Wir bauen unsere Seite für dich um. Klicke hier für mehr Informationen.

Mathias Opden­hövel bewies einen wirk­lich guten Rie­cher. Das his­to­ri­sche Debakel in Sevilla war gerade abge­pfiffen, da mut­maßte der Natio­nal­mann­schafts­ver­käufer der ARD, dass nach dieser 0:6‑Niederlage die Debatte um Mats Hum­mels, Jerome Boateng und Thomas Müller jetzt ver­mut­lich wieder aufs Neue beginnen werde. Und – zack – war die Debatte mit seiner Ver­mu­tung auch schon in der Welt.

Natür­lich hätte es Opden­hö­vels Bemer­kung nicht gebraucht: Die Debatte ist in der Welt, seitdem Joa­chim Löw im März 2019, vor inzwi­schen 20 Monaten also, ver­kündet hat, dass er künftig auf Hum­mels, Boateng und Müller, die Welt­meister von 2014, ver­zichten werde. Dass er nun doch den Neu­an­fang wagen wolle, den er nach der ver­geigten WM 2018 noch vor sich her­ge­schoben hatte.

Seitdem schwelt die Debatte, und sie flammt immer dann ver­läss­lich auf, wenn für die deut­sche Fuß­ball-Natio­nal­mann­schaft gerade ein Län­der­spiel ansteht oder einer der drei in seinem Verein ein über­durch­schnitt­lich gutes Spiel gemacht hat. Also eigent­lich immer.

Man ver­misste Mül­lers Rede­bei­träge

Nie aber waren die Stich­flammen so groß wie am Diens­tag­abend. Schon kurz nach dem Spiel mel­dete sich Ex-Natio­nal­spieler Mesut Özil auf seinem Twit­ter­kanal zu Wort. Time to take @JeromeBoateng back“, for­derte er. Bas­tian Schwein­steiger, eben­falls Ex-Natio­nal­spieler und der neue Experte der ARD, prä­sen­tierte im Spät­abend­pro­gramm seine Wunschelf für die Euro­pa­meis­ter­schaft im kom­menden Sommer – mit Boateng (anstelle von dessen Münchner Ver­eins­kol­legen Niklas Süle) in der Vie­rer­kette und Thomas Müller in der Offen­sive. Und auch Mats Hum­mels, der Abwehr­chef von Borussia Dort­mund, dürfte in den nächsten Tagen genü­gend Für­spre­cher finden, die sich für eine Rück­kehr in die Natio­nal­mann­schaft stark machen.

An diesem Abend, unter dem unmit­tel­baren Ein­fluss der his­to­ri­schen Nie­der­lage, waren solche Mei­nungs­bei­träge nur ver­ständ­lich. Mit Müller auf dem Platz wäre die Chance deut­lich größer gewesen, dass man in 90 Minuten Fuß­ball viel­leicht auch mal das eine oder andere Wort auf Deutsch hätte ver­nehmen können und nicht nur die spa­ni­schen Spieler hätte reden hören. Ob Boateng und Hum­mels der wackelnden Defen­sive tat­säch­lich Sta­bi­lität hätten ver­leihen können, sei mal dahin­ge­stellt. Aber zumin­dest an Per­sön­lich­keit hätte die graue, gesichts­lose Mann­schaft mit den beiden Rou­ti­niers deut­lich gewonnen.

Dieser Text erscheint als Teil unserer Koope­ra­tion mit dem Ber­liner Tages­spiegel.

Nach der WM 2018 wollten alle die Erneue­rung

Und trotzdem: Die ganze Dis­kus­sion hat etwas Bigottes und Ver­lo­genes. Nachdem die deut­sche Natio­nal­mann­schaft 2018 kläg­lich bei der WM in Russ­land geschei­tert war, wurde Bun­des­trainer Joa­chim Löw vor­ge­worfen, dass er viel zu lange an den alternden Welt­meis­tern von 2014 fest­ge­halten habe. Ihm wurde ange­kreidet, dass er die unver­hoffte Chance zur Erneue­rung, die ihm der freche Auf­tritt einer ver­meint­li­chen B‑Mannschaft beim Confed-Cup eröffnet hatte, unge­nutzt habe ver­strei­chen lassen. Und ihm wurde übel genommen, dass ihm selbst nach der Welt­meis­ter­schaft der Mut zum Neu­aufbau fehlte, weil er glaubte, auf einige Rou­ti­niers nicht ver­zichten zu können.

Als Löw sich dann ein paar Monate und ein paar Nie­der­lagen später selbst revi­dierte, war es auch wieder falsch. Natür­lich sagt das vor allem etwas über das Stan­ding des Bun­des­trai­ners aus. Was er tut: Es ist falsch. Löw kann es nie­mandem mehr Recht machen. Und natür­lich hat er auch nicht ahnen können, dass der müde Müller aus dem Früh­jahr 2019 plötz­lich wieder seine alte Leich­tig­keit wie­der­findet. Aber Löw hätte sich viel Ärger erspart, wenn er die Ange­le­gen­heit etwas geschickter mode­riert und ver­kauft hätte, wenn er sich ein Hin­ter­tür­chen offen­ge­lassen und nicht vom ersten Moment an auf der End­gül­tig­keit seiner Ent­schei­dung beharrt hätte.

Wieso wird über die drei Ex-Spieler gespro­chen – aber nicht über Toni Kroos?

Thomas Müller ist 31, Mats Hum­mels wird nächsten Monat 32, Jerome Boateng ist es bereits. Und nur zur Erin­ne­rung: Alle drei waren bei der WM in Russ­land, die für die Natio­nal­mann­schaft schon nach der Vor­runde geendet hat, Stamm­spieler. Alle drei standen auch im Oktober 2018 auf dem Platz, als die Natio­nal­mann­schaft in Ams­terdam 0:3 gegen Hol­land verlor.

Natür­lich kann man nach so einem Spiel wie am Dienstag trotzdem über Hum­mels, Müller und Boateng debat­tieren. Man könnte aber nach so einem Spiel auch die Frage stellen, wie es Toni Kroos eigent­lich bisher geschafft hat, den Wunsch des Bun­des­trai­ners nach Erneue­rung unbe­schadet zu über­stehen.