Weltklassestürmer fürchteten seine Kompromisslosigkeit, heute hat er Geburtstag: Jürgen Kohler über geklaute Sportwagen, wütende Sizilianer und knifflige Zweikämpfe.
Vorher waren Ihre Mitspieler nicht aus Sizilien, sondern hießen beispielsweise Markus Münch. Warum ging es von München nach Turin?
Im Mai 1991 schoss ich für die Bayern gegen den HSV zwei Tore. Auf der Tribüne saß Luca di Montezemolo von Juve, um Stefan Reuter zu beobachten. Ein paar Tage später kam Stefan auf mich zu und sagte: „Juve will dich auch.“
Damals war Italien finanziell eine andere Liga.
Wir trafen uns zu den Verhandlungen und sprachen über Zahlen. Und ich dachte: Das hört sich gut an. Aber plötzlich kam raus, dass die ganze Zeit von netto geredet wurde. Ich konnte es nicht fassen. Ich bin also zunächst des Geldes wegen hin. Was für ein großartiger Klub Juve eigentlich ist, habe ich erst später gemerkt.
Ihren Marktwert mussten Sie sich hart erkämpfen. Aber gab es auch Momente, in denen Sie richtig Schwein hatten?
In einem meiner ersten Spiele für Waldhof Mannheim. Wir spielten in Leverkusen, bei uns waren viele verletzt, es ging gegen den Abstieg. Ich spielte mit 18 Jahren 90 Minuten durch und wir gewannen 1:0 – obwohl ich einen Elfmeter verursacht hatte. Hätte Uwe Zimmermann den nicht gehalten, wäre ich der Depp gewesen.
Oft mussten Sie das Glück erzwingen. In der Jugend wollte Sie zunächst kein größerer Verein.
Ich war 14, spielte in der Südwestauswahl, war sogar Kapitän. Vor einem Turnier waren plötzlich 13 Spieler von Kaiserslautern dabei – die vorher nie Auswahl gespielt hatten. Ich saß nur noch auf der Bank und musste die Koffer tragen. Zwei Minuten nach meiner Einwechslung bekam ich einen Beinschuss, zwei Minuten später wechselte mich der Trainer wieder aus – als Kapitän! Da habe ich gemerkt, dass ich als Spieler von Lambsheim keine Chance mehr bekommen würde.
Also stellten Sie sich selber bei Waldhof Mannheim vor?
Dort wollten sie mich in die B3 stecken. Ich fuhr den Weg nach Mannheim allerdings zusammen mit einem Kumpel, der in der C1 spielte. Und die trainierte gleichzeitig mit der B1. Also habe ich gefragt, ob ich zumindest ein paar Wochen dort mittrainieren könnte, damit es nicht so stressig mit der Anfahrt sei. Ein paar Wochen später sagte der Trainer: „Du bringst jetzt deinen Pass mit und dann spielst du bei mir. Und zwar als Vorstopper.“
Wie kamen Sie in die erste Mannschaft?
Irgendwann fragte Klaus Schlappner, der Bundesligatrainer, wer denn dieser junge Kerl sei. Der Jugendtrainer antwortete: „Den kannte hier vor kurzem noch keiner. Aber der beißt Eisenstangen durch.“ Also durfte ich mit 17 Jahren in der ersten Mannschaft trainieren.
In den Achtzigern gab es strenge Hierarchien. Was waren als junger Kerl Ihre Aufgaben?
Ich musste damals Bälle tragen, Schuhe putzen, das volle Programm. Wenn wir zweimal am Tag trainierten, musste ich mit den gleichen Klamotten wie am Vormittag trainieren. Sie können sich vorstellen, wie das roch. Erst später bekam man als Spieler eine zweite Garnitur.
Außerdem mussten Sie der Legende nach mit Klaus Schlappner Sonderschichten einlegen.
Zusammen mit ein paar anderen jungen Spielern musste ich einmal zusätzlich in der Woche antanzen: Torschuss, Dribbling, Flanken aus dem Lauf. Also alles, was ich nicht konnte. (Lacht.)
Wann haben Sie gemerkt, dass Sie besonders hart zu sich selbst sein können?
Bei meinem ersten Training in der Jugend von Mannheim sind beim Fitnesstest die Torhüter an mir vorbeigelaufen. Ich wurde Letzter. Sechs Wochen später wurde ich Erster. Da wusste ich, was Ehrgeiz bewirken kann.