Barcelonas Trennung von Trainer Ernesto Valverde kam für viele überraschend. Noch überraschender wirkte die Wahl seines Nachfolgers. Doch Quique Setien könnte den Verein zurück zur eigenen fußballerischen Identität führen.
Es waren nur wenige Worte, die auf der großen gelben Fünf des blau-rot gestreiften geschrieben standen. Doch diese hatten es in sich: „Für Quique, mit Liebe und Bewunderung für Ihre Art, den Fußball zu sehen. Alles Gute!“ Unter diesen Worten der Bewunderung stand eine Signatur – es war die von Sergio Busquets. Wenige Minuten zuvor hatte Quique Setien mit Betis Sevilla für eine herbe Heimniederlage des FC Barcelonas gesorgt und im Anschluss daran nach dem Trikot des katalanischen Mittelfeld-Regisseurs gefragt. Das 3:4 ist bis heute ist die letzte Heimniederlage des FC Barcelona im Camp Nou – und die einzige Pleite im eigenen Wohnzimmer für Ernesto Valverde überhaupt.
Ausgerechnet derjenige, der Valverde damals geschlagen hatte, wird nun der Nachfolger des scheidenden Trainers. Anders als Busquets, der 2018 an der Verehrung für Setien keinen Zweifel ließ, sorgte zwar die Entlassung Valverdes aufgrund der spielerischen Einfältigkeit des Teams für zustimmendes Kopfnicken bei einigen Fans, die Ernennung eines größtenteils Unbekannten zum Cheftrainer Barcas, löste allerdings viel Rätselraten in der Anhängerschaft Barcelonas aus. Denn an die Seite Messis, Griezmanns und Piques wünschen sich viele Fans Trainer-Veterane, die im Umgang mit Mega-Stars geübt sind. Menschen, die nicht davor zurückschrecken, Luis Suarez nach schlechten Trainingsleistungen auf die Bank zu setzen. Und dann wäre da ja noch der Wunsch nach einem Trainer, der einst ein großer Spieler mit der eigenen DNA des Klubs gewesen ist. Einer wie es Zidane beim Rivalen aus Madrid ist oder wie es Pep Guardiola im Camp Nou war.
„Weniger laufen als der Gegner“
All das trifft auf Quique Setien nicht zu. Der 61-Jährige ehemalige zentrale Mittelfeldspieler hat magere drei Länderspiele für die spanische Auswahl bestritten und spielte lediglich drei Jahre für einen der großen spanischen Vereine – Atletico Madrid. Danach verbrachte der Spanier einen Großteil seiner Trainerkarriere auf den weniger luxuriösen Bänken unterklassiger spanischer Teams. Erst mit seinem Engagement bei Betis Sevilla im Jahr 2017 betrat der damals 58-Jährige die größere Fußball-Bühne.
Dass Setien nun das Zepter in der katalanischen Hauptstadt übernehmen und Lionel Messi zukünftig taktische Anweisungen geben wird, liegt auch daran, dass populärere Lösungen wie die Verpflichtung Ronald Koemans, Mauricio Pochettino oder Xavi Hernandez aus unterschiedlichsten Gründen nicht zustande kamen. Und es liegt an einer Vorliebe Setiens für das fußballerische Erbe eines Mannes, über das Vorgänger Valverde in der Vergangenheit gestolpert war. Denn angesprochen auf die uninspirierte Darbietung seiner Mannschaft beim Spiel gegen Slavia Prag im Herbst 2019, bei dem die Gegner der Blaugrana 15 Kilometer mehr liefen, erinnerte sich Valverde an die Aussage seines ehemaligen Trainers: „Cruyff hat immer gesagt, man solle weniger laufen als der Gegner.“ Die Annahme Cruyffs lag darin begründet, der Gegner müsse deshalb mehr laufen, weil die technisch versierten Männer in den gestreiften Trikots ih mit ihren Passstafetten laufen ließen. Für die Verantwortlichen und einige Fans des spanischen Meisters war dies unter Valverde zu selten der Fall. Die spielerische Einfallslosigkeit seiner Mannschaft und die hohen Erwartungen im Camp Nou besiegelten schließlich sein Aus.