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Eigent­lich bringt Josep Bar­tomeu alles mit, was man braucht, um einen großen Verein erfolg­reich zu führen. Der heute 57-Jäh­rige war selbst Profi in Bar­ce­lona – aller­dings trug er Tri­kots ohne Ärmel, noch dazu in den feind­li­chen Farben: Bar­tomeu ver­diente sein Geld als Bas­ket­baller, beim unge­liebten Lokal­ri­valen Espanyol. Zwei Jahr­zehnte später avan­cierte er zum Vize­prä­si­denten bei seiner eigent­li­chen Jugend­liebe Barca, deren Korb­jäger-Abtei­lung er fortan leiten durfte. Das ist in Spa­nien, wo Bas­ket­ball die klare Nummer zwei unter den Sport­arten ist, eine durchaus ehren­werte Auf­gabe. Aber Bas­ket­ball ist eben Bas­ket­ball. Und Fuß­ball ist dann doch etwas ganz anderes.

Von daher mag es kaum ver­wun­dern, dass diesem Josep Maria Bar­tomeu eine Beton­mauer der Skepsis ent­ge­gen­stand, als er 2014 Prä­si­dent des nach Mit­glie­dern neunt­größten Sport­ver­eins der Welt wurde. Ein Bas­ket­baller diri­giert Barca“, ätzte die in Madrid her­aus­ge­ge­bene Marca“. Ein knappes Jahr später gewann der FC Bar­ce­lona im Ber­liner Olym­pia­sta­dion die Cham­pions League, durch ein 3:1 gegen Juventus Turin. Bar­tomeu durfte sich gra­tu­lieren lassen für einen Erfolg, den andere in die Wege geleitet hatten – und der seine Selbst­wahr­neh­mung offenbar nach­haltig trübte: Fortan hielt Bar­tomeu sich für einen all­mäch­tigen Ver­eins­lenker vom Schlage eines Uli Hoeneß. Nur, dass der Kata­lane vom sport­li­chen Kern­ge­schäft des Futbol Club Bar­ce­lona“ eher wenig ver­steht.

Schlei­chender Nie­der­gang

Nun waren auch Bar­tomeus Vor­gänger Rosell oder Joan Laporta keine aus­ge­wie­senen Fuß­ball­ex­perten. Aber sie hatten gute Rat­geber und – noch wich­tiger: Sie hörten zu. Die Amts­zeit von Josep Bar­tomeu hin­gegen wirkt aus heu­tiger Sicht wie ein ein­ziger schlei­chender, aber unbarm­herzig fort­schrei­tender Nie­der­gang. Nur einmal erreichte Bar­ce­lona nach 2015 das Halb­fi­nale der Königs­klasse (2019 gegen Liver­pool). Schlimmer noch: Erz­ri­vale Real Madrid sicherte sich im selben Zeit­raum dreimal in Folge den Titel (2016 bis 2018). Der abso­lute Tief­punkt aus Barca-Sicht aber war die 2:8‑Viertelfinal-Klatsche in der ver­gan­genen Woche gegen Bayern. Chef­coach Quique Setién, erst im Januar als aus­drück­li­cher Wunsch­kan­didat des Prä­si­denten ver­pflichtet, musste prompt seinen Spind räumen.

Aber genügt ein Trai­ner­wechsel, um das schlin­gernde Barca-Schiff vor dem (gefühlt) nahenden Unter­gang zu retten? Eher nicht, meinen Insider, denn Setién, das 2:8 und auch die zuvor ver­spielte spa­ni­sche Meis­ter­schaft (gegen ein kei­nes­falls über­ra­gendes Real) seien nur Sym­ptome gewesen. Der Herd der Krank­heit sei noch immer aktiv – auf dem Prä­si­den­ten­stuhl. Selbst der immer­treue Lionel Messi will den Klub augen­schein­lich ver­lassen. Wegen des obersten Ent­schei­ders bei Barca. Die spa­ni­sche Mundo Depor­tivo“ for­derte des­halb mit Blick auf den not­wen­digen Neu­aufbau: Messi ja, Bar­tomeu nein“.

Bar­tomeu, der Whist­le­b­lower

Bereits zu Ostern waren sechs Barca-Vor­stands­mit­glieder zurück­ge­treten – aus Pro­test gegen Bar­tomeus Art der Amts­füh­rung. Hinter vor­ge­hal­tener Hand war von Amts­miss­brauch und sogar von Kor­rup­tion die Rede. Dass El Pre­si­dente“ intern nicht allzu beliebt ist, liegt wohl auch an der Art und Weise, wie er an die Macht kam – im Stile eines klas­si­schen Königs­mör­ders: Nachdem Amts­vor­gänger Sandro Rosell im Zuge der Neymar-Ver­pflich­tung (2013 vom FC Santos) eine Reihe ver­deckter Zah­lungen an das per­sön­liche Umfeld des Bra­si­lia­ners geneh­migt hatte, gab der bis­he­rige Unter­ge­bene“ Bar­tomeu den Whist­le­b­lower, zwang seinen lang­jäh­rigen För­derer zum Rück­tritt und stieg selbst zum ersten Mann auf.

