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Fuß­ball­idole sind Pro­jek­ti­ons­flä­chen. Größer als das Uni­versum, tiefer als der Maria­nen­graben. Rudi Völler hat früh ver­standen, dass es nur böse enden kann, wenn er anfängt, sich allzu viel Gedanken dar­über zu machen, was die Leute in ihm, dem zurück­hal­tenden Dre­her­sohn aus Hanau, sehen könnten. Also ließ er es bleiben und kon­zen­trierte sich ganz aufs Wesent­liche: aufs Tore­schießen. Die Fähig­keit, alle Neben­ge­räu­sche des Pro­fi­ge­schäfts auf­zu­blenden, machten aus ihm einen Welt­meister, einen Tor­schüt­zen­könig in diversen Spiel­klassen, einen Cham­pions-League-Sieger.

Wie ein Mofaro­cker an der Schieß­bude düpierte er schon früh die geg­ne­ri­schen Keeper. Völler war ein Fließ­band­ar­beiter in Sachen Maschen. Wie beim Schei­ben­schießen – peng, peng & peng! Allein in seinen ersten 100 Spielen für den SV Werder traf er unglaub­liche 73 Mal. Wenn es ein typi­sches Völler-Tor gibt, dann ist es diese synko­pi­sche Rechts-Links-Kom­bi­na­tion, die sein Kopf vollzog, wenn der Ball halb­hoch in den Straf­raum segelte und er mit der vollen Über­zeu­gung des Straf­raum-Ver­mes­sers in leichter Rück­lage Ja!“ sagte – und mit einer Dynamik ein­nickte, die andere Profis höchs­tens beim Spann­schuss ent­wi­ckelten.

Und weil er nicht redete, son­dern machte, weil er nicht – wie etwa sein lang­jäh­riger Natio­nalelf-Weg­be­gleiter Lothar Mat­thäus – ver­suchte, schlauer daher­zu­kommen als er ist, wurde ihm neben bedeu­tenden Titeln die wohl größte Ehre zuteil, die einem Fuß­baller zuteil werden kann: Völler wurde zur Marke. Der ganze Stolz des Trade­marks Made in Ger­many“. Und schon bald Eigentum des Volkes. Völler wurde, ist und bleibt wohl auf ewig: Ruuudi. Der Pro­totyp. Das Unikat. Wird nicht mehr gebaut. Der Ein’n Rudi Völler“.

Völler weckte bei allen Beschüt­zer­instinkte

Im deut­schen Fuß­ball gibt es außer ihm nur drei lebende Exem­plare dieser sel­tenen Spe­zies. Uns Uwe, Poldi, Schweini. Typen, hinter denen sich die ganze Nation ver­sam­meln kann. Spieler, die selbst bei Fans anderer Klubs auto­ma­tisch Beschüt­zer­instinkte wecken.

Klaus Augen­thaler kann ein Lied davon singen. Nachdem er im Liga-Spiel 1985 in Mün­chen den durch­star­teten Völler rasierte und sich dieser im Sink­flug einen Adduk­to­ren­ab­riss zuzog, der ihn fünf Monate außer Gefecht setzte, bekam der Bayern-Ver­tei­diger rei­hen­weise Mord­dro­hungen. Bis heute will Augen­thaler nicht über den Vor­fall spre­chen, der ihn zu einem der meist­ge­hassten Deut­schen in dieser Zeit machte und das Ver­hältnis zwi­schen dem SV Werder und den Bayern auf Jahre ver­gif­tete. Auch Frank Rij­kaard hatte sich den Fal­schen aus­ge­sucht, um einem Gegen­spieler im WM-Ach­tel­fi­nale 1990 mit seinem Spei­chel das Haupt­haar zu benetzen. Kohler, Mat­thäus, Bert­hold, Ill­gner, das wäre viel­leicht noch gegangen. Aber Ruuudi?! Wie kann man nur!

Zwei Unsport­lich­keiten, zwei­fels­ohne, aber zu Skan­dalen von his­to­ri­schen Aus­maßen wurden sie erst, weil das Opfer in beiden Fällen Völler hieß, der Inbe­griff des allü­ren­freien Sports­manns.

Wie eine Bau­markt-Kas­sie­rerin aus der säch­si­schen Pro­vinz

Auch nach seiner aktiven Kar­riere erhielt er sich den freund­li­chen Zauber des Idols aus der Nach­bar­schaft. Natio­nal­coach Erich Rib­beck wurde nach dem Vor­run­denaus bei der EM 2000 geprü­gelt, als hätte es den Status des Sirs“ nie gegeben. Als Team­chef Rudi Völler 2004 der­selbe Faux-Pas unter­lief, schlen­derte er schul­ter­zu­ckend in die Kurve und kaum dort ange­kommen skan­dierten die deut­schen Fans bereits: Ein’n Rudi Völler…“. Von einem Denkmal wie Ruuudi blät­tert selbst die tris­teste Schmach wie ein Spritzer tro­ckener Tau­benkot ab.

Er hat es clever gemacht. In seiner aktiven Zeit wurden kei­nerlei Eska­paden, keine gei­fernde Bes­ser­wis­se­reien von ihm akten­kundig. Ein Grund für seine bestän­dige Boden­haf­tung war Otto Reh­hagel, dem es gelang, als Bremer Spi­ritus Rector selbst Canaillen von beson­derer Güte­klasse (z.B. Uli Borowka) im Zaum zu halten. Von ihm ließ sich Völler gern zum Welt­star schleifen. Die ein­zige Extro­ver­tiert­heit, die er sich in seinen 19 Pro­fi­jahren gönnte, war der pudel­ar­tige Minipli, den er in spä­teren Jahren gräu­lich tönte, was ihn trotz (oder gerade wegen) seines fest­geta­ckerten Ober­lip­pen­barts wie eine Bau­markt-Kas­sie­rerin aus der süd­säch­si­schen Pro­vinz aus­sehen ließ. Mit­spieler for­mu­lierten es etwas char­manter – und machten ihn aus einer Laune heraus zu Tante Käthe.