Eine Diva nannten ihn seine Gegner. „Le Chef“ seine Anhänger. Heute wird er 50 Jahre alt. Zum Geburtstag: eine Ode auf den charismatischsten Franzosen der Ligageschichte.
Als Werder Bremen 2002 einen Franzosen namens Johan Micoud verpflichtete, da sprach der diesen Satz: „Mich fasziniert die Freiheit des Geistes.“ Und bei Werder Bremen war plötzlich alles anders.
Der Transfer von Johan Micoud, am 24. Juli 1973 in Cannes geboren, war in vielerlei Hinsicht der Beginn einer neuen Zeitrechnung an der Weser. Langsam, ganz langsam, versuchte sich das Manager/Trainer-Duo Klaus Allofs/Thomas Schaaf aus den Fesseln der Langeweile zu befreien, die Schaafs Vorgänger Aad de Mos, Dixie Dörner, Wolfgang Sidka und Felix Magath dem Verein angelegt hatten. Aber Werder hatte kein Geld und entsprechend wenig Möglichkeiten, kreative Neulinge nach Bremen zu locken.
Micoud zu Werder – was für ein Geschäft!
Mit der Verpflichtung von Johan Micoud erwiesen sich Schaaf und Allofs als kongeniale Mischung aus Menschenfänger und Überzeugungstäter. Beim AC Parma versauerte Micoud auf der Ersatzbank, es schmeichelte seinem Ego, als ihm plötzlich diese beiden Bremer Honig ums Maul schmierten. Allofs sprach auf französisch mit Micoud und erwies sich als weltgewandter und kultivierter Gesprächspartner. Das beeindruckte den Franzosen genauso wie die fachlichen Qualitäten von Thomas Schaaf. Werder Bremen, warum nicht? Micoud kam. Und er kam ablösefrei. Was für ein Geschäft. Das gewonnene Selbstvertrauen aus diesem Transfer sollte Allofs/Schaaf in den kommenden Jahren zu vielen weiteren großen und kleinen erfolgreichen Deals motivieren.
„Mich fasziniert die Freiheit des Geistes“ – Micoud erwies sich nicht nur aus finanzieller Sicht als sehr gute Idee. Mit seiner Vorstellung von Fußball als kreatives Konstrukt von Kraft und Spielwitz, Eleganz und Effizienz infizierte der Franzose schnell der ganzen Mannschaft. Die war schlau genug, ihn als Anführer und Regisseur zu akzeptieren, denn das braucht ein so hochtalentierter wie sensibler Spieler wie er: Vertrauen, Zuneigung, vielleicht auch Unterwürfigkeit.
Die anderen schossen und köpften – Micoud dachte
Das machte sich bezahlt: Von der Saison 2002/03 an spielte Werder Bremen plötzlich anders. Aufregender, unberechenbarer, schöner. Heute ist diese Spielweise schon wieder längst veraltet, keine Spitzenmannschaft der Welt vertraut auf nur einen Spielmacher, die Kreativität strömt aus ganz unterschiedlichen Richtungen in die gegnerische Hälfte. Aber damals war das durchaus noch en vogue. Kein Angriff, der nicht von Micoud ausgedacht und eingeleitet wurde. Die Mannschaft rannte und grätschte, sie passte und flankte, sie schoss und köpfte – aber denken tat Johan Micoud.
Die überraschende Verpflichtung, der Einfluss auf die Mannschaft, alles schön und gut. Aber was die Personalie Micoud wirklich so faszinierend machte, war das Erdbeben, dass der Spielmacher auf den Tribünen auslöste.
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