die europäische Fußball-Bühne zurück. Zeit für einen Blick auf seine ausdrucksstärksten Tacklings und seine emotionalsten Momente.
Diese Ausführung der von Gattuso so geliebten Grätsche kratzt dank dessen Habitus und Haltung an der Perfektion. Gäbe es kein leidendes Gegenüber, so könnte man fast davon ausgehen, die Szene sei eigens für den Grundkurs Bleistiftzeichnung an der Volkshochschule geschaffen worden.
Eine seiner Kernkompetenzen – die eigene Unschuld eindrucksvoll gestisch und mimisch zu unterstreichen – besaß Gattuso bereits in jungen Jahren.
Und so beherrscht der Meister der Dramatik natürlich auch heute noch das Einmaleins der typisch italienischen Gebärden aus dem Effeff. Das fasziniert auch Spanier Pepe Reina.
Anders als Mark van Bommel, der sich einst von Oliver Kahn bei einer ähnlichen Jubelei die Nase brechen ließ, blieb der Riecher von Milan-Urgestein Massimo Ambrosini unversehrt. Doch während Ambrosini der ganzen Aktion nur recht zaghaft etwas abgewinnen konnte, legte Gattuso genau die Freude an den Tag, die ein Erstgeborener dabei verspürt, wenn er seinen kleinen verwöhnten Bruder malträtiert.
Wie gut, dass das italienische Kraftpaket seine Mitspieler auch hin und wieder mit kleineren Zärtlichkeiten für die Zusammenarbeit belohnt. Zuckerbrot und Peitsche!
Dass für Gegenspieler allerdings letzteres eher der Peitschen-Teil von Gattusos Credo galt, musste auch der damals wohl beste Fußballer der Welt leidvoll erfahren.
Beim Champions-League-Spiel zwischen Olympique Lyon und seinem AC Milan wirbelte der beinharte Mittelfeldspieler den Brasilianer Fred ordentlich durch die Lüfte. Doch natürlich wäre Gattuso nicht Gattuso, wenn er nicht noch während Freds Flugstunde seine Unschuld damit bekundet, seine Arme möglichst weit vom Körper wegzustrecken.
Welch katapultartige Fähigkeiten Gattuso besitzt, machte er bereits im Hinspiel des Viertelfinals 2006 deutlich. Während der spätere Weltklasse-Linksaußen Florent Malouda branchenüblich zum Kopfballduell abhebt, räumt Gattuso einfach die untere Etage ab.
Natürlich kann der Mann auch anders. Dann zum Beispiel, wenn er die Chance hat, seinen Kontrahenten auf Brusthöhe entgegen zu springen, wie hier etwa Milan Baros.
Die Partie zwischen den Bayern und Milan war nicht nur ein Duell zweier Giganten, sondern auch das zwischen der Kniescheibe Salihamidzics und der Schädeldecke Gattusos.
Etwas weniger ausdrucksstark, aber nicht weniger effektiv grätschte Gattuso im Duell zwischen Milan und Manchester United den noch pubertierenden Wayne Rooney ab.
Als bekennender Freund der offenen Sohle offenbarte sich der Italiener schon zu Zeiten, in denen Claudio Pizarro noch als Stürmer für den FC Bayern auflief.
Mindestens ebenso exemplarisch für Gattuso wie seine Zweikampfführung war seine Liebe zur ausgedehnten Rudelbildung. Ideal natürlich, wenn beim Stadtrivalen ein gewisser Dejan Stankovic spielt, der für den ein oder anderen konstruktiven Austausch zur Verfügung steht.
Und während andere Aggressive Leader mit voranschreitenden Alter immer milder mit ihren Gegner umgehen, drehte der Italiener im Spiel gegen Tottenham Hotspur noch mal so richtig auf. Weil er über die komplette Partie weniger durch seine spielerische Klasse als vielmehr durch seine große Streitlust auffiel, geriet er zunächst mit Peter Crouch aneinander…
…um sich wenig später mit dem Co-Trainer von Harry Redknapp zum kleinen Tete-a-Tete an der Seitenlinie zu treffen.
Und weil sich der kleine Italiener fleißig in seine Emotionen hinein steigerte, gab er schließlich auch nach der Partie sein letztes Hemd dafür, die ganzen Feierlichkeiten mit den Fäusten beenden zu dürfen.