Seither wird die Liste der Vor­würfe gegen den ehe­ma­ligen Korb­jäger immer länger und länger: zahl­reiche plan- und wir­kungs­lose Spie­ler­ver­pflich­tungen wie Ous­mane Dem­belé, Antoine Griez­mann, Cou­tinho, Martin Brai­thwaite oder Kevin-Prince Boateng, ein per­sön­li­cher Klein­krieg mit Super­star Messi (und die daraus resul­tie­rende Barca-Gate-Affäre“ um bezahlte Stim­mungs­mache im Internet), ver­passte Top­trans­fers wie die geschei­terte Rück­hol­ak­tion von Neymar oder die abge­sagte Ver­pflich­tung von Alphonso Davies (auf­grund eines Bar­tomeu-Vetos), der anhal­tende Pres­ti­ge­ver­lust der Talent­schmiede La Masia“ und gleich zwei kapi­tale Fehl­be­set­zungen auf der Trai­ner­bank bei den Profis.

2017 hatte Bar­tomeu den zuvor in Bilbao tätigen Ernesto Val­verde (heute 56) ver­pflichtet, einen eher schweig­samen Übungs­leiter, der das erfah­rene Team um Messi ein­fach machen ließ. Das genügte zwar für zwei natio­nale Meis­ter­schaften (2018 und 2019) sowie einen Pokal­sieg (2018). Doch Val­verde, so glauben viele, ern­tete Früchte, die andere gesät und kul­ti­viert hatten: Vor­gänger wie Pep Guar­diola (von 2008 bis 2012 Barcas Chef­trainer), der an Krebs ver­stor­bene Tito Vil­a­nova (2012 bis 2013) oder Luis Enrique (2014 bis 2017). Zu Jah­res­be­ginn musste Val­verde gehen, weil die alten Erfolgs­ga­ranten wie Messi, Gerard Piqué oder Luis Suarez (alle 33) ihren Zenit augen­schein­lich über­schritten hatten und der jah­re­lange kon­zep­tio­nelle Still­stand nun seinen Tribut for­derte.

Bar­ce­lona und Messis Stim­mungen

Val­verdes Nach­folger war aber­mals ein Wunsch­kan­didat von Bar­tomeu und sollte Barca zurück­führen nach Tiki-taka-Land: Quique Setién (61), selbst ernannter Ver­fechter eines ästhe­tisch anspre­chenden Fuß­balls, hatte zuletzt Real Betís betreut und keinen ein­zigen bedeu­tenden Titel in seiner Trainer-Vita. Ent­spre­chend kopf­schüt­telnd wurde seine Ver­pflich­tung quit­tiert – von Fans, Medi­en­ver­tre­tern, Teilen der Klub­füh­rung und vor allem in der Kabine. Nach einem 2:2 in Vigo im Juni motzte Suarez: Wir ver­lieren aus­wärts zu viele Punkte, das war früher anders, ich denke, dass Trainer dazu da sind, so etwas zu ana­ly­sieren.“ Der mür­ri­sche Messi ver­wei­gerte Setiéns Co-Trainer sogar öffent­lich die Auf­merk­sam­keit. Um nur einige der jüngsten Unstim­mig­keiten zu nennen.

Für Bar­tomeu-Kri­tiker resul­tiert dessen prä­si­diales Ver­sagen aus Ahnungs­lo­sig­keit gepaart mit Bera­tungs­re­sis­tenz. Zu den sport­li­chen Ent­schei­dungs­trä­gern, die der oberste Barca-Boss ver­pflich­tete, zählen übri­gens auch Sport­di­rektor Eric Abidal und dessen rechte Hand Ramon Planes. Die beiden ver­pul­verten über 400 Mil­lionen Euro in zwei Jahren und trieben nebenbei auch noch Messi in eine Art Dau­er­frust. Der Argen­ti­nier würde viel lieber an der Seite seines Ex-Kol­legen Neymar stürmen als neben Antoine Griez­mann, Abidal aber boxte die 120 Mil­lionen Euro teure Ver­pflich­tung seines fran­zö­si­schen Lands­manns durch. Griez­mann kam in der abge­lau­fenen Saison auf ganze neun Liga­treffer in 35 Par­tien – auch weil Messi ihn auf dem Platz häufig schnitt.

Kommt’s jetzt richtig dicke?

Und Josep Bar­tomeu? Der spielt offenbar auf Zeit und stellt in Aus­sicht, die kom­menden Prä­si­den­ten­wahlen um einige Monate vor­zu­ver­legen – auf März 2021, was ange­sichts der augen­blick­li­chen Corona-Lage im Land ziem­lich zwei­fel­haft scheint. Die Zeit der sport­li­chen Expe­ri­mente sei jeden­falls vor­über, heißt es aus Bar­tomeus Umfeld. Sport­di­rektor Abidal steht längst auf der Kippe. Und auf dem Trai­ner­stuhl wird end­lich wieder ein Mann mit pro­mi­nentem Namen sitzen: Die gerade von einem Herz­in­farkt gene­sene Klub-Ikone Ronald Koeman soll es richten. Ob der Hol­länder auch auf große Neu­zu­gänge im Kader hoffen darf, ist zwei­fel­haft: Barca soll seinen Schul­den­berg unter Bar­tomeu laut spa­ni­schen Medien auf rund eine Mil­li­arde Euro hoch­ge­trieben haben, die Hälfte davon sei kurz­fristig fällig. Damit wäre der Verein auch wirt­schaft­lich ein Sanie­rungs­fall.