Gegenspieler gehen ihm an die Gurgel, Zuschauer spucken ihn an, ein Trainer droht ihm gar mit der Polizei: Alle hassen Robbie Savage. Dabei ist der Waliser eigentlich vor allem eines: hochgradig unterhaltsam.
Am selben Tag baut Savage, mit den Gedanken bei seinem geplatzten Traum und nicht am Steuer seines klapprigen Ford Fiesta, einen Autounfall. Ein alter Mann verliert dabei fast sein Leben, auch der junge Fußballer landet im Krankenhaus. Noch im Krankenbett erreicht ihn ein Anruf von Dario Gradi, dem Trainer von Viertligist Crewe Alexandra. Ob er sich eine Rückkehr zu dem Verein vorstellen könne, der ihn vor seiner Zeit bei Man United ausgebildet hatte? Savage muss nicht lange überlegen und unterschreibt seinen ersten Profivertrag. 210 Pfund die Woche, Division Two, immerhin. Das einzige Problem: Crewe liegt nur 27 Meilen von seiner Heimatstadt Wrexham entfernt, die beiden Vereine sind verfeindet bis aufs Blut. Dass sich für den schmächtigen Savage beim AFC Wrexham früher keiner interessiert hat, spielt nun keine Rolle mehr.
Spätestens als der Spielplan zur neuen Saison veröffentlicht wird, ist das Drama perfekt. Wrexham trifft, logisch, auf Crewe. Und noch bevor Robbie Savage zum ersten Mal als Fußballprofi ein Stadion betritt, erreichen ihn Morddrohungen. „Ich hatte noch kein Spiel gemacht – und galt schon als Verräter.“ Am Abend nach der Partie, die mit 0:1 verlorengeht, will Savage mit seinen Kumpels auf das Debüt anstoßen und geht in den Pub. Dann fliegt die Flasche. „Ich hasse Bier“, erzählt Savage später. Und die Leute hassen ihn.
Der Junge, der mit seinem Bruder und seinen Eltern laut eigener Aussage in einem gewöhnlichen Haus in einer gewöhnlichen Straße in einem gewöhnlichen Ort aufwächst, entwickelt sich schnell zu einem schrillen Vogel. Er lässt sich die Haare wachsen, er stolziert übers Feld, er hat eine kurze Zündschnur. Den Hang zur Theatralik, schreibt er in seiner Biographie, hat er von seiner Mutter geerbt. „Sie ist hochentzündlich. Einmal zerstörte sie nach einem harmlosen Streit mit meinem Dad unsere komplette Kücheneinrichtung. Ich saß neben meinem Vater am Tisch und wir schauten in Ruhe dabei zu, wie sie Teller, Schüsseln und Gläser auf den Boden pfefferte.“
Dass Savage mit Anfang zwanzig ein Fußballer ist, zu dem die Leute fast zwangsläufig eine Haltung entwickeln, liegt aber nicht nur an seinen Genen. Sondern auch an Aktionen wie der mit dem pinken Porsche. „Am Tag, als ich Premier-League-Fußballer wurde, ging ich direkt nach der Unterschrift zu einem Autohändler und kaufte einen Porsche“, erzählt Savage über seinen Wechsel von Crewe nach Leicester im Jahr 1997. „Die Farbe war ein Mix aus Pink und Lila. Sie wollten den Wagen noch in der Werkstatt checken, aber ich hatte keine Lust zu warten. Also nahm ich das Auto direkt mit, holte meinen besten Freund ab und cruiste mit ihm durch die Innenstadt, um den Leuten das Auto zu zeigen.“ Dummerweise krepiert der Motor – und der neureiche Angeber Robbie Savage muss mit Motorölflecken auf den weißen Chinos einen pinken Porsche durch die Straßen schieben. Gefundenes Fressen für die Presse.
Der Tag, an dem der Waliser zur landesweiten Hassfigur aufsteigt, ist aber ein anderer. Am 21. März 1999 trifft Savage, der sich bei Leicester als pass- und laufstarker Mittelfeldmann einen Stammplatz erkämpft hat und längst walisischer Nationalspieler geworden ist, im League-Cup-Finale auf Tottenham. Das Spiel ist ausgeglichen, es wird von Minute zu Minute brutaler. Irgendwann dreht Tottenhams Justin Edinburgh, von Savage mit Worten und kleinen Fouls massiv bearbeitet, durch. „Er schlug nach mir – traf mein Gesicht aber nicht, sondern streifte nur meine Haare. Ich tat trotzdem so, als hätte er mich voll erwischt. Er flog vom Platz. Und ich war plötzlich der blonde Wichser mit den langen Haaren.“ Am Ende verliert Leicester zwar mit 0:1. Sauer auf Savage sind die Tottenham-Fans aber trotzdem. Wieder, er kennt das aus Wrexham, erreichen Savage Morddrohungen.
In den folgenden Jahren wächst der „Fans-who-hate-me-club“, wie Savage die buhenden Zuschauer später nicht ganz ohne Stolz nennen wird, kontinuierlich. Zunächst hakt er die großen Klubs Londons ab, nach den Spurs erst Arsenal, dann Chelsea, dann West Ham. Weil er sich mit Gegenspielern anlegt, weil er bei leichten Zupfern umfällt, als hätte ihn eine Bärenpranke erwischt. Später hasst man ihn auch in Birmingham oder Derby, wo er einmal kurz vor Schluss einen spielentscheidenden Elfmeter schindet und danach von der halben Mannschaft übers Feld gejagt und schließlich an der Eckfahne von Craig Burley an der Gurgel gepackt wird. Auf dem Weg zum Mannschaftsbus bespucken ihn Fans, die Polizei muss für Ordnung sorgen. Und Savage? Streckt dem aufgebrachten Mob mit einem Grinsen im Gesicht das Victory‑V entgegen.
Irgendwann ist der Hasshype so groß, dass sogar Dartspiele wegen ihm unterbrochen werden müssen. 2007 ist er als Zuschauer bei einer PDC-Premier-League-Partie anwesend, wird auf der Videoleinwand gezeigt – und die komplette Halle rastet aus. Die Leute buhen, brüllen, rufen höhnisch im Chor, wer der Typ denn sei: „Who are ya? Who are ya?“ Savage lacht. Und rudert auffordernd mit den Armen. Aus Selbstschutz? Aus Lust am Provozieren? Weil ihm eh längst alles egal ist? Wahrscheinlich ein Mix aus allem. Mehrfach muss der Hallensprecher die Fans zur Ordnung aufrufen, damit sich die auf der Bühne ungläubig guckenden Dartprofis konzentrieren können. Vier Jahre später spielt sich eine fast identische Szene ab. Mit dem Unterschied, dass Savage in dem Moment, in dem ihn die Regie auf der Leinwand einblendet, ein Schild hochhält: „Buht, wenn ihr glaubt, dass ich ein großartiger Spieler bin!“