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Stefan Kieß­ling, welche Frage haben Sie zuletzt häu­figer gehört: Ob Lever­kusen jetzt der neue Bayern-Jäger ist, oder warum Joa­chim Löw Sie nicht mehr anruft?
Zuletzt war es dann doch der Bayern-Jäger, aber durch den großen Abstand müssen wir uns damit über­haupt nicht beschäf­tigen. Wir wollen jetzt den zweiten Platz ver­tei­digen.
 
Und was denken Sie, wenn Sie abends vor dem Fern­seher sitzen und die Natio­nalelf man­gels Per­sonal mit Mario Götze im Sturm auf­läuft?
Diese Frage geht mir auf jeden Fall mehr auf den Keks, als das mit dem Bayern-Jäger. Ich war 2010 bei der WM dabei und habe davor eine gute Saison gespielt. In Süd­afrika habe ich dann aber nie eine wirk­liche Chance bekommen, was nicht ein­fach für mich war. Seither wurde ich nicht mehr nomi­niert. Für mich ist das total in Ord­nung. Ich bin fit und kann für Lever­kusen spielen. Alles andere ist mir im Moment völlig egal.
 
In der Bun­des­liga hat im Kalen­der­jahr 2012 kein Spieler mehr Tore erzielt. Warum sehen wir jetzt den stärksten Stefan Kieß­ling, den es je gab?
Ob das der beste Kieß­ling aller Zeiten ist? Ich habe in der Saison 2009/2010 schon 21 Tore gemacht. Auch kein schlechtes Jahr. Es freut mich, dass es so gut läuft und ich will im nächsten Jahr, wenn keiner mehr über die Tore von 2012 spricht, wieder genau da anknüpfen.
 
Wie würden Sie Ihren Spiel­stil beschreiben?
Ich bin ein Stürmer, der viel für die Mann­schaft läuft und ackert, sich Räume frei macht und sich selbst Tor­chancen erar­beitet. Ich ver­suche immer, mann­schafts­dien­lich zu spielen, die Anderen in Szene zu setzen. Bei einem so auf­wän­digen Spiel ist es aber wichtig, dass man vor dem Tor noch genü­gend Power und Kon­zen­tra­tion hat. Es gilt also immer einen gesunden Mit­telweg zwi­schen Auf­wand und Ertrag zu finden.
 
Sie bestreiten mit großem Abstand die meisten Zwei­kämpfe aller Bun­des­li­ga­spieler.
Ich bin eben nicht der Typ, der zurück­steckt und ver­suche in jeden Zwei­kampf zu gehen. Und als Stürmer hat man ja bei langen Bällen immer auto­ma­tisch einen Zwei­kampf. Aber dass ich in den letzten Jahren erheb­lich mehr Zwei­kämpfe gemacht habe, als der Zweit­plat­zierte, das wun­dert mich selbst.
 
Kri­tiker werfen Ihnen gele­gent­lich einen unor­tho­doxen Lauf­stil vor. Wie viel haben Sie sich von Jürgen Klins­mann abge­schaut?
Ich bewege mich sicher­lich nicht wie Jürgen Klins­mann, son­dern habe meinen eigenen Lauf­stil. Wenn jemand meint, dass der unor­thodox ist, dann soll er das tun.
 
Sie haben neu­lich gesagt, der zweite Tabel­len­platz sei das Ergebnis einer neuen Men­ta­lität. Wie meinen Sie das?
Einige Siege hätten wir so in der ver­gan­genen Saison nicht geholt. Neben dem Spiel in Mün­chen meine ich vor allem auch das DFB-Pokal­spiel gegen Bie­le­feld. Eine unheim­lich schwere Partie, die wir nach Rück­stand noch drehen konnten. Dieser Wille hat uns in der Ver­gan­gen­heit viel­leicht etwas gefehlt.
 
