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Seite 2: Savage hasst Bier – und die Leute hassen ihn

Am selben Tag baut Savage, mit den Gedanken bei seinem geplatzten Traum und nicht am Steuer seines klapp­rigen Ford Fiesta, einen Auto­un­fall. Ein alter Mann ver­liert dabei fast sein Leben, auch der junge Fuß­baller landet im Kran­ken­haus. Noch im Kran­ken­bett erreicht ihn ein Anruf von Dario Gradi, dem Trainer von Viert­li­gist Crewe Alex­andra. Ob er sich eine Rück­kehr zu dem Verein vor­stellen könne, der ihn vor seiner Zeit bei Man United aus­ge­bildet hatte? Savage muss nicht lange über­legen und unter­schreibt seinen ersten Pro­fi­ver­trag. 210 Pfund die Woche, Divi­sion Two, immerhin. Das ein­zige Pro­blem: Crewe liegt nur 27 Meilen von seiner Hei­mat­stadt Wrexham ent­fernt, die beiden Ver­eine sind ver­feindet bis aufs Blut. Dass sich für den schmäch­tigen Savage beim AFC Wrexham früher keiner inter­es­siert hat, spielt nun keine Rolle mehr. 

Spä­tes­tens als der Spiel­plan zur neuen Saison ver­öf­fent­licht wird, ist das Drama per­fekt. Wrexham trifft, logisch, auf Crewe. Und noch bevor Robbie Savage zum ersten Mal als Fuß­ball­profi ein Sta­dion betritt, errei­chen ihn Mord­dro­hungen. Ich hatte noch kein Spiel gemacht – und galt schon als Ver­räter.“ Am Abend nach der Partie, die mit 0:1 ver­lo­ren­geht, will Savage mit seinen Kum­pels auf das Debüt anstoßen und geht in den Pub. Dann fliegt die Fla­sche. Ich hasse Bier“, erzählt Savage später. Und die Leute hassen ihn.

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Der Junge, der mit seinem Bruder und seinen Eltern laut eigener Aus­sage in einem gewöhn­li­chen Haus in einer gewöhn­li­chen Straße in einem gewöhn­li­chen Ort auf­wächst, ent­wi­ckelt sich schnell zu einem schrillen Vogel. Er lässt sich die Haare wachsen, er stol­ziert übers Feld, er hat eine kurze Zünd­schnur. Den Hang zur Thea­tralik, schreibt er in seiner Bio­gra­phie, hat er von seiner Mutter geerbt. Sie ist hoch­ent­zünd­lich. Einmal zer­störte sie nach einem harm­losen Streit mit meinem Dad unsere kom­plette Küchen­ein­rich­tung. Ich saß neben meinem Vater am Tisch und wir schauten in Ruhe dabei zu, wie sie Teller, Schüs­seln und Gläser auf den Boden pfef­ferte.“ 

Dass Savage mit Anfang zwanzig ein Fuß­baller ist, zu dem die Leute fast zwangs­läufig eine Hal­tung ent­wi­ckeln, liegt aber nicht nur an seinen Genen. Son­dern auch an Aktionen wie der mit dem pinken Por­sche. Am Tag, als ich Pre­mier-League-Fuß­baller wurde, ging ich direkt nach der Unter­schrift zu einem Auto­händler und kaufte einen Por­sche“, erzählt Savage über seinen Wechsel von Crewe nach Lei­cester im Jahr 1997. Die Farbe war ein Mix aus Pink und Lila. Sie wollten den Wagen noch in der Werk­statt che­cken, aber ich hatte keine Lust zu warten. Also nahm ich das Auto direkt mit, holte meinen besten Freund ab und cru­iste mit ihm durch die Innen­stadt, um den Leuten das Auto zu zeigen.“ Dum­mer­weise kre­piert der Motor – und der neu­reiche Angeber Robbie Savage muss mit Motor­öl­fle­cken auf den weißen Chinos einen pinken Por­sche durch die Straßen schieben. Gefun­denes Fressen für die Presse.

Der Tag, an dem der Waliser zur lan­des­weiten Hass­figur auf­steigt, ist aber ein anderer. Am 21. März 1999 trifft Savage, der sich bei Lei­cester als pass- und lauf­starker Mit­tel­feld­mann einen Stamm­platz erkämpft hat und längst wali­si­scher Natio­nal­spieler geworden ist, im League-Cup-Finale auf Tot­tenham. Das Spiel ist aus­ge­gli­chen, es wird von Minute zu Minute bru­taler. Irgend­wann dreht Tot­ten­hams Justin Edin­burgh, von Savage mit Worten und kleinen Fouls massiv bear­beitet, durch. Er schlug nach mir – traf mein Gesicht aber nicht, son­dern streifte nur meine Haare. Ich tat trotzdem so, als hätte er mich voll erwischt. Er flog vom Platz. Und ich war plötz­lich der blonde Wichser mit den langen Haaren.“ Am Ende ver­liert Lei­cester zwar mit 0:1. Sauer auf Savage sind die Tot­tenham-Fans aber trotzdem. Wieder, er kennt das aus Wrexham, errei­chen Savage Mord­dro­hungen.

Der Fans-who-hate-me-club“ wächst

In den fol­genden Jahren wächst der Fans-who-hate-me-club“, wie Savage die buhenden Zuschauer später nicht ganz ohne Stolz nennen wird, kon­ti­nu­ier­lich. Zunächst hakt er die großen Klubs Lon­dons ab, nach den Spurs erst Arsenal, dann Chelsea, dann West Ham. Weil er sich mit Gegen­spie­lern anlegt, weil er bei leichten Zup­fern umfällt, als hätte ihn eine Bären­pranke erwischt. Später hasst man ihn auch in Bir­mingham oder Derby, wo er einmal kurz vor Schluss einen spiel­ent­schei­denden Elf­meter schindet und danach von der halben Mann­schaft übers Feld gejagt und schließ­lich an der Eck­fahne von Craig Burley an der Gurgel gepackt wird. Auf dem Weg zum Mann­schaftsbus bespu­cken ihn Fans, die Polizei muss für Ord­nung sorgen. Und Savage? Streckt dem auf­ge­brachten Mob mit einem Grinsen im Gesicht das Victory‑V ent­gegen.

Irgend­wann ist der Hass­hype so groß, dass sogar Dart­spiele wegen ihm unter­bro­chen werden müssen. 2007 ist er als Zuschauer bei einer PDC-Pre­mier-League-Partie anwe­send, wird auf der Video­lein­wand gezeigt – und die kom­plette Halle rastet aus. Die Leute buhen, brüllen, rufen höh­nisch im Chor, wer der Typ denn sei: Who are ya? Who are ya?“ Savage lacht. Und rudert auf­for­dernd mit den Armen. Aus Selbst­schutz? Aus Lust am Pro­vo­zieren? Weil ihm eh längst alles egal ist? Wahr­schein­lich ein Mix aus allem. Mehr­fach muss der Hal­len­spre­cher die Fans zur Ord­nung auf­rufen, damit sich die auf der Bühne ungläubig guckenden Dart­profis kon­zen­trieren können. Vier Jahre später spielt sich eine fast iden­ti­sche Szene ab. Mit dem Unter­schied, dass Savage in dem Moment, in dem ihn die Regie auf der Lein­wand ein­blendet, ein Schild hoch­hält: Buht, wenn ihr glaubt, dass ich ein groß­ar­tiger Spieler bin!“