1987 zerquetschte Vinnie Jones beherzt das Gemächt von Paul Gascoigne. In unserer Rangliste der härtesten Fußballer aller Zeiten schafft es das Raubein trotzdem nur auf Platz 4.
22. Michael Schulz
Schulz-Dusau
Okay, es gibt Jan-Ingwer Callsen-Bracker, doch den schönsten Doppelnamen der Bundesligageschichte trägt dieser freundliche Haudrauf aus dem Ruhrgebiet: Michael Schulz-Dusau. Dabei hatte er den Ehrentitel gar nicht für eine Treterei, sondern ein vermeintliches Zeitspiel verliehen bekommen. Nachdem der Dortmunder Verteidiger vom Duisburger Alfred Nijhus unsanft in die Horizontale befördert worden war, dauerte den MSV-Fans die Rekonvaleszenz entschieden zu lange, worauf das halbe Stadion brüllte: „Schulz, du Sau!“ Der Name setzte sich bundesweit durch, Schulz ließ später sogar eine kleine rosafarbene Sau auf seine Autogrammkarten drucken. Nach seiner Zeit beim BVB bildete er bei Werder Bremen mit Uli Borowka ein Abwehrduo des Grauens.
21. Billy Bremner
Jenseits der Moral
Als Joseph Schumpeter von der schöpferischen Kraft der Zerstörung schrieb, muss er bereits etwas von Billy Bremner geahnt haben. Denn der Kapitän von Leeds United zertrümmerte, brach, ließ splittern. Und begründete so die erfolgreichste Ära des nordenglischen Fußballklubs. Bremner setzte vorbildlich um, was Coach Don Revie dem Team eingebläut hatte: der gegnerischen Mannschaft Angst zu machen. Dass Leeds als schmutzige Truppe galt, in der Ethik und Anstand keine Rolle spielten – geschenkt. Bremner gab den captain of the crew, trat und grätschte und wusste harte Jungs wie Norman Hunter hinter sich, die im Notfall den Rest erledigten. Dabei war Bremner relativ klein, kein Wunder, dass man ihn seine Fausthiebe auf Fotos stets nach schräg oben ausführen sah. So wie 1974, als er sich während des FA Charity Shields mit Liverpools Kevin Keegan prügelte. Referee Reg Matthewson scheuchte beide angewidert vom Rasen, es war das erste Mal, dass im altehrwürdigen Wembley Spieler vom Platz flogen. Bremner sah bei seinem Abgang nicht aus, als würde ihm das etwas ausmachen.
20. Paul Steiner
Sympathieträger
Die Erinnerung an die Szene lässt all jenen, die dabei waren, noch heute das Blut in den Adern gefrieren. Es war irgendwo im Mittelfeld, als Paul Steiner, seinerzeit in Diensten des MSV Duisburg, angerauscht kam und mit einer unmotivierten Grätsche dem Kölner Spielmacher Heinz Flohe das Schien- und Wadenbein brach. Als wäre es angesichts des Krachs der splitternden Knochen und des grotesk verrenkten Beines noch nötig gewesen, ließ Flohe die Anwesenden lautstark wissen, was passiert war. „Das Bein ist ab, das Bein ist ab!“, schrie er immer wieder, von Schmerzen gepeinigt. Paul Steiner sah für die Aktion eine Gelbe Karte – und beschwerte sich reflexartig. Heinz Flohe hat danach nie wieder ein Spiel machen können und später versucht, Steiner auf Schadensersatz zu verklagen, was scheiterte, da dem tieffliegenden Sensenmann keine Absicht nachzuweisen war. Bizarrerweise wurde Paul Steiner anderthalb Jahre nach dem brutalen Foul vom 1. FC Köln verpflichtet und entwickelte sich zum Leistungsträger. Der Verteidiger sorgte indes nicht nur mit seiner rustikalen Spielweise für Schlagzeilen. Dem damaligen Nürnberger Souleyman Sané soll er zugerufen haben: „Scheiß Nigger, hau ab! Was willst du in Deutschland?“ Steiner bestritt das, hier stand Aussage gegen Aussage. Ganz offen bekannte der betont maskuline Schnauzbartträger hingegen, er könne sich nicht vorstellen, dass Homosexuelle in der Lage seien, vernünftig Fußball zu spielen. Bis ihn in einer TV-Talkshow der schwule spätere St. Pauli-Präsident Corny Littman damit konfrontierte, dass er bereits mit einem Spieler aus dem aktuellen Kader des 1. FC Köln eine schöne Liebesnacht verbracht habe. Da hat Paul Steiner dann doch etwas sparsam aus der Wäsche geschaut.