Warum ist Bayer so schwach in die Saison gestartet?
Wir haben den Bun­des­li­ga­auf­takt in Frank­furt ver­loren und mussten dann am dritten Spieltag zum Deut­schen Meister nach Dort­mund. Da kannst du schon mal ver­lieren. Aber wie man sieht, ist die Mann­schaft ist super damit umge­gangen
 
Was läuft unter Sascha Lewan­dowski und Sami Hyypiä anders als unter Robin Dutt?
Es ist kein Geheimnis, dass es letztes Jahr nicht mehr so gut funk­tio­niert hat. Mit Sascha und Sami lief der Neu­an­fang rei­bungslos. Die Beiden haben klar for­mu­liert, was sie von uns erwarten und wie sie spielen wollen. Ein Vor­teil ist, dass ich mit Sami noch zwei Jahre zusammen gespielt habe und wir genau wissen, wie der Andere tickt. Am Ende hat uns die Qua­li­fi­ka­tion für die Europa League den ent­schei­denden Auf­schwung gegeben, den wir mit in die neue Saison genommen haben.

Wie muss man sich die Rol­len­ver­tei­lung des Trainer-Duos vor­stellen?
Sascha hält die Mann­schafts­be­spre­chungen und macht die Pres­se­kon­fe­renzen, Sami hin­gegen stellt sich vor dem Spiel der Presse und richtet noch die letzten Worte an die Mann­schaft. Wenn man so will, ist er also für die Moti­va­tion zuständig. Im Trai­ning und auf der Bank haben beide aber den glei­chen Ein­fluss und arbeiten voll auf Augen­höhe.
 
Lever­kusen spielt ein anderes System als die meisten Ver­eine. Was ist der Vor­teil, mit einem Sechser und zwei Ach­tern zu spielen?
Der Unter­schied ist gar nicht so groß. Mitt­ler­weile stehen die Außen­ver­tei­diger bei allen Sys­temen sehr hoch. Bei einem Konter sind es bei uns eben die Achter, die auf­passen müssen, bei anderen Ver­einen die beiden Sechser. Für uns ist wichtig, dass wir unser Auf­bau­spiel durch­ziehen können, was momentan ja ganz gut funk­tio­niert.
 
Die Mann­schaft steht sehr kom­pakt. Gibt es, wie bei Jürgen Klopp, eine Maß­nahme, wie viel Meter sie im Ide­al­fall höchs­tens vom eigenen Innen­ver­tei­diger ent­fernt sein dürfen?
Es wäre sicher kon­tra­pro­duktiv, jedes Mal das Maß­band raus­zu­holen. Aber die Vor­gabe, sehr kom­pakt zu stehen, ist da und wir setzen diese, wie gegen Schalke, auch immer besser um. Aus dieser Kom­pakt­heit heraus können wir dann auch unsere schnellen Spieler nach vorne schi­cken.
 
Wie viel Spaß machen Don­ners­tag­abend-Spiele gegen Meta­list Charkiw, Rosen­borg Trond­heim und Rapid Wien eigent­lich wirk­lich?
Trotz der Klat­sche gegen den FC Bar­ce­lona war die Cham­pions League ein abso­lutes High­light. Da wollen wir im Ide­al­fall wieder hin. Die Europa League ist aber eine ordent­liche Her­aus­for­de­rung. Im neuen Jahr kommen ja noch erst­klas­sige Mann­schaften dazu. Ich glaube, es ist genau so schwer, die Europa League zu gewinnen wie die Cham­pions League.
 
In Eng­land spielen Fuß­baller wie Steven Ger­rard, Wayne Rooney oder John Terry fast eine gesamte Kar­riere lang für einen Verein. Sie gelten in Deutsch­land nach sechs Jahren in Lever­kusen als beson­ders ver­eins­treu. Man hat auch nicht das Gefühl, als würden Sie sich bald eine neue Her­aus­for­de­rung suchen wollen.
Simon Rolfes und Gon­zalo Castro sind ja sogar noch länger im Verein als ich. Wenn ein neuer Trainer kommt, muss man sich natür­lich fragen: Sitze ich jetzt hier auf der Bank oder ver­suche ich mich viel­leicht irgendwo anders durch­zu­beißen? Bei mir war das aber nie der Fall, weil hier in Lever­kusen ein­fach das Gesamt­paket stimmt.
 
Wie sieht dieses Gesamt­paket aus?
Obwohl Bayer ein großer Verein ist, geht es hier relativ ruhig und fami­liär zu. Wir haben ein tolles Sta­dion und ich ver­stehe mich bes­tens mit den Fans. Ich bin ein Typ, der sich rundum wohl fühlen muss. Des­wegen bin ich hier.