Als Kind sah unser Autor Tony Yeboah spielen. Noch heute denkt er an ihn, wenn er vom modernen Fußball genervt ist. Heute wird die Eintracht-Legende 55 Jahre alt.
Das Pokalspiel gegen Waldhof Mannheim war schließlich ein Vorbote auf das, was mich mit der Eintracht in den nächsten Jahren und eigentlich bis heute erwarten würde: Ein anstrengendes Auf und Ab. 90 Minuten hielt der unterklassige Gegner das 0:0, in der Verlängerung spielte die Eintracht plötzlich entfesselt auf und siegte 4:1. Das erste Tor schoss dabei Tony Yeboah. Wer sonst, fragte mein Onkel rhetorisch, während ich noch laut jubelnd auf der Sitzschale stand, die eingeübten Fangesänge durchexerzierte und beschloss, dass dieser Yeboah tatsächlich der beste Stürmer der Welt war.
In den folgenden zwei Jahren setzte Yeboah alles daran, meiner steilen These gerecht zu werden. 1993 und 1994 wurde er Torschützenkönig, 1994 sogar, obwohl er ein halbes Jahr ausfiel, und ich bin mir bis heute sicher, dass die SGE in jener Saison Meister geworden wäre, hätte Yeboahs vermaledeites Innenband nur gehalten. Ähnlich wie ich es bis heute Jupp Heynckes übel nehme, dass er einen Spieler wie Yeboah kurze Zeit später einfach aussortierte. Yeboah ging nach Leeds, ich trauerte ihm nach, und während die Eintracht abstieg, schoss sich Yeboah mit unglaublichen Toren in die Herzen der englischen Fans. Später kam er noch einmal zurück nach Deutschland, aber zum falschen Verein und auch nicht mehr als der beste Stürmer der Welt, was möglicherweise, so gestand ich mir ein, an meiner Verklärung gelegen haben könnte.
Aber Verklärung gehört eben auch dazu. Wann immer ich keine Lust mehr auf diesen Sport habe, wann immer ich mich fremd fühle zwischen CR7s Sixpack, Bayerns achtzigstem Meistertitel und Red Bull, denke ich an diesen grauen Tag im Oktober 1992 zurück und erinnere mich an das Gefühl von Magie, das mir Tony Yeboah mit seiner kraftvollen und zugleich mühelos leichten Spielweise vermittelte. Und damit bin ich nicht allein. Als Yeboah vor kurzem im Eintracht-Museum zu Besuch war, präsentierte ihm ein Fan sein Rückentattoo: Die Nummer Neun und den Namen Yeboah. Seit 2014 ziert Yeboahs Konterfei eine ganze Hausfassade in Frankfurt, fährt man mit der S‑Bahn zum Stadion, kommt man daran vorbei.
Mit dem Wandbild wird nicht nur Yeboah gewürdigt, sondern auch seine Bedeutung, die er in Frankfurt im Kampf gegen Rassismus in der Kurve hatte. Er fühle sich sehr geehrt, ließ Yeboah anlässlich des Wandbildes ausrichten. Dabei ist es ja andersherum: Als Frankfurt-Anhänger ist man geehrt, dass einer wie Yeboah einst für den eigenen Klub spielte. Danke dafür. Und alles Gute zum 55. Geburtstag.