Wir bauen unsere Seite für dich um. Klicke hier für mehr Informationen.

Man kennt solche Szenen von Abschieds­spielen großer, ver­dienter Fuß­baller. Wenn sie am Ende ihrer Kar­riere noch einmal andere große und ver­diente Spieler her­bei­rufen, die ihnen in den Jahren über den Weg gelaufen sind. Die gela­denen Gäste unter­nehmen in diesem hüb­schen Abschieds­spiel aber auch alles, um den Einen noch ein biss­chen größer und ver­dienter aus­sehen zu lassen. Kurz, sie legen ihm den Ball so vor, dass eigent­lich nichts anderes als ein Tor dabei raus­springen kann.

Die Chance von Bor­deaux

Bas­tian Schwein­steiger bot sich so ein Moment im Elf­me­ter­schießen des Vier­tel­fi­nals, als sich das ita­lie­ni­sche Tor vor ihm öff­nete wie ein kolos­saler Tri­umph­bogen. Er war der fünfte und letzte deut­sche Schütze. Trotz der Fehl­schüsse von Thomas Müller und Mesut Özil hatte Manuel Neuer seinem alten Bayern-Kol­legen die Mög­lich­keit erhalten, mit einem ein­zigen Schuss einen his­to­ri­schen Sieg über Ita­lien zu besie­geln und die Nacht von Bor­deaux zu seiner ganz per­sön­li­chen Erfolgs­ge­schichte zu machen. Schwein­steiger lief an, schoss – und traf das Tor nicht.

Mit einem Tag Abstand lässt sich diese Geschichte sehr viel leichter erzählen, weil sie trotz Schwein­stei­gers Wol­ken­schuss noch einmal gut aus­ge­gangen ist für die deut­sche Elf, die nun im Halb­fi­nale steht. Und ja, es sind in der langen Geschichte großer Tur­niere schon ganz andere große und ver­diente Spieler am Elf­me­ter­punkt geschei­tert. Aber es war ein selten schlecht geschos­sener Straf­stoß, den Schwein­steiger abfeu­erte, viel schlechter als sein Pfos­ten­schuss im Cham­pions-League-Finale 2012.

Nicht schon wieder Elf­me­ter­schießen

Es sprach für Schwein­steiger, dass er hin­terher einen Treffer lan­dete. Wo wir einen Vor­teil haben, ist eben, dass wir den besten Tor­hüter auf unserer Seite haben, den es auf der Welt gibt. Das hat man heute wieder gesehen“, sagte er nach dem wilden Wett­schießen. Hoffen wir mal, dass wir das nächste Spiel nicht wieder im Elf­me­ter­schießen gewinnen müssen.“

Und hoffen wir auch mal, dass Bas­tian Schwein­steiger über­haupt noch ein paar Minuten drauf­pa­cken kann auf seine bisher bei dieser EM 104 gespielten Minuten. Wie am Sonntag bekannt wurde, hat sich der Kapitän bei einem Schlag auf die Innen­seite seines in diesem Jahr schon zweimal ver­letzten rechten Knies eine Außen­band­zer­rung zuge­zogen. Beim eben­falls ver­letzten Sami Khe­dira, für den Schwein­steiger ja gekommen war, wurde zudem eine Adduk­to­ren­blessur im linken Ober­schenkel fest­ge­stellt. Aller­dings ver­brei­tete der DFB durchaus die Hoff­nung, noch einmal auf die beiden zurück­greifen zu können. Oder wenigs­tens auf einen.

Biss­chen rein­ge­ar­beitet“

Schwein­steiger, der bis dahin bei diesem Tur­nier gerade mal 38 Minuten auf dem Rasen gestanden hatte, ersetzte Khe­dira am Samstag mit Würde und Anstand. Er hat sich so ein biss­chen rein­ge­ar­beitet“, sagte Joa­chim Löw hin­terher.

Dem Bun­des­trainer darf eine spe­zi­elle Anhäng­lich­keit zum bald 32-Jäh­rigen nach­ge­sagt werden. Nach dem WM-Tri­umph von Rio hatte er ihn zum Nach­folger von Philipp Lahm als Kapitän ernannt. Nur fand Schwein­steiger seitdem kaum statt. Er fiel immer öfter und länger aus. Bei Man­chester United spielte er in diesem Jahr eine Neben­rolle, Schwein­steiger stand am 2. Januar das letzte Mal in Uniteds Start­for­ma­tion.

Schwein­stei­gers Spe­zi­al­ge­biet

Früher wäre Bas­tian Schwein­steiger wie gemacht gewesen für solche Abnut­zungs­spiele gegen Ita­lien, für solche Schlachten“, wie Löw es sagte. Dieses Mal war er keine prä­gende Figur. Er hatte 89 Ball­kon­takte, spielte 73 Pässe, meist quer oder zurück. Seine Zwei­kampf­quote betrug für einen zen­tralen, defen­siven Mit­tel­feld­spieler mit­tel­präch­tige 33 Pro­zent, er spielte dreimal Foul und wurde einmal selbst gefoult. Auch seine Bewun­derer werden gesehen haben, dass das Spiel im Wesent­li­chen an ihm vor­beizog. In der Rück­wärts­be­we­gung hielt Schwein­steiger kaum einen Angriff der Ita­liener auf, im Vor­wärts­gang wurde er von seinen Mit­spie­lern selten gesucht und ange­spielt.

Er hat das Spiel schon auch beru­higt“, hat Löw dann noch gesagt. Dass er gerade für solche Spiele einen wie Schwein­steiger brauche, hatte der Bun­des­trainer schon gesagt, als er zur Ver­wun­de­rung vieler den Veteran trotz feh­lender Spiel­praxis in den EM-Kader berief.

Es hat nicht so viel gefehlt, und Schwein­stei­gers ver­schos­sener Elf­meter hätte das deut­sche EM-Aus und wohl auch das Ende seiner Natio­nal­mann­schafts­kar­riere bedeutet. Es geht ja weiter. Ich hab schon auch immer noch Ver­trauen“, ant­wor­tete er auf eine ent­spre­chende Frage. Dann ging er. Wie viel Ver­trauen wirk­lich noch übrig ist, wird sich zeigen. Joa­chim Löw sprach am Montag-Vor­mittag davon, Ver­än­de­rungen“ vor­zu­nehmen und Lösungen für die Pro­bleme zu finden. Eimn Pro­blem heißt Bas­tian Schwein­steiger, dessen Ein­satz gegen Frank­reich in den Sternen steht.

Wie sein eigenes Denkmal

Ein biss­chen spielte Schwein­steiger in Bor­deaux wie sein eigenes Denkmal, wie er so im Raum stand. Der eiserne Gustav sozu­sagen. Im gleich­na­migen Drama spielt Heinz Rüh­mann einen alternden Drosch­ken­kut­scher, über den die Moderne hin­weg­zieht und dessen Reise nach Paris unbe­achtet bleibt. Aber der dann doch – in Berlin zurück – begeis­tert emp­fangen wird. Viel­leicht führt auch Schwein­stei­gers Weg über das Finale von Paris zur Feier nach Berlin. Ver­dient hätte er es irgendwie schon – zum Abschied.