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Irgend­wann Ende 1989 erhielt Juan Figer einen Anruf aus Ham­burg. Am Apparat war Süd­ame­rika-Experte Wolf­gang Kuhl­mann, der für den HSV als Scout tätig war. Er bat Figer um Rat und fragte: Wir suchen einen Stürmer! Hast du einen?“
 
Figer lehnte sich zurück und blickte über seinen großen Schreib­tisch über die Dächer von São Paulo. Viel­leicht zog er dabei an einer dicken Havanna, viel­leicht strich er sich durch das schüt­tere Haar. Dann sagte er: Nando, mein Freund!“ Ja, dieser Nando, der sei ein Mann für die Bun­des­liga.

Der Kugel­blitz aus Bra­si­lien
 
Figer ist der mäch­tigste Mann Süd­ame­rikas“, berich­tete die Sport­bild“ wenige Wochen später. Sie nennen ihn Kugel­blitz – sein Bauch ist sein Mar­ken­zei­chen.“ Er hatte in den acht­ziger Jahren seine Finger in nahezu allen Süd­ame­rika-Trans­fers. Ohne Figer wäre etwa Diego Mara­dona nie von den Boca Juniors zum FC Bar­ce­lona gewech­selt. Nun sollte also Nando sein Glück in Europa ver­su­chen. Er kos­tete 750.000 Mark Ablöse.
 
Mit seinem vorigen Klub, Fla­mego Rio de Janeiro, hatte Nando im Mara­cana gespielt, dem damals größten Fuß­ball­sta­dion der Welt. Er hatte 17 Tore in 24 Spielen gemacht, und er sah ein wenig aus wie ein süd­ame­ri­ka­ni­scher Gue­ril­lero: dichtes, halb­langes Haar, Drei­ta­ge­bart, hell­braune Haut, ver­we­gener, aber gut­mü­tiger Blick. Und dann dieser Name: Fer­nando Pereira de Pinho Junior. Außer­or­dent­lich wohl­klin­gend.

Wir sind Zweiter!“
 
Sein ehe­ma­liger Fla­mengo-Mit­spieler Jor­g­inho von Bayer Lever­kusen ver­sprach nach Nandos Ankunft: Der ist so gut, der wird es überall schaffen!“ Und Nando selbst sagte Ja“, Nein“ und Guten Tag!“. Auf die Frage eines Jour­na­listen, wel­chen Tabel­len­platz der HSV gerade belege, ant­wor­tete er: Wir sind Zweiter!“ Er lag knapp daneben, der HSV war in jenem Winter Vier­zehnter – und steckte mal wieder knie­tief im Abstiegs­kampf.
 
Am 24. Februar 1990 war es schließ­lich so weit. Nando debü­tierte in der Bun­des­liga gegen Bayer Uer­dingen. 14.146 Zuschauer hatten sich in der grauen Beton­schüssel im Volks­park ver­irrt, um den Zau­berer vom Zuckerhut zu sehen. Er zer­legte die Kre­felder bei­nahe im Allein­gang: Zwei Tore, zwei Vor­lagen, am Ende stand es 6:0, und selbst die här­testen West­kurven-Kanten nickten aner­ken­nend: Kann was, der Bra­si­lianer!“
 
Am nächsten Spieltag traf Nando erneut. Das machte: drei Tore in zwei Spielen. Ich errech­nete die Tor­quote, die er bei anhal­tender Treff­si­cher­heit am Ende der Saison errei­chen würde, ich imi­tierte seinen Tor­jubel, ließ mir die Haare wachsen und ver­suchte mir einen Drei­ta­ge­bart stehen zu lassen – doch mir wuchs nur ein leichter Flaum auf der Ober­lippe, Modell Olaf Thon. Ich war zwölf Jahre alt.

Die polnisch/​brasilianische Freund­schaft
 
Nandos Stern ging eigent­lich erst in der Saison 1990/91 auf. Mit Jan Furtok und Thomas Doll bil­dete Nando das magi­sche Dreieck der HSV-Offen­sive – lange vor Gio­vane Elber, Fredi Bobic und Kras­simir Balakov. Doll wir­belte, flankte, legte auf, legte ab, und Nando und Furtok netzten ein. 31 Tore gingen auf das Konto der polnisch/​brasilianischen Freund­schaft.
 
In jener Saison spielte der HSV sogar plötz­lich um die Meis­ter­schaft mit, Nando traf gegen die Bayern, er schoss zwei Tore gegen den FC St. Pauli und machte drei Buden gegen den BVB. Danach lief er los, mit wehendem Haar, ver­schwitztem Bart, das Trikot hing ihm aus der Hose. Ich wäre ihm überall hin gefolgt, in den bra­si­lia­ni­schen Dschungel oder auf die boli­via­ni­sche Hoch­ebene, den Kampf für die Gerech­tig­keit hätten wir gemeinsam gewonnen. Doch Nando rannte nur zum Zaun und ließ sich von den Fans feiern.