19. Dieter Schlindwein
Eisen-Dieter
Wie meinte unsere Oma immer: „Wo der zulangt, da wächst kein Gras mehr!“ Sie hätte das problemlos auch über Dieter Schlindwein sagen können, dessen Spitzname „Eisen-Dieter“ nicht von ungefähr kam. Schlindwein selbst hat das mal schlüssig erklärt: „Wenn du halbherzig in die Zweikämpfe gehst und dich bei Schüssen wegdrehst, kannst du nicht gewinnen.“ Zumindest nicht als technisch eher limitierter Kicker beim FC St. Pauli. Bevor er im, äh, Kultverein zum Kultkicker wurde, hatte Schlindwein, der aus der humorbefreiten Manndeckerschule des SV Waldhof Mannheim (Tsionanis, Kohler, Wörns) stammte, mit Eintracht Frankfurt den DFB-Pokal gewonnen. Seine endgültige Bestimmung fand er jedoch als Naturgewalt vom Millerntor. Dort liebten sie ihn, und das, obwohl er einmal seinen Mitspieler Leo Manzi als „schwarze Sau“ beschimpfte – was Schlindwein später aufrichtig leid tat. Er war im Übrigen gar nicht einverstanden, wenn er nur auf die Rolle des Rüpels reduziert wurde: „Ich bin kein Treter. Ich kann auch Pässe spielen.“ Sein letztes Profispiel beendete er dennoch standesgemäß: mit einer Roten Karte.
18. Basile Boli
Diskreter Treter
Der Verteidiger von Olympique Marseille war vor allem eines: lernfähig. 1983 hatte ihn Roger Milla ausdauernd, aber für den Schiedsrichter schwer zu erkennen, mit dem Ellenbogen bearbeitet. Bis Boli durchdrehte und Milla mit einem Kopfstoß niederstreckte. Prompt flog Boli vom Platz und begriff: „Das ist die Anfangslektion: Schlag zu, bevor sie dich schlagen, aber schlage diskret.“ Fortan malträtierte er die Stürmer weniger auffällig und machte nur noch einmal eine Ausnahme, als er Englands Stuart Pearce bei der Euro 1992 fällte – natürlich per Kopfstoß.
17. Gennaro Gattuso
Ivan, der Schreckliche
Ganz der Tradition seiner knüppelharten Vorgänger Tardelli und Gentile verpflichtet sah sich Gennaro Gattuso. Während seiner Zeit beim AC Milan und in der Squadra Azzurra wurde der bärtige Heißsporn immer wieder seinem mit Bedacht gewählten Zweitnamen „Ivan“ gerecht und kaufte selbst ausgewiesenen hard men wie Zlatan Ibrahimovic den Schneid ab. Ibrahimovic, selbst durch elastische Regelauslegung bekannt, bekam in einem Europapokalspiel den Handrücken durchs Gesicht gezogen. Bei anderer Gelegenheit ging Gattuso Tottenham-Coach Joe Jordan an der Seitenlinie so an die Gurgel, dass der kurz karpfenartig nach Luft schnappte. Durch robusten Einsatz seines Astralkörpers hielt das nebenberufliche Unterwäschemodel ansonsten Andrea Pirlo tadellos den Stress vom Hals. Nach über 300 Serie-A-Einsätzen lässt Gattuso seine Karriere nun im beschaulichen Schweizer Kanton Wallis beim FC Sion ausklingen – und ist tröstlicherweise ganz der Alte. Im Ligaspiel bei den Young Boys Bern schnappte er sich nach einem Foul an einem Mitspieler die Gelbe Karte und wedelte damit dem Schiri vor dem Gesicht herum. Der knallte die Hacken zusammen und sprach die fällige Verwarnung aus, während der ehrenwerte Signore selbstredend ungestraft davon kam.
16. Dave Mackay
Edelmann in Rage
Sage keiner, harte Jungs könnten nicht auch einstecken. Dave Mackay, Abwehrmann bei Tottenham, brach sich bei Tacklings gleich zweimal auf schauerliche Weise das Bein. Als ihn dann im Zweikampf ein anderer hard man, Billy Bremner, mit Tritten an das lädierte Bein piesackte, ging Mackay Bremner an den Trikotkragen. Das Foto des stockwütenden Mackay und des sichtlich eingeschüchterten Bremner, wurde zum Symbolbild des toughen Fußballers schlechthin (bis Vinnie Jones Paul Gascoigne herzhaft ins Gemächt griff). Dabei war er besonders, anders, wenn man so will, edelmütiger. Er war bereit und willens, Gegenspielern Schmerzen zuzufügen, überschritt dabei aber, im Gegensatz zu vielen üblen Tretern, niemals die Grenze zur justitiablen Körperverletzung.
