Erling Haaland hat das vielleicht beste Bundesliga-Debüt aller Zeiten gefeiert. Aber das wirklich Verrückte ist: Alle haben es schon vorher gewusst.
Irgendwo in der Nähe von Paderborn sitzt heute ein Züchter von Deutsch Drahthaar, denkt an Freitag und sorgt sich wegen Erling Haaland. Das bedarf natürlich der Erklärung. Also: Deutsch Drahthaar ist eine Rasse von Jagdhunden, die als klug und freundlich gelten. Josef Linneweber aus Geseke züchtet sie schon seit vielen Jahrzehnten. Das heißt, er tut das nicht mehr selbst, sondern hat das Geschäft seiner Schwiegertochter überlassen, weil er inzwischen 95 Jahre alt ist.
Linneweber hat mal Fußball für Borussia Dortmund gespielt und war ziemlich gut. Er hat zwar nie einen Titel gewonnen, aber er hält so eine Art obskure Bestmarke. Und die ist nun in Gefahr, denn wie sich inzwischen herumgesprochen haben dürfte, sind Erling Braut Haaland in seinem ersten Bundesligaspiel für den BVB drei Tore gelungen.
Das ist stark. Erst sechs Spieler vor dem Norweger haben das geschafft: Engelbert Kraus (1860 München, 1963), Hermann Ohlicher (VfB Stuttgart, 1973), Olaf Marschall (Dynamo Dresden, 1993), Adhemar (VfB Stuttgart, 2001), Martin Fenin (Eintracht Frankfurt, 2008) und Pierre-Emerick Aubameyang (Borussia Dortmund, 2013). Aber keiner von denen war erst 19, als er bei seinem Debüt einen Hattrick markierte, so wie man dieses Kunststück im Mutterland des Spiels definiert. Und keiner brauchte nur 20 Minuten dafür. Vor Haaland war Kraus der Schnellste, bei ihm lagen 42 Zeigerumdrehungen zwischen Tor eins und drei.
Und noch etwas unterscheidet Haaland von den anderen sechs. Er hat eigentlich nur das getan, was man von ihm erwartete. Noch am Samstagabend veröffentlichte Micky Beisenherz auf Instagram einen WhatsApp-Chat, in dessen Verlauf ein Freund von ihm kurz vor der Einwechslung des neuen schwarz-gelben Hoffnungsträgers geschrieben hatte: »Schön gleich Haaland Hattrick.« Das aber war keineswegs etwas Besonderes. Wer am Samstagnachmittag als BVB-Fan beim Stand von 3:1 für Augsburg nicht so etwas twitterte, tippte oder sagte wie zum Beispiel »Gleich kommt Haaland und dreht das Ding noch« oder »Dann muss Haaland jetzt eben drei machen, damit wir noch gewinnen«, der hatte kein mobiles Endgerät zur Hand oder eine schwere Bronchitis.
Natürlich war das zum Teil Galgenhumor, denn zum wiederholten Male spielte die Borussia in Augsburg so, als bräuchte sie dringend einen Tritt in den Hintern, vielleicht gar einen Stromschlag, um endlich ein paar Gänge hochzuschalten. Aber dass Haaland dieser Elektroschock sein könnte, das ahnten alle, die ihn schon mal haben spielen sehen. Nicht weil er die Schusstechnik, das Tempo oder die Körperlichkeit hat, um Abwehrreihen durcheinander zu bringen. Man weiß schließlich nie, ob ein junger Spieler seine Qualitäten auch wirklich auf den Rasen bringen kann, vor allem nicht in seinem ersten Spiel und bei einem Zwei-Tore-Rückstand. Aber wer Haaland schon mal im Salzburger Trikot gesehen hat, der wusste, dass es für sein Spiel immer nur eine Richtung gibt. Eine solche Klarheit und Direktheit hat dem BVB zuletzt sehr gefehlt.
Und neben seinem Stil ist da ja auch noch seine Position. Haaland ist zwar kein klassischer lauernder Mittelstürmer, wie Paco Alcacer ihn manchmal gibt, aber er besetzt die Räume, die in den letzten Monaten oft verwaist waren. Das allein ist schon mal etwas, auf das der Gegner reagieren muss, und jede Reaktion trägt die Möglichkeit eines Fehlers in sich. Ob es nun wirklich Haaland war, der diese Aussetzer provozierte (beim zweiten Dortmund Tor waren die Augsburger trotz eigener Führung vor dem eigenen Strafraum in Unterzahl und standen sehr hoch), oder ob es seinen Mitspielern einen Schub gab, vorne eine Anspielstation zu wissen, ist am Ende egal. Was zählt, ist das Ergebnis.
Und dieses Ergebnis bringt uns zurück zu Josef Linneweber. Er kam 1950 als 26-Jähriger zum BVB, um Adi Preißler zu ersetzen. In seinem ersten Spiel für die Borussia traf Linneweber beim 2:1 gegen Erkenschwick doppelt. Eine Woche später gelang ihm in Gladbach sogar ein Hattrick. Zwei Spiele, fünf Tore. Solch einen Einstand hatte davor und danach nie wieder ein Borusse. Am Freitag spielt der BVB daheim gegen den 1. FC Köln.