Gegenspieler gehen ihm an die Gurgel, Zuschauer spucken ihn an, ein Trainer droht ihm gar mit der Polizei: Alle hassen Robbie Savage. Dabei ist der Waliser eigentlich vor allem eines: hochgradig unterhaltsam.
Dieser Text erschien erstmals im September 2019 im 11FREUNDE SPEZIAL Liebe & Hass. Das Heft ist hier bei uns im Shop zu kaufen.
Die Erde ist keine Scheibe. In Deutschland klatscht man zu Schlagermusik. Katzen sind launische Biester. Alle hassen Robbie Savage. Es gibt Wahrheiten, an denen ist nicht zu rütteln. Und im Fall von Robbie Savage, dem walisischen Schönling, dem Mann mit dem tätowierten Armani-Logo, der blonden Boygroupmähne und der Fake-Bräune im Gesicht, ist dieser Umstand auch recht einfach zu erklären. Die Leute hassen ihn, weil er so ziemlich alles dafür tut.
Da wäre zum Beispiel die Sache mit dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Savage, der sich zu Beginn der Nullerjahre den Ruf als dreckigster Spieler der Premier League zu etwa gleichen Teilen erschwalbt und ertreten hat, ist zwar berüchtigt dafür, Gelbe Karten zu sammeln. Lange Zeit hält er in der an Raubeinen nicht gerade armen Liga sogar den Gelbrekord. Vom Platz geflogen ist er allerdings noch nie. Bis zum 8. September 2004, als Wales in einem Länderspiel auf Nordirland trifft. An diesem Tag sprintet Savage mit Ball am Fuß die Seitenlinie entlang – und wird von seinem Gegenspieler Michael Hughes einigermaßen brutal niedergestreckt. Savage fällt, springt wieder auf, will schubsen, wird umgeschubst. Rudelbildung, Tohuwabohu. Sekunden später fliegt Hughes vom Platz. Allerdings sieht auch der Waliser die Rote Karte, eine klare Fehlentscheidung. Über die jeder andere Spieler den Kopf geschüttelt hätte – um am Tag danach wieder nach vorne zu schauen. Doch nicht so Savage.
Ausgerechnet der Mann, der in seiner Karriere eine fast pathologische Sucht zum Fallen entwickelt hatte, wenn es darum ging, Platzverweise zu provozieren oder Elfmeter zu schinden, fühlt sich derart vom Schicksal getriezt, dass er öffentlich damit droht vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu ziehen, sollte seine Sperre nicht aufgehoben werden. Was er am Ende natürlich nicht macht. Falls irgendwer auf der Insel Savage bis dahin noch hatte leiden können – spätestens nach dieser Aktion ist er unten durch.
„Junge, du bist einfach nicht gut genug“
Geschichten wie diese gibt es im Zusammenhang mit dem Waliser unzählige. Savage, die Drama-Queen. Savage, die Nervensäge. Savage, der Drecksack. Savage, der fucking wanker. Dass hinter der Solariumsbräune, den geföhnten Haaren und der großen Klappe ein sensibles Gemüt schlummert, ein unsicheres Kerlchen, das später beichtet, zeit seiner Karriere mit Fake-Accounts in Internetforen die eigenen Leistungen gelobt zu haben – egal. Auf Savage, das ist im Vereinigten Königreich irgendwann Konsens, darf jeder mal draufhauen. Oder Bierflaschen werfen. So wie 1994. Da ist Savage gerade 19 Jahre alt und mit ein paar Kumpels im Pub, Snooker spielen. Plötzlich sieht er eine Bierflasche auf sich zufliegen, die ein wütender Fan nach ihm geworfen hat. Die Flasche trifft nicht Savage, der ja eigentlich noch ein Kind ist und reaktionsschnell ausweicht, sondern zerschellt hinter ihm an der Wand wie eine Sektpulle bei einer Bootstaufe. So als wolle ihn eine höhere Macht warnen: Aufgepasst Robbie, ab jetzt wird es stürmisch.
Ein paar Jahre zuvor war der blutjunge Robbie aus Wrexham, einer Kleinstadt im Norden von Wales, ins große Manchester aufgebrochen. In der Jugendakademie von United wird er Teil des „Dream Teams“ und gewinnt 1992 an der Seite von Ryan Giggs, David Beckham und den Neville-Brüdern gar den FA Youth Cup. Doch den Schritt zu den Profis packt er nicht. Sir Alex Ferguson ruft Savage, damals noch kein unangenehmer Mittelfeldbeißer, sondern ein eher bemühter denn talentierter Stürmer, im Frühling 1994 zu sich ins Büro. Um ihm seine Einschätzung ins Gesicht zu knallen wie eine Ohrfeige. „Junge“, sagt der schottische Trainer, „du bist einfach nicht gut genug.“