15. Benjamin Massing
Das Wild erlegt
Nie hatte eine Treibjagd so viele Zuschauer wie am Abend des 8. Juni 1990, als die Kameruner Abwehr im Eröffnungsspiel der WM Jagd auf den argentinischen Stürmer Claudio Cannigia machte. Am eigenen Strafraum gestartet, wird Cannigia erstmals auf Höhe der Mittellinie von einem Kameruner umgerissen. Doch der Angreifer ist zu schnell, zwar wankt er, gewinnt dann aber wieder schnell an Fahrt. Der zweite Kameruner kommt mit einer Grätsche angeflogen, Cannigia stolpert und kann sich bei vollem Tempo nur mit Mühe auf den Beinen halten. Bis Innenverteidiger Benjamin Massing die grausame Hatz beendet. Er tritt den nur noch besinnungslos dahintaumelnden Cannigia mit voller Kraft final um, ein Tackling von epischer Wucht. Das Wild war zur Strecke gebracht und konnte nun waidmännisch aufgebracht werden. Wie ungemein hart Massing zugetreten hatte, offenbarte sich rasch. Denn der Kameruner hatte bei seiner Grätsche einen Schuh verloren. Schiedsrichter Vautrot aus Frankreich zeigte sich derart beeindruckt, dass er Massing zunächst mit Roter Karte vom Platz schickte und ihm, quasi als Anerkennung, zusätzlich noch mal Gelb hinterher zeigte. Massing zog dann, nach Verbüßung der Kurzsperre, eine Schneise der Verwüstung durchs Turnier und verursachte, ausgleichende Gerechtigkeit, den entscheidenden Elfmeter im Viertelfinale gegen England, indem er Gary Lineker ohne Sinn und Verstand im Strafraum fällte. Immerhin behielt er diesmal seine Schuhe an.
14. Jose Camacho
Ohne Schützer
In den Duellen zwischen Real Madrid und dem FC Barcelona war dieser spanische Quadratschädel Johan Cruyffs schlimmster Alptraum. Mit schweißdurchtränktem Trikot, grimmigem Blick und tiefergelegten Stutzen folgte der Schienbeinschonerverächter dem holländischen Feingeist über den ganzen Platz und verdarb ihm oft genug die Freude am Spiel. Der Mann aus Murcia redete nicht viel, er ließ Taten sprechen – ein Charakter wie aus einem Spaghettiwestern. José Camacho war einer der Härtesten. Sagt Uli Borowka, und der muss es wissen.
13. Ron „Chopper“ Harris
Das inakzeptable Gesicht
Um einen Superlativ zu bemühen: Ron „Chopper“ Harris war, neben Vinnie Jones, der härteste, gnadenloseste, zynischste Treter, der je bei Chelsea spielte. Oder um mit der Londoner „Times“ zu sprechen: „Das inakzeptable Gesicht einer talentierten Chelsea-Mannschaft“. Und in der Tat hinterließ Verteidiger Harris gebrochene Beine, lädierte Bände, zerfetzte Menisken, wo immer er auch antrat. Motto: „Wenn er sich bewegt, tritt ihn!“ Den inoffiziellen Höhepunkt seiner Karriere feierte der stets adrett gescheitelte und unübertroffen unschuldig lächelnde Harris im Wiederholungsspiel des FA-Cup-Finales 1970 in Old Trafford gegen Leeds United. Ein episches Spiel, weil beide Mannschaften wie von Sinnen aufeinander eintraten, schon vor dem Spiel flackerten immer wieder Prügeleien auf. Der völlig überforderte Referee Eric Jennings verwarnte trotz mehrerer Prügeleien und brutaler Grätschen im Minutentakt nur einen einzigen Spieler, er hätte nach moderner Expertise sechs Rote und zwanzig Gelbe Karten verteilen müssen. Auftakt und zugleich Tiefpunkt der Feldschlacht war ein fieser Tritt von Ron Harris in die Kniekehle von Eddie Gray nach acht Minuten. Gray krümmte sich vor Schmerzen und war für den Rest des Spiels außer Gefecht gesetzt, noch über 40 Jahre später kann dieses Foul den damaligen Leeds-Mittelfeldmann Jackie Charlton in Rage versetzen. Eine neuzeitliche Dokumentation mit Charlton konnte nur mühsam zu Ende gebracht werden. Harris findet das Tackling noch heute durchaus erheiternd. Der Trainer sei auf ihn zugekommen und habe ihn mit deutlichen Worten ermuntert, Gray hart anzupacken. Harris mildtätig: „Es war doch freundlich von mir, Gray immerhin noch acht Minuten spielen zu lassen.“
12. Trifon Iwanow
Braunbär, schlecht rasiert
Der überwiegend talentfreie Bulgare verkörperte mit Haut und Haaren die unschöne Seite des Fußballs. Der Vokuhilaträger mit Vollbart und Triefauge wäre, wenn nicht Fußballer, vermutlich Karussellbremser oder erfolgreicher Inkasso-Unternehmer geworden. Schwer zu sagen also, wovor die Stürmer mehr Angst hatten: vor den kompromisslosen Aktionen oder doch vor der Hotzenplotz-Optik des Innenverteidigers, der es regelmäßig auch in die Bestenlisten der weltweit hässlichsten Sportler schafft. Gesegnet mit der Grundschnelligkeit eines übergewichtigen Braunbären, verschaffte sich Iwanow anderweitig Respekt. In Bulgarien als Teil der legendären 94er-Mannschaft verehrt, machte er praktisch allen Vereinstrainern durch anhaltende Disziplinlosigkeiten zu schaffen. Iwanows legendärer Wildwuchs ließ derweil nicht nur Mitspieler Peter Schöttel staunen, von dem die Feststellung überliefert ist, Iwanow sei der einzige ihm bekannte Spieler, der sich nach dem Aufstehen rasiere und zum Morgentraining bereits wieder mit Dreitagebart auflaufe.